Reisende stehen an einem Bahnsteig, an dem ein Zug einfährt. © dpa-Bildfunk Foto: Christoph Soeder

Bahn-Fahrgastrechte: Was gilt bei Verspätung oder Zugausfall?

Stand: 19.09.2024 14:47 Uhr

Verspätungen und Zugausfälle sind bei der Deutschen Bahn keine Seltenheit. Fahrgäste haben in vielen Fällen ein Recht auf Entschädigungen oder Erstattungen. Wann bekommt man Geld zurück?

In Sachen Pünktlichkeit ist die Deutsche Bahn kein Vorbild: Nur knapp zwei Drittel der Züge kamen im Jahr 2023 pünktlich an, wobei die Deutsche Bahn in ihrer Statistik ausgefallene Züge nicht einmal mit einrechnet. Bei Verspätungen gilt: Kommt ein Zug 60 Minuten zu spät, gibt es 25 Prozent des Ticketpreises zurück, ab 120 Minuten beträgt die Entschädigung 50 Prozent. Bei Zugausfall bekommen Reisende die Ticketkosten erstattet.

Keine Entschädigung bei "außergewöhnlichen Umständen"

Liegen allerdings "außergewöhnliche Umstände" vor, müssen Bahnunternehmen in der EU keine Entschädigungen mehr zahlen. Dazu zählen große Naturkatastrophen, schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder Terrorismus. Auch bei "Verschulden eines Fahrgasts" fällt die Erstattung weg, ebenso bei unvorhersehbarem Verhalten von Dritten, etwa wenn Menschen das Gleis betreten, Kabel gestohlen werden oder es einen Notfall im Zug gibt. Hintergrund ist eine Aktualisierung der EU-Verordnung zu den Fahrgastrechten im Eisenbahnverkehr, die seit Juni 2023 die Entschädigungszahlungen neu ordnet.

Bei Streik zahlt Bahn weiterhin Entschädigung

Demnach zahlt die Deutsche Bahn bei Kabeldiebstahl oder Polizeieinsätzen am Gleis seither keine Entschädigung mehr für Zugverspätungen. Im Fall eines Streiks wird dagegen weiterhin entschädigt, ebenso bei Verspätungen durch Unwetter wie Stürme oder Hochwasser. Bei schweren Naturkatastrophen wie etwa 2021 im Ahrtal fällt zwar der gesetzliche Anspruch weg, das Unternehmen will sich künftig aber jeden Einzelfall anschauen und den Fahrgästen gegebenenfalls mit Gutscheinen entgegenkommen.

Verspätung: Wann wird die Zugbindung aufgehoben?

Nicht geändert haben sich die Fahrgastrechte zur Weiterfahrt mit einem anderen Zug bei Verspätung: Hat der gebuchte Zug mehr als 20 Minuten Verspätung oder fällt aus, ist die sogenannte Zugbindung aufgehoben. Das heißt, man darf einen anderen Zug nehmen als auf dem Ticket angegeben ist. Dabei dürfen dann auch teurere Verbindungen, etwa mit dem ICE statt dem Regionalzug, ohne Aufpreis genutzt werden. Ab 60 Minuten angekündigter Verspätung kann das Ticket kostenfrei zurückgegeben werden. Wenn man erst unterwegs von der Verspätung erfährt, kann man die Reise abbrechen und mit dem nächsten Zug kostenlos zurück zum Startbahnhof reisen.

Taxi statt Bahn und Hotelübernachtung

Strandet ein Fahrgast am Abend an einem Bahnhof und kann die Bahn nicht für Ersatzverkehr sorgen, muss sie für Unterkunft und Beförderung aufkommen. Hier ist die in Deutschland geltende Eisenbahn-Verkehrsordnung laut Verbraucherzentrale kundenfreundlicher als die EU-Verordnung. Liegt die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr und ist eine Verspätung von 60 Minuten absehbar, können Fahrgäste mit dem Taxi zum Zielbahnhof fahren und sich die Kosten bis zu einer Höhe vom maximal 120 Euro erstatten lassen. Das gilt auch, wenn die letzte planmäßige Verbindung des Tages ausfällt und der Zielbahnhof bis 0 Uhr nicht mehr anders erreicht werden kann.

Auch wenn "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, steht Fahrgästen eine Hotelunterkunft zu, die Unterbringung ist aber auf höchstens drei Nächte begrenzt.

Ausnahmen beim Deutschlandticket

Für reguläre Nahverkehrstickets gilt: Erreicht der gebuchte Zug sein Ziel mit mehr als 20 Minuten Verspätung, können Fahrgäste einen nicht-reservierungspflichtigen Zug des Fernverkehrs nutzen. Dazu müssen sie zunächst ein entsprechendes IC- oder ICE-Ticket kaufen, können die Kosten aber später zurückfordern. Wichtig: Diese Regelung gilt nicht für "erheblich ermäßigte" Tickets, worunter auch das Deutschlandticket, sowie Länder-Tickets oder das "Schönes-Wochenende-Ticket" fallen. Wer mit einem dieser Tickets auf einen Fernverkehrszug ausweichen möchte, muss dies auf eigene Rechnung tun.

Was gilt bei der Kombination von Fernverkehrs- und Deutschlandticket?

Ebenfalls wichtig: Werden für die Reise Nah- und Fernverkehrszüge kombiniert, gelten die Fahrgastrechte nur dann für die komplette Reise, wenn die Fahrt als durchgehende Verbindung gebucht wurde. Nah- und Fernverkehrszüge müssen auf demselben Ticket stehen. Reisende mit Deutschlandticket müssten den Preis für die Nahverkehrsstrecke also zusätzlich bezahlen, obwohl sie dafür das Deutschlandticket nutzen könnten - ansonsten gelten die Fahrgastrechte lediglich für die Fernbahnstrecke. Reisende müssen also vorher abwägen, was ihnen wichtiger ist: die Preisersparnis durch die Nutzung des Deutschlandtickets oder die Fahrgastrechte für die gesamte Strecke.

Kürzere Frist bei Anträgen auf Erstattung

Bisher konnten Fahrgäste bei Zugausfall oder Verspätung ihre Anträge bis zu ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte einreichen. Mit der neuen Verordnung wird diese Frist auf drei Monate verkürzt. Die Deutsche Bahn erklärte aber, im Regelfall kulant zu sein und Anträge auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist anzunehmen und zu bearbeiten.

Mehr Fahrradplätze und Barrierefreiheit

Die 2023 in Kraft getretene neue EU-Fahrgastrechte-Verordnung hat aber nicht nur Einschränkungen für Bahnreisende mit sich gebracht: So dürfen sie seither auch in Schnell- und Fernzügen grundsätzlich Fahrräder mitnehmen. Mindestens vier Stellplätze pro Zug sind nun vorgeschrieben. Außerdem müssen die Bahnunternehmen Fahrgästen mit Behinderung eine bessere Betreuung anbieten, etwa beim Ein- und Aussteigen - auch in Regionalzügen. Allerdings gilt hier die Einschränkung, dass mindestens 24 Stunden vorher eine Anmeldung erfolgen muss.

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Markt | 23.09.2024 | 20:15 Uhr

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