Olaf Scholz spricht beim Bürgerdialog in Lübeck. © dpa Bildfunk Foto: Christian Charisius

Unter Palmen: Bundeskanzler Scholz startet Bürgerdialog in Lübeck

Stand: 11.07.2022 22:56 Uhr

Es war der Auftakt der bundesweiten Veranstaltungsreihe "Kanzlergespräch": In einer Lübecker Beachbar konnten am Montagabend etwa 150 Bürgerinnen und Bürger dem Kanzler ihre Fragen stellen. Im Mittelpunkt standen der Ukraine-Krieg und die Inflation.

von Julian Marxen

Die Sonne steht tief über den Palmen, Menschen mit Sonnenbrillen und in Sommerkleidern sitzen auf Bänken im Sand, genießen kalte Limonade. Eine Szenerie wie am Lieblingsstrand im Lieblingsurlaubsland. Doch es ist nur eine Beachbar in Schleswig-Holstein, an der Trave in Lübeck. Dafür gibt es hier an diesem Abend eine ganz besondere Kombination: Kaltgetränke und Kanzler. Olaf Scholz (SPD) sucht das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. 16 Bürgerdialoge in ganz Deutschland stehen auf dem Programm.

Nachdem sein Kommunikationsstil gerade in der aktuellen Krise vielfach kritisiert wurde, scheint der Bundeskanzler nun mehr auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen zu wollen. Es sind erste Schritte im Strandsand - mit Lederschuhen und im zugeknöpften Anzug. Besonders locker, lässig und volksnah wirkt Scholz auch an diesem Abend nicht. Dafür aber souverän und gewohnt faktensicher bei der Beantwortung sämtlicher Fragen.

Sachliche Antworten, sachliche Politik

Olaf Scholz spricht beim Bürgerdialog in Lübeck. © dpa Bildfunk Foto: Christian Charisius
Bundeskanzler Scholz sprach zum Auftakt einer Bürgerdialog-Reihe am Montagabend in Lübeck über Krieg und Inflation, Fachkräftemangel und Pflegenotstand.

Es geht um die Folgen des Ukraine-Kriegs, die immensen Preissteigerungen, den Pflegenotstand, das Sterben der Innenstädte, Verspätungen bei der Bahn oder den Fachkräftemangel. Die Zuschauer, die den Kanzler befragen, hatten sich beworben. Es waren mehrere Hundert Interessenten. Eingeladen wurden etwa 150. Die Fragen kannte der Kanzler vorher nicht. Ins Stocken kommt er im Lübecker "Strandsalon" aber nie, antwortet ruhig, sachlich, aber eben auch nicht besonders mitreißend. Auch Neues hört man nicht. "Das ist eine Zeit, in der es nicht darum geht: Was steht morgen in der Zeitung, wie ist die nächste Umfrage? Sondern: Was machen wir für die Sicherheit und was machen wir für den Frieden in Europa?", betont der SPD-Politiker. Wenn die Zeiten sehr aufgeregt seien, gehöre es dazu, "dass man den Boden immer unter den Füßen behält, damit man sicher ist, dass die Entscheidungen richtig sind."

Scholz: "Niemand wird alleine gelassen"

Viele Zuschauer wollen vom Bundeskanzler wissen, was er denn noch weiter gegen die Kostenexplosion tun wolle. Dabei wiederholt Scholz stets, dass es nach ersten beiden Entlastungspaketen weitere Hilfen geben werde. Dazu gebe es nun die Gespräche innerhalb der sogenannten konzertierten Aktion mit Arbeitgebern und Gewerkschaften, sagt der Kanzler. Auf Nachfrage sichert er zu, dass die Bundesregierung alle im Blick habe, auch zum Beispiel Studenten und Rentner. Und Scholz bereitet die Zuschauer darauf vor, dass die Zeiten noch härter werden können: "Die Preise werden nicht schnell wieder sinken, sondern das wird lange ein Problem bleiben, mit dem wir lange zu kämpfen haben", meint der Kanzler. Sein Versprechen, das zugleich Hoffnung geben soll, lautet: "Niemand wird alleine gelassen."

Demo draußen, Selfie-Session drinnen

Die Zuschauer sind nach dem anderthalbstündigen Frage-Antwort-Spiel geteilter Meinung. Manche finden, Scholz habe sich gut geschlagen, habe mit viel Detailwissen geglänzt. Andere wiederum sind eher enttäuscht, bemängeln, dass die Antworten oft keine konkreten Lösungsvorschläge beinhaltet hätten. Scharfe Kritik am Kanzler gibt es aber kaum. Weder nach noch während der Veranstaltung. Jedenfalls nicht von den Zuschauern.

Dafür aber aus den Kehlen von etwa 60 Demonstrierenden, die sich in einer Entfernung von 200 Metern Luftlinie am anderen Trave-Ufer postiert hatten, um ihrem Unmut lauthals Luft zu machen. Mit Megafonen in der Hand versuchen sie, 90 Minuten lang die Veranstaltung zu stören, schreien immer wieder "Scholz muss weg!" oder "Frieden schaffen ohne Waffen!". Der Kanzler lässt sich allerdings auch davon nicht aus der Ruhe bringen. Unbeeindruckt von den lauten Zwischenrufen posiert er nach Ende der Veranstaltung noch mit etlichen Zuschauerinnen und Zuschauern, die mit dem Kanzler unter Lübecker Palmen unbedingt noch ein Selfie machen wollen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (M., SPD), Yasmin Fahimi, DGB-Chefin, und Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident, kommen im Bundeskanzleramt zur Pressekonferenz nach den Gesprächen zur sogenannten konzertierten Aktion gegen die Inflation in Deutschland. © picture alliance/dpa Foto: Kay Nietfeld

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