KI: Neue Methode am UKSH hilft, Hirntumore schneller zu erkennen

Stand: 01.04.2025 18:29 Uhr

Operieren oder nur bestrahlen? Eine neue Analysemethode des UKSH für Gehirntumore hilft Ärztinnen und Ärzten mit künstlicher Intelligenz bei der Behandlung von Hirntumoren noch während der Operation.

von Carsten Salzwedel

Wenn Dr. Carolin Kubelt-Kwamin am Gehirn eines Menschen operiert, dann ist die Neurochirurgin vom UKSH in Kiel hoch konzentriert. Jeder Handgriff muss sitzen. Durch ein Mikroskop schaut sie auf das Gehirngewebe, das sie operiert. Das Gehirn ist das wichtigste Organ des Menschen. Denken, Erinnerungen, lebenswichtige Funktionen sitzen hier, aber auch die Persönlichkeit, die den Menschen ausmacht, der da auf dem OP-Tisch liegt. Zwei Stunden oder mehr dauert so eine Operation und ist für die Patienten hoch anstrengend.

Künstliche Intelligenz erkennt Gehirntumore schneller

Eine Frau in OP-Kleidung gibt ein Interview. © NDR
Bei Operationen am Gehirn muss Dr. Carolin Kubelt-Kwamin hoch konzentriert sein. Zur Analyse von Tumoren nutzt sie nun künstliche Intelligenz.

Mit der Diagnose Gehirntumor einher gehen bei vielen Patientinnen und Patienten Ängste und Sorgen. Bis sie erfahren, welche Art Tumor sie haben und welche Heilungschancen es für sie gibt, können Tage oder sogar Wochen vergehen. "Das ist für die Patienten zermürbend," weiß Carolin Kubelt-Kwamin aus vielen Gesprächen. Die Gewebeproben werden erst nach der Operation untersucht. Es kann vorkommen, dass mehrere Nachuntersuchungen nötig sind. Dann dauert es mit der Diagnose noch länger. Diese Zeit voller Sorgen und Ängste will ein Forscher-Team aus verschiedenen Fachdisziplinen verkürzen. Von Tagen und Wochen auf unter eine Stunde, noch während der Operation.

Diagnose in weniger als einer Stunde - statt Tagen und Wochen

Prof. Franz-Josef Müller ist einer der Leiter des Projekts, an dem Forschende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik (MPIMG) in Berlin arbeiten. Vor neun Jahren hat sein Forscher-Team die ersten Konzepte für das Projekt entwickelt. Da waren sie noch davon ausgegangen, dass sie die Analyse in fünf Stunden schaffen. Viele Versuche, Programmierrunden und Diskussionen später gab es dann den entscheidenden Erfolg: das Ergebnis in unter einer Stunde.

Künstliche Intelligenz entschlüsselt Gehirntumor-DNA

Parallel zur Operation können Mikrobiologin Svetlana Magadeeva und der Bioinformatiker Christian Rohrandt die Tumor-Probe analysieren. Eine kleine Gewebeprobe reicht. Nach kurzer Zeit ist die DNA, also die Erbinformation, isoliert. Anschließend geben sie sie in einen sogenannten Nanopore-Sequenzierer. Ein kleines Gerät, das mithilfe künstlicher Intelligenz die DNA entschlüsselt. Für die Entschlüsselung reichen 0,1 Prozent der genetischen Daten, weil die künstliche Intelligenz mit einem speziellen Ansatz aus der Wahrscheinlichkeitstheorie arbeitet. Mit schon 90-prozentiger Trefferquote gibt die Software das richtige Ergebnis aus, also um welche Tumorklasse es sich vermutlich handelt.

Neue Methode noch in der Probephase

Noch befindet sich die Methode in der Entwicklung. Franz-Josef Müller und sein Team wollen sie möglichst bald in den klinischen Operationsalltag integrieren.

"Im Moment arbeiten wir an einer verbesserten Methodik und hoffen, bereits im nächsten Jahr mit entsprechenden Kolleginnen und Kollegen weltweit in eine erste Phase einsteigen zu können." Projektleiter Prof. Franz-Josef Müller

Mehr als 90 Klassen von Gehirntumoren

Eine OP wird durchgeführt. © NDR
Die Künstliche Intelligenz hilft bei Gehirntumoren: Sie wurde mit 2.500 DNA-Proben trainiert.

Die Datenbank der künstlichen Intelligenz haben die Forscher mit mehr als 2.500 DNA-Proben von Gehirntumoren trainiert. Dadurch kann die Software der wahrscheinlichsten von mehr als 90 verschiedene Gehirntumorklassen zuordnen. Entscheidend ist dabei die epigenetische Information: kleine Veränderungen auf der DNA, die einem Gehirntumor sozusagen einen ganz eigenen Fingerabdruck geben.

Risiko von Gehirnverletzungen senken

Nicht jeder Gehirntumor müsse vollständig entfernt werden, erklärt Carolin Kubelt-Kwamin. Wenn sie und ihr Team schon während der Operation wüssten, um welche Art Gehirntumor es sich handelt, könnten sie viel passgenauer operieren. Dadurch verringere sich zum Beispiel auch das Risiko, gesundes Gehirngewebe zu verletzen. Auch denkbar: eine gezielte Bestrahlung schon während der Operation. Die Neurochirurgin hofft, dass die neue Methode bald in den klinischen Alltag kommt, weil dadurch auch Patientinnen und Patienten besser therapiert werden können und die psychische Belastung durch die Diagnose Gehirntumor verringert.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 01.04.2025 | 19:30 Uhr

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