Tourismus in SH: Nachhaltigkeit statt Übernachtungsrekorde
Wie sieht der Tourismus der Zukunft in Schleswig-Holstein aus? Geht es weiter mit steigenden Übernachtungszahlen oder müssen anderen Themen in den Vordergrund? Diese Fragen standen beim Tourismustag 2023 am Donnerstag in Eckernförde auf dem Programm. Ein Zukunftsforscher gibt Antworten.
Wie man den Tourismus der Zukunft jetzt schon plant und was wichtig ist, darüber sprach NDR Schleswig-Holstein mit Andreas Reiter. Der Zukunftsforscher berät Kommunen und Öffentliche Institutionen bei strategischen Zukunftsfragen und war einer der Redner auf dem Tourismustag 2023 in Eckernförde.
Herr Reiter, was läuft denn gut in Schleswig-Holstein beim Tourismus?
Andreas Reiter: Ich kenne das Land seit 20 Jahren und da ist hier viel passiert. Eine Attraktivierung der Infrastruktur und auch bei den Betrieben, das läuft hervorragend. Es gibt viele schöne und attraktive Punkte, aber auch vieles, was nicht gut ist. Vor allem die Mobilität, der Zugang und der Verkehr. Ich habe gestern vom Flughafen Hamburg bis nach Eckernförde drei Stunden gebraucht. Mit dreimal umsteigen, Schienenersatzverkehr und so weiter, das kenne ich schon von früher. Da müsste man dringend ansetzen, wenn man die Strategie, dass Schleswig-Holstein ein Vorreiter in Sachen nachhaltiger Urlaub ist, erfüllen möchte.
Was sehen Sie als Chance und was als Risiko bei uns in Schleswig-Holstein?
Reiter: Also die größte Chance ist die Einzigartigkeit der Küstenlandschaften, sowohl an Ostsee wie an Nordsee. Was schwierig ist, ist das Werbebudget. Ich komme aus Österreich, bei uns werden Tourismusorganisationen ganz anders dotiert. Für internationale Wettbewerbsfähigkeit bräuchte man hier viel mehr Budget. Bei uns gibt es einzelne Orte, die mehr Budget haben als das ganze Land Schleswig-Holstein. Das soll nicht despektierlich klingen, aber für den internationalen Wettbewerb müsste viel mehr Geld ausgegeben werden, um wirklich durchsetzungsfähige Kampagnen zu starten.
Wie sehen Sie den Tourismus der Zukunft für Schleswig-Holstein?
Reiter: Nachhaltig, nachhaltig, nachhaltig. Deswegen ist das Thema Mobilität so wichtig. Wir wissen, dass Mobilität bei allen Nachhaltigkeitspunkten der Entscheidende ist und am meisten CO2 verbraucht. Da müssen wir dringend ansetzen: intelligente Verknüpfungen, ÖPNV, Mikromobilität, E-Bikes und so weiter. Viele Betriebe switchen um, weil jüngere Konsumenten mehr nachhaltige Produkte und regenerative Lieferketten fordern. Die werden hier ein wunderbar nachhaltiges Tourismusland erleben, aber dazu gehören eben auch neue, klimaneutrale Mobilitätskonzepte und Realitäten.
Was müssen die Tourismusbeteiligten dafür leisten?
Reiter: Weniger ist mehr, also Reduktion auf das Wesentliche. Wir sollten uns nicht mehr nur an quantitativen Wachstumsparametern orientieren, wie mehr Wachstum oder mehr Übernachtungen, sondern eher schauen, wie kann ich die Produkte und Serviceleistungen qualitativ verbessern?
Und was schätzen Sie, wie groß ist das Potenzial dafür? Läuft es dann trotzdem finanziell auch noch für die Hoteliers und Campingplatzbetreiber?
Reiter: In Österreich sehen wir das in hochfrequentierten Tourismusorten: Wenn sie die Qualität hoch ansetzen, dann haben sie eine höhere Wertschätzung, weil sie ja höhere Preise verlangen müssen. Dann bleibt Ihnen auch bei weniger Touristen mehr und das muss aus meiner Sicht das strategische Ziel der Zukunft sein.
Österreich schafft das auch dank vieler Saisonmitarbeiter, wir haben in SH Klagen über Fachkräftemangel.
Reiter: Das wird auch ein Problem bleiben, denn wir haben eine demografische Lücke, die können wir nicht durch künstliche Intelligenz ersetzen. Auch da werden wir uns einschränken müssen, wir können keinen Betrieb 24 Stunden an sechs oder sieben Tagen geöffnet haben. Es wird auch hier eine Reduktion geben, Sonntag geschlossen, Montag geschlossen oder was auch immer.
Wo bleibt da der Schleswig-Holsteiner, der in einer Tourismusregion lebt?
Reiter: Das ist der entscheidende Punkt. Deshalb muss für alle zusammen von regionalen Agenturen und nicht von Tourismusorganisationen der Lebensraum entwickelt werden.
Das Interview führte Samir Chawki, Reporter bei NDR Schleswig-Holstein.