Tourismusförderung in SH: Die fetten Jahre sind vorbei

Stand: 18.05.2023 11:28 Uhr

In Scharbeutz und Haffkrug rollen die Bagger. Die neuen Seebrücken sollen 2024 fertig werden, bezahlt zu fast 90 Prozent vom Land. In Kellenhusen dagegen steht ein Bauprojekt möglicherweise vor dem Aus.

von Hauke Bülow

Es sind zwei Riesenbaustellen in der Gemeinde Scharbeutz. Lange war nicht klar, wann der Bau der neuen Seebrücken in Scharbeutz und Haffkrug starten kann. Denn eigentlich hätten die Arbeiten bereits im vergangenen Jahr beginnen sollen. Der Kriegsausbruch in der Ukraine und die damit verbundene Explosion der Baukosten, hatten das Projekt allerdings ausgebremst. Anstatt fast 20 Millionen Euro sollten die geplanten Seebrücken nun knapp 40 Millionen Euro kosten.

Brücken waren schon vor dem Ukraine-Krieg abgerissen

Die Mehrkosten für die Gemeinde: nicht zu wuppen. Fast 90 Prozent Förderung hatte das Land ursprünglich für den Bau der futuristisch anmutenden Seebrücken zugesagt. Allerdings zu den alten Konditionen. Im Dezember 2022 dann die für Scharbeutz erlösende Nachricht aus dem Wirtschaftsministerium: Das Land trägt auch die Zusatzkosten. Ein Grund: Es war kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, als die alten Seebrücken abgerissen wurden. "Dadurch wurden Fakten geschaffen", hatte Wirtschafts- und Tourismusminister Madsen erklärt.

Bürgermeisterin von Scharbeutz ist erleichtert

Scharbeutz' Bürgermeisterin Bettina Schäfer (parteilos) ist sehr dankbar für die erneute Förderzusage aus Kiel. "Ohne sie wäre das hier alles definitiv nicht möglich", so Schäfer. "Dann hätten wir in den nächsten 30 Jahren keine neuen Seebrücken mehr bekommen". Die Seebrücken seien Attraktivitäten für den Ort. "Die Leute lieben das Titanic-Gefühl, vorne auf der Seebrücke zu stehen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen", lacht die Bürgermeisterin. Gleichzeitig seien die Brücken Teil der Bäderschifffahrt. Ohne sie hätten die Schiffe keine Möglichkeit anzulanden. Allerdings habe es auch viele Gespräche mit dem Ministerium gebraucht, um die hohe Fördersumme zu bekommen, so Schäfer. Ihr sei klar, dass es auch für das Land keine einfache Entscheidung sei, solche Mittel auf den Weg zu bringen.

Kellenhusen bangt um sein neues Gästezentrum

Tatsächlich kann Scharbeutz sich glücklich schätzen, die fast 90-prozentige Förderung vom Land zu bekommen. Denn inzwischen gelten andere Richtlinien. Das Geld für die Förderung stammt aus Mitteln der sogenannten "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", die jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert wird, erklärte das Wirtschaftsministerium. Und touristische Infrastrukturvorhaben konkurrieren um dieses Geld. So auch Kellenhusen. In der kleinen Ostseegemeinde an der Lübecker Bucht soll ein neues Gästezentrum entstehen. Der alte marode Bau aus den 70er Jahren soll einem Modernen weichen. Inklusive Indoor-Spielanlage, Restaurant und Kursaal. "Nichts, was wir bisher nicht auch hier hatten", erklärt Tourismuschef Raymond Kiesbye. Die Gemeinde spricht beim Altbau von einer "energetischen Katastrophe, inklusive Asbestbelastung". Eine Sanierung sei "ökonomischer und ökologischer Unsinn".

Kellenhusen kann sich neuen "Heimathafen" nicht mehr leisten

Aus diesem Grund plant die ehrenamtlich geführte Gemeinde seit Jahren einen Neubau. Die Pläne für den "Heimathafen" sind inzwischen fertig. Rund 20 Millionen Euro würde das Projekt kosten. Also etwa genauso viel wie der Bau einer der Seebrücken in der Gemeinde Scharbeutz. Doch anders als dort soll Kellenhusen nur 60 Prozent der Summe vom Land gefördert bekommen. "Uns wurden 2021 noch 90 Prozent in Aussicht gestellt", sagt Kellenhusens Bürgermeisterin Nicole Kohlert (FWK). "Dann waren es noch 70 Prozent, jetzt sind wir auf 60 Prozent abgerutscht". So sei das Projekt für die Gemeinde nicht mehr finanzierbar.

Wirtschaftsministerium: Regelförderquote beträgt 60 Prozent

Dem Wirtschafts- und Tourismusministerium sind die Pläne seit Jahren bekannt. Immer wieder habe es Abstimmungsgespräche zwischen der Gemeinde, dem Ministerium und der Investitionsbank gegeben, erklärte ein Sprecher. Allerdings hätten sich die Förderbedingungen in diesem Zeitraum mehrfach verändert. So habe das Konjunkturpaket zur Bewältigung der Pandemie-Folgen 2021 Förderungen von bis zu 90 Prozent möglich gemacht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt wurden. Im Januar 2022 bereits musste das Land auf die Bremse treten - aufgrund finanzieller Engpässe - so der Ministeriumssprecher. Es gilt die Regelförderquote von 60 Prozent plus Zuschlag von 10 Prozent, wenn beispielsweise besondere Konzepte vorgelegt werden. Ab 2024 soll die Quote ganz auf 60 Prozent gesenkt werden. Dass Kellenhusen doch noch eine höhere Förderung für sein neues Gästezentrum bekommt, dafür sieht das Ministerium aktuell keine Möglichkeit.

Kellenhusen fühlt sich allein gelassen

Die 1.200-Einwohner Gemeinde steht nun vor einem Trümmerhaufen. "Wir haben das Gefühl, dass wir hingehalten wurden, die Förderungen zu beantragen", schildert Tourismusleiter Raymond Kiesbye die Lage. Das Ministerium dagegen erklärte, dass der Gemeinde die Änderungen an den Förderquotenregelungen zeitnah mitgeteilt worden seien. Bereits jetzt hat die Planung des neuen Gästezentrums Kellenhusen rund 600.000 Euro gekostet. "Darauf bleiben wir auf jeden Fall sitzen, wenn wir nicht anfangen können, zu bauen", so Bürgermeisterin Kohlert. Und mit der aktuellen Zusage von 60 Prozent Förderung, rücke der Bau in weite Ferne. "Wir brauchen auch Geld für unsere Feuerwehr, für unseren Bauhof. Wir können nicht alles in den Tourismus stecken", erklärt sie.

"Wir hätten vielleicht noch einen Plan B haben sollen"

Kellenhusen hatte offenbar selbst nie Zweifel daran, 90 Prozent der Kosten für seinen Neubau vom Land zu bekommen. "Wir haben immer so geplant, das haben alle so gemacht", sagt Tourismuschef Raymond Kiesbye. "Im Nachhinein betrachtet wäre es wohl gut gewesen, wenn wir auch eine kleinere Variante in Erwägung gezogen hätten". Dabei stellt er klar, dass im Neubau bereits auf vieles verzichtet worden sei. So soll es künftig kein Schwimmbad und kein Freibad mehr geben. Auch sei die geplante Grundfläche kleiner als bisher. Die Gemeinde will aber nicht aufgeben. Sie hat die zuständige Staatssekretärin aus dem Wirtschaftsministerium zu einem Gespräch vor Ort eingeladen. "Unsere Hoffnung liegt in einem Passus der Förderrichtlinien, der besagt, dass eine 90-prozentige Förderung möglich wäre, wenn es um die Beseitigung von Altlasten gehe". Für Kellenhusen heißt es also vorerst, weiterzubangen.

Weitere Informationen
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Schleswig-Holstein Magazin | 16.05.2023 | 19:30 Uhr

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