Solar auf dem Hausdach: Wohin führt der Weg, Herr Habeck?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besuchte in Flensburg einen PV-Installateur. Die aktuelle Solarförderung sorgt für hohe Kosten. Die Branche verlangt Planungssicherheit.
Die Nachfrage für Solaranlagen auf Dächern hat sich drastisch verändert. Der Trend geht aktuell zu großflächigen Anlagen. Die Firma Braaf aus Wanderup (Kreis Schleswig-Flensburg) berichtet, dass im vergangenen Jahr etwa 30 Anfragen privater Hausbesitzer auf eine Installation in der Landwirtschaft kamen. Jetzt sei das Verhältnis eins zu eins. Neue Solaranlagen und Speicher werden zwar gebaut wie nie zuvor. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind die privaten Installationen im ersten Halbjahr 2024 aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa fünf Prozent zurück gegangen.
Ukraine-Krieg sorgte für Nachfrage-Boom
Zwar hat sich an der Einspeisevergütung kaum etwas geändert. Allerdings sei in der Anfangsphase des Ukraine-Kriegs der Wunsch vieler Hausbesitzer gewesen, sich autark mit Energie zu versorgen. Inzwischen trete dieses Motiv in den Hintergrund, sagt Firmenjunior Luca Braaf. Auch der Landesverband für erneuerbare Energien LEE-SH beobachtet den Trend zu weniger, aber dafür größeren Dachanlagen.
Diskussion um Lindner-Vorschlag
Noch drastischer ist der Einbruch beim Solar-Installationsbetrieb Enerix, der in Deutschland mehr als 100 Standorte im Franchise-System betreibt. In der Flensburger Niederlassung erkundigte sich am Freitag Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach der Lage der Branche. Er hat hier seinen Wahlkreis. Ein Thema war dabei die Forderung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die Einspeisevergütung für kleine Photovoltaikanlagen zu streichen.
Habeck steht zur aktuellen Förderung
Lindners Vorschlag verunsichere die Kunden, befürchtet Geschäftsführer Boris Grundl. Dabei kann er die Argumentation des Bundesfinanzministers sogar nachvollziehen: "Er sagt, dass Anlagen sich auch so schon lohnen und das stimmt. Ich finde aber die Kommunikation etwas unglücklich zu einem Zeitpunkt, wo wir mehr Drive brauchen." Habeck versuchte, die Wogen zu glätten: "Das Fördersystem, das da ist, gilt." Trotzdem hält er es für sinnvoll, "über die Förderung systemdienlichen Zubau anzureizen." Stromproduktion und Verbrauch müssen also in Einklang gebracht werden.
Mittags zu viel Sonnenstrom, morgens und abends zu wenig
Bei der Einspeisung vom Hausdach fehlen dafür derzeit die Anreize. Betreiber neuer Anlagen bekommen durchgehend etwa acht Cent pro Kilowattstunde - egal, ob der Strom gerade gebraucht wird, oder nicht. Insbesondere im Sommer zur Mittagszeit entsteht auf diese Weise ein Überangebot. Systemdienlich könnte es sein, PV-Anlagen stärker zu fördern, die nach Osten oder Westen ausgerichtet sind. Sie liefern morgens und abends mehr Strom, wenn dieser auch gebraucht wird.
Flexible Preise für die Stromeinspeisung?
Mit modernen Stromzählern ließe sich zudem erfassen, welcher Börsenstrompreis gerade gilt, wenn private Anlagenbetreiber den Strom ins Netz abgeben. Wer dann beispielsweise den zwischengespeicherten Solarstrom mit einer intelligenten Steuerung abends einspeist, würde mehr Erlös bekommen. Zu konkreten neuen Fördermodellen wollte sich Habeck aber nicht äußern.
Hohe Kosten für den Bund
Neue Anlagen bekommen grundsätzlich eine Förderung über 20 Jahre. Alle Anlagen, die bis 2012 ans Netz gingen, erhalten noch immer eine hohe Einspeisevergütung, die somit bis 2032 gilt. Daran ist nicht zu rütteln. Nach 2012 wurden die Sätze stark gekürzt. Das hatte die Branche hart getroffen. Unter Minister Habeck wurden die Fördersätze wieder etwas erhöht. Inzwischen tragen nicht mehr die Stromkunden die Kosten über die sogenannte EEG-Umlage. Stattdessen kommt der Bund nun dafür auf. Wenn aufgrund des Überangebots die Strompreise mittags nun auf Null oder ins Negative fallen, müssen die Anlagenbetreiber trotzdem bezahlt werden. Das führt inzwischen zu hohen Kosten im Bundeshaushalt. Stromkunden profitieren dagegen von dem günstigen Solarstrom.
PV auf dem Feld kostet nur die Hälfte
Im Vergleich zu PV-Anlagen auf Freiflächen sind die privaten Dachanlagen für das Energiesystem zudem eher teuer. Die Kosten pro Kilowattstunde liegen nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts ISE mit 7 bis 14 Cent etwa doppelt so hoch. Daran ändert auch nichts, dass die Modulpreise durch die expandierende Produktion in China weltweit in den Keller gesunken sind. Bei den aktuellen Großhandelspreisen lässt sich ein typisches Hausdach, das 25 Module mit zehn Kilowatt maximaler Leistung trägt, für nur 1.500 Euro belegen. Die Installationskosten inklusive Elektrik betragen allerdings das Zehnfache. Insbesondere die Lohnkosten seien gestiegen, heißt es aus der Branche.
Habeck erwartet wieder mehr PV auf dem Hausdach
Trotz aller Einwände bleiben die PV-Anlagen auf Hausdächern für Habeck ein wichtiger Bestandteil der Energiewende: "Immer mehr wird der eigenproduzierte Strom im eigenen Haus verbraucht. Dahin geht der Trend." Er erwartet auch, dass sich die Branche bei sinkenden Zinsen und einer anziehenden Bauwirtschaft wieder erholt. Und nicht zuletzt glaubt der Minister, dass eine intelligente Solaranlagensteuerung per App zum neuen Volkssport wird. "2026 wird es das Gesprächsthema beim Grillen sein," ist Habeck überzeugt.