Corona-Folgen an Schulen: Wie in Lübeck das Miteinander geübt wird
Die Pandemie-bedingten Schulschließungen haben nicht nur Auswirkungen auf die schulischen Leistungen, sondern auch auf das Sozialverhalten. Mit Gesprächsangeboten und Anti-Mobbing-Kursen sollen Defizite nun aufgefangen werden. Ein Beispiel aus Lübeck.
Das Team der Schulsozialarbeiterinnen und sozialarbeiter der Baltic Schule in Lübeck sitzt zusammen am Tisch - darauf viele bunte Zettel. 800 Schülerinnen und Schüler besuchen die Gesamtschule. Sie wurden befragt, wie sie die Pandemie und die Schulschließungungen erlebt haben. Die Wörter "Langeweile" und "Einsamkeit" tauchen auf den Zetteln immer wieder auf. "Gerade die Klassenstufe sechs bis sieben haben jetzt große Defizite im sozialen Miteinander. Die waren damals in der dritten oder vierten Klasse in einem Alter, wo sich Gruppendynamiken und das Bewusstsein für Gemeinschaft bilden. Da fehlen denen jetzt natürlich Entwicklungsschritte", sagt Schulsozialarbeiterin Inken Petersen.
Mit Spielmöglichkeiten in den Pausen, Gesprächsangeboten und Anti-Mobbing-Kursen versuchen sie den Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern wieder aufzubauen. Denn auch sie konnten während der Pandemie nicht arbeiten. "Es kommen jetzt mehr Einzelfälle. Corona hat gewirkt wie ein Brennglas," berichtet Petersen. Das hätte besonders auf Schülerinnen und Schüler gewirkt, die latent mit Ängsten zu tun haben.
Mobbing: Sozialarbeitende leisten Präventivarbeit an Schulen
In der Pandemie hätte sich der soziale Austausch auf die sozialen Medien verlagert. Das sei nicht für alle nur positiv gewesen, erinnert sich eine Schülerin. "Das Internet vergisst nie. Wenn ein Bild auftaucht, das nicht so angemessen ist, dann wird das auch nicht so schnell wieder vergessen werden," sagt die 15-Jährige. "Im Internet kann man schon sehr, sehr schlimme Dinge anrichten."
Ob Mobbing im Internet oder in der Schule - die Arbeit der Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter beginnt, bevor es überhaupt dazu kommt - und zwar in dem die Sozialarbeiterinnen für diese Themen sensibilisieren.
Schulsozialarbeiter Karsten Höhnke unterscheidet zwischen einem Streit und Mobbing. "Bei einem Streit leiden alle, bei Mobbing ist es nur einer und die anderen haben einen Lustgewinn. Diesen Unterschied muss man verstehen und dann versuchen wir, ihnen zu erklären, dass sie das nicht dulden sollten in ihrer Klassengemeinschaft."
Anti-Mobbing Kurse, um das soziale Miteinander zu stärken
Die Mädchen der sechsten Klasse haben heute einen Kurs mit dem Titel "Innerer Schiedsrichter". Inken Petersen leitet Spiele und Gesprächen an. Dabei geht es viel um Bewegung und die Kommunikation untereinander. Die Gruppe soll gemeinsam einen an Bändern befestigten Haken koordinieren. Das Ziel: Mit dem Haken mehrere Klötze übereinander stapeln. Ein spannender Moment im Miteinander, denn es kann schnell eine unüberlegte Reaktion geben oder ein Kommentar zu hart ausfallen. "Es geht darum bei sich nachzufragen: 'Bin ich fair? Habe ich mich so verhalten wie ich möchte, dass man mit mir umgeht?' Denn wenn wir alle fair miteinander sind, haben wir alle Spaß", sagt Petersen.
Aufholen nach der Pandemie
Für das Schulsozialarbeiterteam heißt es jetzt, das Versäumte im sozialen Miteinander wieder aufzuholen und neue Anknüpfungspunkte zu schaffen. "Wenn wir hier bei den Schulsozialarbeitern sind, lernen wir uns viel besser kennen", meint eine der Schülerinnen. Für Inken Petersen geht es aber auch darum, mit niedrigschwelligen Angeboten, Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern zu halten. "Wir wollen eine Anlaufstelle sein, wenn es Streit untereinander gibt, auch wenn es zu Hause Ärger gibt." Wenn es nötig ist, können sie auch vermitteln: an eine Beratungsstelle oder zum Schulpsychologischen Dienst. "Wir begleiten die Klassenstufen durch die gesamte Schulzeit," sagt Inken Petersen. "Wir wachsen sozusagen mit ihnen."