Migration und Sturmflut: SH drängt den Bund zum Handeln
So euphorisch wie der Kanzler bewertet die Landesregierung die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vor zwei Wochen nicht: Die Einigungen zu Migration und Sturmflut-Schäden seien nicht mehr als "ein wichtiges Signal".
Für Olaf Scholz war es ein "sehr historischer Moment". Gemeint sind die Einigungen zwischen Bund und Ländern zu Migration und Sturmflut-Hilfen. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein bleibt da nüchterner: "Wir sind vorangekommen." So fasst es die stellvertretende Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) in einer Regierungserklärung zusammen. Es sei wichtig, dass Bund und Länder gemeinsam etwas geschafft haben. Nun komme es entscheidend auf die Umsetzung an: Die Beschlüsse zu Steuerung und Finanzierung von Migration müssten sich zeitnah in konkreten Maßnahmen und Gesetzen wiederfinden, so Heinold.
Unter Erwartungen der Landesregierung geblieben
In einigen Punkten seien die Beschlüsse unter den Erwartungen geblieben - wie bei der Summe, die der Bund den Kommunen pro Geflüchtetem gibt. "Da hätten wir deutlich mehr erwartet", so Heinold, die für den erkrankten Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) sprach. Der Bund habe keinerlei Bereitschaft gezeigt, sich angemessen an den finanziellen Herausforderungen zu beteiligen.
"Positiv bleibt festzuhalten, dass die vom Bund zu tragenden Kosten sich nun - wie von den Ländern gefordert - an der Anzahl der Asylantragsteller orientiert." Die festgelegte Pro-Kopf-Pauschale von 7.500 Euro läge aber niedriger als von den Ländern gefordert. "Das ist immerhin ein erster Schritt und es ist gut, dass diese Zusage jetzt unter Dach und Fach ist. Denn einfacher wird das bei den Debatten um Geld mit dem Bund ja nicht werden", sagt Heinold mit Blick auf die vorangegangene Debatte zur aktuellen Haushaltsnotlage. In den nächsten Wochen gebe es Gespräch mit den Kommunen, wie diese Vereinbarung in Schleswig-Holstein umgesetzt werde, so Heinold.
Menschen mit Anspruch auf Asyl helfen - irreguläre Migration begrenzen
Wie vereinbart werde auch Schleswig-Holstein seine Kapazitäten in den Erstaufnahmen weiter aufstocken, erklärte Heinold. Am Montag habe bereits eine neue Unterkunft in Kiel die Arbeit aufgenommen. Menschen ohne Bleiberecht würden nicht auf die Gemeinden verteidigt verteilt werden, so sei es mit den Kommunen vereinbart worden. "Es werden nicht alle Menschen zu uns kommen können. Es geht um Ordnung und Humanität. Es geht nicht um Populismus", so Heinold. Es müsse das klare Signal geben, dass man denen, die Anspruch auf Asyl haben, helfen wird - irreguläre Migration aber sei zu begrenzen.
Land für "Wiederaufbaufonds für länderübergreifende Katastrophenfälle"
Kritik hat die Landesregierung auch an den Einigungen zu den Stumflut-Hilfen: "Aus unserer Sicht wäre eine hälftige Kostenteilung die gerechteste Lösung. Das ist unsere Grundlage für die anstehenden Gespräche." Grundsätzlich bliebe die Frage, ob betroffene Länder in Zeiten zunehmender Wetterextreme immer wieder als Bittsteller auftreten müssen - oder ob vorausschauend vorgesorgt werden könnte. "Deshalb werden wir auch anregen, dass Bund und Länder dauerhaft einen gemeinsamen 'Wiederaufbaufonds für länderübergreifende Katastrophenfälle' einrichten.
Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Tobias Koch ist Lage ähnlich dramatisch wie in der Corona-Pandemie: "Bis Ende Oktober wurden in Deutschland 286.000 Asylanträge gestellt. Das waren zu diesem Zeitpunkt bereits 40.000 mehr als im gesamten Vorjahr." Die Aufnahmesituation für Flüchtlinge sei am Limit, die Kapazitäten vielerorts erschöpft, wenn nicht überschritten.
Opposition mit gemischten Gefühlen
"Der Bund-Länder-Konsens auf der Ministerpräsidentenkonferenz, gemeinsam Korrekturen an der Flüchtlings- und Migrationspolitik vorzunehmen, war wirklich überfällig", sagt Christopher Vogt, FDP-Fraktionsvorsitzender. Wenn die etablierten demokratischen Parteien diese große Herausforderung nicht angehen würden, profitierten die Falschen.
SSW: Leistungskürzungen sind Konjunkturprogramm für Rechtsextremisten
"Wenn man die Menschen länger als eineinhalb Jahre von sozialen Leistungen ausschließt, wie derzeit angedacht, ist das keine Lösung", so Lars Harms vom SSW. Die Menschen könnten sich dann wegen mangelnder Mittel noch schlechter integrieren als ohnehin schon. Es werde für diejenigen dann der Druck steigen, auf andere - nämlich illegale - Art und Weise ein Mindestmaß an Teilhabe erlangen zu können. Leistungskürzungen seien am Ende ein Konjunkturprogramm für Rechtsextremisten.
SPD: Land liefert nicht
SPD-Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer Thomas Losse-Müller kritisiert Sinn und Mehrwert dieser Regierungserklärung: "Was haben wir jetzt Neues nach Ihrer Regierungserklärung erfahren? Eigentlich nichts." Dennoch seien die gemeinsamen Beschlüsse von Ländern und Bund wichtig: "Weil sie einen Schlussstrich unter eine unsägliche Eskalation der Migrationsdebatte in den letzten Monaten gesetzt haben."
Losse-Müller kritisiert, dass einige der Themen in den Beschlüssen bereits beim Land liegen - und die Landesregierung nicht liefere. Wie beim Ausbau der Unterkünfte für Geflüchtete: "Sie haben trotz unserer Mahnungen viel zu spät angefangen, die Plätze in den Erstaufnahmen weiter aufzustocken. Und jetzt erleben wir, dass Sie selbst mit dem wenigen angekündigten Ausbau scheitern."