Bund-Länder-Hilfen laut Kommunen nicht ausreichend
Kommunen sollen mehr Hilfen bei der Versorgung von Geflüchteten erhalten. Das haben Bund und Länder in Berlin beschlossen. Für die Kommunen reicht das nicht. Sie fürchten, allein gelassen zu werden.
Noch immer stehen die Kommunen in Schleswig-Holstein beim Thema Migration unter Druck. Viele Gemeinden wissen nicht, wie sie Geflüchtete unterbringen sollen. Der freie Wohnraum ist zu knapp. Zugleich mangelt es an Personal - für die Verwaltung, für Sprachkurse oder die Betreuung von Geflüchteten.
Sind die Kommunen überfordert, bekommt es die Bevölkerung unmittelbar zu spüren und der Unmut wächst, wie Reinhard Sager (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistages, betont. So weit dürfe es nicht kommen, so Sager. Die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vergangene Woche im Kanzleramt bewegten sich zwar in die richtige Richtung. Doch die Maßnahmen würden bei weitem nicht ausreichen. Sager: "Wir brauchen eine vollständige Umkehr der Migrationspolitik."
MPK-Beschluss: Kommunen finanziell entlasten
Die Regierungschefs der Länder hatten sich letzten Montag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) im Kanzleramt zusammengesetzt und über Streitpunkte in der Migrationspolitik verhandelt. Das Ergebnis: Die Kommunen sollen finanziell entlastet und die irreguläre Migration weiter begrenzt werden.
Konkret wurde beschlossen, dass die Kosten der Migrationspolitik solidarisch von Bund, Ländern und Kommunen getragen werden sollen. Insgesamt will der Bund die Länder und Kommunen um rund 3,5 Milliarden Euro entlasten. Darunter fallen jährliche Pro-Kopf-Pauschalen von 7.500 Euro, die der Bund ab dem kommenden Jahr zahlen will.
"Kommunen dürfen nicht auf Kosten sitzen bleiben"
Die ausgehandelte Pro-Kopf-Pauschale reiche jedoch bei weitem nicht aus, um die Kostenlast zu kompensieren, sagt Reinhard Sager. Gefordert hatten die Länder jährlich mindestens 10.500 Euro. "Für die Landkreise und kreisfreien Städte bedeutet es, dass sie absehbar zwei Milliarden für 2022 und drei Milliarden Euro für 2023 verlieren werden", sagt Sager. Er sieht die Länder in der Pflicht, die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen zu lassen. Sollte das der Fall sein, wachse der Zweifel der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des Staates. "Und das darf nicht passieren."
Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein: "Der finanzielle Bedarf ist höher als die Zusagen, die gemacht worden sind." Derzeit sei man noch dabei, die finanziellen Auswirkungen des Beschlusses für das Land zu berechnen. Land und Kommunen hätten verabredet, über Finanzierungsfragen zu sprechen, sobald auf Bundesebene neue Verabredungen getroffen wurden. "Diese Gespräche werden jetzt zeitnah und konstruktiv miteinander geführt", so Touré.
Menschen mit Bleibeperspektive müssen wohnen
In den Kommunen zeigt sich ein weiteres Problem. Es mangelt vielerorts an Wohnraum für Geflüchtete. Dabei geht es nicht um kurzfristige Unterkünfte, sondern um langfristige Lösungen. Denn Geflüchtete, die aus den Landesunterkünften an Kommunen weitergeleitet werden, haben eine Bleibeperspektive. Das wurde zuletzt beim Migrationsgipfel im Kieler Sozialministerium besprochen.
"Es braucht ein Signal, dass man dauerhaften Wohnraum schafft", sagt der Landrat des Kreises Herzogtum-Lauenburg, Christoph Mager (CDU). Aktuelle Maßnahmen würden nur helfen, die größte Not zu lindern. Stattdessen bedürfe es dauerhafter Lösungen. Stichwort: Sozialer Wohnungsbau. Landrat Mager geht davon aus, dass nach den aktuellen Ankündigungen bis zum Ende des Jahres alle noch freien Kapazitäten belegt sein werden.
Konkurrenz am Wohnungsmarkt
Dass Wohnungen fehlen, bringt Gemeinden in eine missliche Lage, da sie in der Suche nach freien Unterkünften für Geflüchtete mit anderen Wohnungssuchenden in Konkurrenz geraten. Das führe zu gesellschaftlichen Sprengstoff, sagt Ulrich Hardtke (SPD), Vorsteher des Amtes Sandesneben-Nusse (Kreis Herzogtum Lauenburg). Wenn sich die Situation mittel- bis langfristig entspannen solle, brauche es mehr Anstrengungen beim sozialen Wohnungsbau. Hardtke: "Damit wir auf der Angebot-Seite besser werden und den Druck lindern können."
Zu wenig Personal
Neben fehlendem Wohnraum fehlt es zeitgleich an Personal - ein weiterer Faktor, der die Beschlüsse der MPK in Frage stellt. Zum Beispiel bleibt aus Sicht der Kommunen unklar, wie Menschen schneller in den Beruf gebracht werden sollen. Darauf hatten sich Bund und Länder bei den Gesprächen im Kanzleramt geeinigt. Das sei allerdings erst dann entlastend, sagt Landrat Christoph Mager, wenn die Menschen hinreichend deutsch sprechen.
Ausreichend Sprachkurse anzubieten, sei jedoch hinsichtlich der Zahl der Geflüchteten nicht einfach, sagt Mager. Die DaZ-Zentren - DaZ steht für Deutsch als Zweitsprache - seien überlaufen, es fehle an ausreichend Kapazitäten für Sprachkurse. "Das hängt nicht unbedingt mit den Mitteln zusammen - sondern mit dem Personal, das fehlt", sagt Mager. Erst wenn das Sprachkurs-Problem gelöst sei, funktioniere auch der frühere Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Bezahlkarte: "Mir ist nicht klar, wie das umgesetzt werden soll"
Personal bräuchte es auch für die Einführung einer Bezahlkarte. Auch sie wurde in der Bund-Länder-Runde in Berlin beschlossen. Sie soll Anreize mindern, dass an Geflüchtete gezahlte Gelder zweckentfremdet werden, heißt es. "Unausgegoren" bezeichnet Amtsvorsteher Hardtke das System. Bei den Karten handele es sich um ein Dienstleisungssystem. Das brauche wiederum einen Anbieter, der bezahlt werden will. Zugleich binde die Einführung und Verwaltung neues Personal. Hardtke: "Mir ist nicht klar, wie das umgesetzt werden soll." Reinhard Sager sagt, die Karte mache nur Sinn, wenn sie bundesweit eingeführt werde. Andernfalls wäre der Aufwand für die Verwaltungen zu groß.
Es sind Fragen wie diese, die für die Kommunen noch ungeklärt sind. Sie sehen das Land und den Bund in der Pflicht. Dabei sei wichtig, dass die Kommunen nicht allein gelassen werden, sagt Landrat Mager. Und weiter: "Wenn das Land durch weitere Beschlüsse Entlastungen erfährt, hoffen wir, dass auch diese an die Kommunen weitergegeben werden."