Zustimmung und Kritik nach Asyl-Kompromiss von Bund und Ländern
In der Nacht zu Dienstag haben Bund und Länder sich unter anderem auf eine Neuverteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. Neben Lob gab es auch Kritik. Die Grüne Jugend bezeichnet einige Beschlüsse als "unmenschlich"; der CDU fehlen nach wie vor weitere Schritte, weniger Schutzsuchende ins Land zu lassen.
Monatelang forderten Kommunen und Länder, dass der Bund Kosten für Asylbewerber als Pro-Kopf-Pauschale erstattet. 7.500 Euro will der Bund nun pro Antragssteller zahlen. "Mit steigenden Zahlen gibt's mehr Geld, mit sinkenden Zahlen gibt's weniger", fasste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Ergebnis zusammen. Ab 2024 soll dieses "atmende" System die bisherige jährliche Pauschale von 3,7 Milliarden Euro ersetzen.
Norddeutsche Länder zufrieden
Scholz sprach von einem "sehr historischen Moment". Es seien "zähe und lange" Verhandlungen gewesen, resümierte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). "Aber es hat sich aus schleswig-holsteinischer Sicht wirklich gelohnt, dass wir auch so hartnäckig bei den wesentlichen Punkten geblieben sind." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) versicherte, man habe es am Ende geschafft, "wirklich zu einem guten Gesamtergebnis zu kommen".
Dieses bezeichnete Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) als sehr gut. Finanziell sei es "ein den Umständen entsprechendes Ergebnis". Mecklenburg-Vorpommern übernimmt ohnehin alle Kosten der Kommunen. Bislang hätte die Finanzierung des Bundes etwa 25 Prozent dieser Kosten abgedeckt. Die neue Einigung ermögliche es laut Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) fast wieder an diese 25 Prozent heranzukommen. "Wir haben also erreicht, weiter einen Finanzierungbeitrag des Bundes zu bekommen."
Vertreter der Kommunen begrüßen Planungssicherheit
Britta Haßelmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, lobte die beschlossene dauerhafte Finanzierung der Gemeinden auf NDR Info. "Damit ist mehr Planungssicherheit gewährleistet." Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte, die Einigung sei eine "deutliche Entlastung, auch für die Kommunen". In den Zeitungen der Funke Mediengruppe fügt er an, es dürfe sich trotzdem niemand der Illusion hingeben, dass jetzt kurzfristig mit einem deutlichen Rückgang der Zuzugszahlen zu rechnen sei.
Der Leipziger Oberbürgermeister und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung (SPD), begrüßte die Einigung auf ein "atmendes" System ebenfalls. Die beschlossene Kopf-Pauschale pro Flüchtling von 7.500 Euro sei allerdings "deutlich zu wenig", sagte er im Deutschlandfunk. Auch der Landesvorsitzende der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter, kritisierte, die finanziellen Spielräume für Länder und Kommunen würden dadurch nur unwesentlich verbessert. Die Bundesländer hatten vor den Verhandlungen 10.500 Euro gefordert, der Bund 5.000 Euro geboten. Tino Schomann, Landrat des Kreises Nordwestmecklenburg, hält den Kompromiss von Bund und Ländern für "historisch schlecht". Man habe bis zuletzt auf Lösungen der Probleme gehofft, aber die Migrationswende sei nicht eingeleitet worden, sagte der CDU-Politiker in der Sendung NDR Info im NDR Fernsehen.
Grenzkontrollen erhalten und Asylzentren im Ausland prüfen
Zudem einigten sich Scholz und die Länderchefs auf weitere Punkte. Um die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, zu verringern, will die Bundesregierung zudem prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Bisher gibt es keine konkreten Ideen dazu, wo dies möglich sein könnte. Zudem müssten zahlreiche rechtliche und praktische Fragen geklärt werden. An den Kontrollen, die Deutschland derzeit an den Grenzen zur Schweiz, Tschechien, Polen und Österreich durchführt, will man "über lange Zeit" festhalten, so Kanzler Scholz.
Asylverfahren beschleunigen, Leistungen kürzen
Um die Aufenthaltsdauer von abgelehnten Asylbewerbern zu verringern, sollen Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch schneller abgewickelt werden. Insbesondere bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent sollen das Asyl- und anschließende Gerichtsverfahren in drei Monaten abgeschlossen sein. In allen anderen Fällen sollen die Verfahren maximal sechs Monate dauern. Aktuell dauern Gesamtverfahren von Erst- und Folgeanträgen aller Nationalitäten ohne Gerichtverfahren 6,7 Monate.
Zudem sollen Asylbewerber, deren Verfahren sehr lange dauern, in Zukunft drei Jahre lang nur Grundleistungen erhalten, bevor sie Zahlungen in Höhe der regulären Sozialleistungen bekommen. Bisher waren es 18 Monate. Die Bezahlkarte, die Hamburg bereits beschlossen hat, soll flächendeckend eingeführt werden.
Grüne Jugend kritisiert "Rechtsruck"
Die Grüne Jugend kritisierte die vorgesehenen Asylrechtsverschärfungen als "Katastrophe". Die Kommunen würden so weiterhin unterfinanziert bleiben. "Insbesondere die Leistungskürzungen und die Auslagerung von Asylverfahren sind unmenschlich, unnötig und möglicherweise rechtswidrig." Dass auch von Grünen mitregierte Bundesländer diese Beschlüsse mittrügen, zeige, dass der Rechtsruck in der Mitte der Parteienlandschaft angekommen sei. "Die deutsche Politik hat ihre im Jahr 2015 ausgerufene 'Willkommenskultur' endgültig beerdigt", urteilte Niedersachsens Flüchtlingsrat. "Es ist auch unmenschlich und unvernünftig, Geflüchtete absichtlich über Jahre in Armut zu halten und ihnen erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten zumindest Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu zahlen", hieß es.
CDU will weniger Asylbewerber
CDU-Chef Friedrich Merz sagte, der Gipfel sei ein Schritt nach vorne gewesen. Das Entscheidende sei aber, dass die Zahlen runtergehen - ob dies gelinge, werde sich erst in einem Jahr zeigen. "Ich erwarte, dass diese Beschlüsse noch vor dem Jahresende eingebracht werden." Ähnlich sieht es die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler bei NDR Info. "Der weitere Schritt muss der sein, dass die Zahlen insgesamt runtergehen." Die aktuelle Zahl an ankommenden Menschen belaste die Kommunen. Die Bundesregierung müsse bei ihren Verhandlungen zu Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern prüfen, ob in einem der Länder die Asylverfahren stattfinden könnten. "Es geht darum, dass die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, spürbar und dauerhaft sinkt. Das wird infolge der Beschlüsse kaum passieren", erklärte der CDU-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Franz-Robert Liskow.
Ministerpräsident Weil: "Nicht erquickliches Treffen"
Das Treffen hatte sich um mehrere Stunden verzögert, weil die unionsregierten Bundesländer sowie Baden-Württemberg für die SPD unerwartete, umfassende Änderungsvorschläge eingebracht hatte. Es habe lange gebraucht, das in eine gewisse Ordnung zu bringen, so Weil: "Insofern war das nicht so wirklich erquicklich."
Bau- und Verkehrsplanung soll schneller gehen
Neben dem Thema Migration verabschiedete die Runde auch ein Paket mit 100 Einzelregelungen, die Genehmigungsverfahren vereinfachen sollen. Dabei geht es beispielsweise um Autobahnen und Zugtrassen, Wohnungsbau und das Aufstellen von Mobilfunkmasten. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, das Paket sei ein großer Gewinn für Mecklenburg-Vorpommern und ganz Deutschland. Mit Blick auf ihr Bundesland betonte Schwesig, es sei wichtig, den Bau von Mobilfunkmasten im ländlichen Raum und Geothermie-Projekte zu beschleunigen.
Günther lobte zudem die Etablierung einer Arbeitsgruppe, in der "eine Entscheidung zu einer solidarischen Beteiligung von Bund und Ländern an den Kosten der Flutkatastrophe" gefunden werden soll. "Aus schleswig-holsteinischer Sicht und insgesamt im Norden ist es ein weiterer Erfolg."
Details zur Zukunft des Deutschlandtickets weiter offen
Wie es mit dem Deutschlandticket weitergeht, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Bund-Länder-Runde vereinbarte, dass nicht ausgegebene Zuschüsse aus dem Jahr 2023 im kommenden Jahr verwendet werden können. Im kommenden Jahr würden sich Bund und Länder rechtzeitig über die weitere Finanzierung verständigen, hieß es. In den Blick rückt auch der Preis von bisher 49 Euro im Monat, der ausdrücklich als "Einführungspreis" gilt. Die Verkehrsminister sollen jetzt ein Konzept für die Umsetzung des Tickets 2024 erarbeiten.