Gemischte Reaktionen aus Niedersachsen auf Bund-Länder-Gipfel

Stand: 07.11.2023 19:01 Uhr

Bund und Länder haben sich auf eine Neuverteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. In Niedersachsen wird die Entscheidung positiv bewertet - es gibt aber auch Kritik an dem Kompromiss.

Der Städte- und Gemeindebund (NSGB) begrüßt, dass "Bund und Länder in der Realität angekommen" seien. Man sei froh, dass der Bund "nach langem Wegsehen nun erkannt hat, dass die Zuwanderung nach Deutschland gesteuert und auch begrenzt werden muss", sagte NSGB-Präsident Marco Trips am Dienstag. Die Möglichkeiten seien allerdings noch nicht ausgeschöpft. Auch über das Thema "weiterer sicherer Herkunftsländer" müsse gesprochen werden, sagte Trips.

Weil: Einigung ist ein Ausrufezeichen wert

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) versicherte, man habe es am Ende geschafft, "wirklich zu einem guten Gesamtergebnis zu kommen". Er wünsche sich, dass dies nun durch eine Einigung zwischen Bundesregierung und Union ergänzt wird. Der Beschluss von Bund und Ländern biete dafür "eine sehr gute Grundlage". Weil rechnete vor, die Bundesregierung habe für das kommende Jahr 1,2 Milliarden Euro geben wollen, die Länder hätten eher 5 Milliarden Euro gewollt. Dass es auch eine Einigung in dieser umstrittenen Finanzierungsfrage gegeben habe, sei bis zum frühen Morgen ungewiss gewesen. "Dass es gelungen ist, unter diesen Bedingungen ziemlich genau auf der Mitte zueinanderzukommen, das ist zu früher Morgenstunde wirklich ein Ausrufezeichen wert."

7.500 Euro pro Asylbewerber vom Bund

Auf der Konferenz haben sich Bund und Länder am Montag auf einen gemeinsamen Kurs in der Migrations- und Asylpolitik geeinigt. Die Leistungen für Asylbewerber sollen eingeschränkt und die Kommunen finanziell entlastet werden. Ab 2024 will der Bund den Ländern oder Kommunen 7.500 Euro für jeden Asylbewerber im Jahr zahlen - statt der bisherigen jährlichen Gesamtsumme von derzeit rund 3,7 Milliarden Euro. Scholz sprach vom "Übergang zu einem atmenden System" und erläuterte: "Mit steigenden Zahlen gibt's mehr Geld, mit sinkenden Zahlen gibt's weniger." Die Bundesländer hatten vor den Verhandlungen 10.500 Euro pro Geflüchtetem im Jahr gefordert, der Bund 5.000 Euro geboten.

Flüchtlingsrat kritisiert Kürzung der Sozialleistungen

Bund und Länder hatten sich auch darauf verständigt, dass die Sozialleistungen für Flüchtlinge gekürzt werden sollen. Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, sollen künftig doppelt so lange, nämlich 36 Monate, nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisierte das als verfassungsrechtlich bedenklich, unmenschlich und unvernünftig. Die Theorie, nach der Sozialleistungen Flüchtlinge anziehen könnten, sei längst widerlegt. "Schutzsuchende Menschen werden sich nicht von der Flucht abhalten lassen, weil sie 36 statt 18 Monate eingeschränkte Leistungen erhalten", sagte Geschäftsführer Muzaffer Öztürkyilmaz. "Aber der Beschluss wird, sollte er so umgesetzt werden, die soziale Not vergrößern und die soziale Ausgrenzung vertiefen."

Verfassungsrechtliche Bedenken

Auch die Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, meldete angesichts der Kürzungen verfassungsrechtliche Bedenken an - "im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum", wie sie dem NDR Niedersachsen mitteilte. Polat sagte weiter: "Integrationspolitisch sind die zusätzlichen Kürzungen bei den Leistungen an Asylsuchende kontraproduktiv und unter Kindeswohlgesichtspunkten bedenklich."

Landkreise reagieren verhalten

Einige Landkreise in Niedersachsen reagierten verhalten auf die Beschlüsse. Der Bund bekenne sich nun zu seiner Finanzverantwortung, teilte der Landrat vom Landkreis Verden, Peter Bohlmann (SPD), mit. Jetzt werde es darum gehen, wie viel Geld den Kommunen zusteht und wie das Land es genau verteilt. Das sagte auch Landrat Christian Pundt (parteilos) vom Landkreis Oldenburg. Beide betonten, dass Geld nicht das Einzige ist, was sich die Kommunen gewünscht hätten: Es gehe auch darum, mehr Unterkünfte bereitzustellen, mehr Betreuungspersonal zu finden und mehr Plätze in Schulen und Kitas zu schaffen. Hier bräuchten die Kommunen noch viel mehr Unterstützung. Die Landkreise Stade, Rotenburg, Lüneburg und die Stadt Delmenhorst teilten mit, man müsse sich die Beschlüsse noch genauer ansehen. Ein Sprecher des Landkreises Harburg bezeichnete die Entscheidungen als Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es nicht das gewünschte Ergebnis sei - nämlich eine vollständige Kostenübernahme durch den Bund.

Onay: Länder müssten nachlegen

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hält den Kompromiss für nicht ausreichend: Die Kosten pro Geflüchtetem lägen bei 20.000 bis 22.000 Euro pro Jahr. "Vom Land bekommen wir bestenfalls die Hälfte davon erstattet", sagte Onay. Auch wenn nun 7.500 Euro pro Kopf dazukämen, reiche das Geld nicht aus. Diese Lücke müssten die Länder nun schließen. "Der Bund hat vorgelegt, jetzt ist auch das Land gefragt", so Onay.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 07.11.2023 | 19:30 Uhr

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