Nach der Flut: Große Spendenbereitschaft in Schleswig-Holstein
Nach dem Hochwasser in Schleswig-Holstein gibt es überall in den betroffenen Regionen Spendeninitiativen. Die Menschen in SH zeigen sich solidarisch und wollen beim Wiederaufbau helfen.
"Das ist gigantisch klasse, einfach herzerwärmend!", sagt der Vorstand der Lighthouse Foundation, Jens Ambsdorf. Damit meint er die große Spendenbereitschaft für die nahezu völlig zerstörte Lotseninsel Schleimünde, deren Eigentümerin die gemeinnützige Stiftung seit 15 Jahren ist. Eine dieser Spendeninitiativen hat die Schlei-Kapitänin Juliane Sebode aus Kappeln mit ihrer Familie gestartet. Sie fühlt sich der Lotseninsel eng verbunden: "Wir sind hier schon seit 37 Jahren unterwegs. Das ist meine zweite Heimat." Ihre Stimme zittert und sie ist den Tränen nah, als sie von "ihrer" Lotseninsel erzählt. Ihr Sohn hat früher dort gespielt, sich vor Kurzem auf der Lotseninsel verlobt.
Die Wucht, mit der die Jahrhundertsturmflut am 19. Oktober das idyllische Fleckchen Erde nahezu komplett zerstörte, hat Juliane Sebode erschüttert. "Wir haben das ja öfter mal, dass Schlechtwetter angesagt ist und dann wird es aber gar nicht so schlecht. Dass das so schlimm wird, damit haben wir nicht gerechnet". Mit ihrem Ausflugsschiff "MS Stadt Kappeln" ist sie schon immer regelmäßig zur Lotseninsel gefahren, die die Schlei von der Ostsee trennt. Deshalb ist es ihr auch wichtig, jetzt schnell und unkompliziert zu helfen.
Teil des Ticketpreises wird gespendet
So hat Juliane Sebode schon zwei Tage nach der Flutkatastrophe die ersten Spenden eingesammelt: Von jedem verkauften Ticket für 20 Euro sind fünf Euro ins Sparschwein gewandert. Für den Sonntag hat sich Juliane Sebode dann etwas besonderes überlegt. Ein Saxophon-Spieler ist mit an Bord gekommen und hat Anekdoten von seinen Weltreisen erzählt. 35 Euro hat ein Ticket für die zweistündige Schleirundfahrt gekostet. Davon spendet Juliane Sebode 20 Euro pro Ticket für den Wiederaufbau der Lotseninsel an die Lighthouse Foundation.
Passagiere wollen Wiederaufbau der Lotseninsel unterstützen
An Bord sind gut 50 Passagiere, die meisten von ihnen kommen aus der Region: aus Kappeln, Schleswig, Flensburg. Viele verbinden persönliche Geschichten mit der Lotseninsel, haben in der Vergangenheit gerne mit dem Ruder- oder Segelboot angelegt. Die Solidarität und der Wunsch zu helfen, sind groß. "Die Lotseninsel muss unbedingt erhalten werden. Als Anlaufpunkt für die Segler, aber auch für den Küstenschutz", findet ein Kappelner. Und auch zwei Ruderinnen aus Flensburg und Schleswig wollen helfen. "Das ist unser Rudergebiet, wird sind auch oft zum Zelten auf die Lotseninsel gefahren. Wir waren alle sehr, sehr traurig nach dieser Sturmflut", sagen sie.
Am Ende der Spendenfahrt am Sonntag: Kassensturz. Zusammen mit der ersten Spendenfahrt hat sie mehr als 4.200 Euro eingesammelt. "Ich hätte ja gern mehr zusammengekriegt. Aber Hauptsache, was tun", sagt Kapitänin Sebode.
Viele persönliche Erinnerungen an die Lotseninsel
Das Ausmaß der Zerstörung der Lotseninsel hat die Versicherung vorläufig auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt, sagt Jens Ambsdorf von der Lighthouse Foundation. Sind da nicht Spenden von ein paar Tausend Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein? "Es geht überhaupt nicht um die Höhe der Beträge. Ich freue mich einfach wahnsinnig, dass die Bürgerinnen und Bürger so viel Anteil nehmen und helfen wollen.
Viele rufen auch an und fragen, ob sie beim Aufräumen mit anpacken können. Aber das ist noch zu früh. Momentan ist es zu gefährlich, die Insel zu betreten", erzählt Jens Ambsdorf. Ihn rühren auch die persönlichen Geschichten, die ihm Menschen erzählen. "Vor Kurzem hat mich ein älterer Maasholmer angerufen und mir erzählt, dass er als Jugendlicher auf die Lotseninsel gesegelt ist. Seine Mutter wusste, wo er war, und der Lotse hatte auch ein Auge auf ihn. Aber es war trotzdem die absolute Freiheit für ihn", erzählt Ambsdorf. Allein wegen dieser Erinnerungen werde die Stiftung auch alles daran setzen, die Lotseninsel wieder begehbar zu machen.
Hilfe auch für historische Fischereisiedlung Holm
Auch in Schleswig hat die Jahrhundertsturmflut viel zerstört - auch in der pittoresken Fischereisiedlung Holm. Bei einigen lief die Garage voll, bei anderen das Haus. Auch hier: Viel Solidarität und Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung. Eine Spendenaktion über eine Online-Plattform sollte 15.000 Euro bringen. Aktuell sind es bereits mehr als 27.000 Euro. "Unsere Erwartungen wurden übertroffen, ich bin überwältigt", sagt Kay-Michael Heil, der Mitorganisator der Spendenaktion. Über Flugblätter haben sie die rund 120 Holmerinnen und Holmer gebeten, ihre Schäden zu melden. 30, 40 Menschen werden das wohl tun, schätzt Heil. Im Dezember sollen die eingenommenen Spenden dann aufgeteilt und ausgezahlt werden.
Wiederaufbau der kleinsten Stadt Deutschlands
Besonders hart getroffen hat die Flutkatastrophe auch die knapp 300 Menschen in Arnis, gelegen auf einer kleinen Halbinsel an der Schlei. In der Flutnacht bricht der Deich, die Menschen müssen raus aus ihren Häusern. Etwa 40 der rund 120 Häuser sind nach Angaben des Kreises Schleswig-Flensburg stark betroffen von der Flut. Viele Häuser sind noch immer nicht bewohnbar, die Eigentümer vorerst in Ferienwohnungen und Hotels untergekommen. "Vorher hatten wir noch das Haus als Wert. Das haben wir jetzt nicht mehr", sagt ein Anwohner. Doch auch hier packen alle mit an, geben, was sie können. Nicht nur Geld, sondern auch ihre Arbeitskraft, ihre Kompetenz. Wessen Haus nicht zerstört ist, lässt andere bei sich Duschen und Wäsche waschen. "Die Solidarität von den Arnissern aber auch aus den Nachbargemeinden ist echt gigantisch", sagt die Mitorganisatorin der Spendenaktion, Sandra Hiller. Bislang sind rund 120.000 Euro zusammengekommen.