Kommentar zum Fall Brokstedt: Behörden-Ping-Pong ist unwürdig
Keiner könne erwarten, dass ein komplexer Fall wie der Messerangriff in Brokstedt in wenigen Tagen geklärt sei, kommentiert NDR Redakteurin Anna Grusnick. Sie sieht aber kein echtes Bemühen.
Ein Kommentar von Anna Grusnick, Landeshaus-Korrespondentin von NDR Schleswig-Holstein
Der Umgang der Behörden, er ist jämmerlich. Zwei Wochen, nachdem zwei junge Menschen im Regionalexpress bei Brokstedt (Kreis Steinburg) erstochen und fünf weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, streiten Behördenvertreter und Politiker in Schleswig-Holstein und Hamburg darüber, wer wann was wem mitgeteilt hat und auf welchem Weg. Und - das wurde am Mittwoch im Innen und Rechtsausschuss erneut deutlich: Wirkliches Versagen sieht bisher keine Seite bei sich.
Schuldzuweisungen auf Kosten der Opfer und Hinterbliebenen
Zwar wird eifrig betont, es gehe nicht um Schuldzuweisungen, doch genau dieses Spiel wird seit 14 Tagen betrieben. Und das auf Kosten der Opfer und ihrer Hinterbliebenen. Klar muss aufgeklärt werden, ob die Tat hätte verhindert werden können - was viele verneinen. Auch muss detailliert analysiert werden, ob der Informationsaustausch zwischen Hamburger Justiz, Kieler Ausländerbehörde und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fehlerfrei war. Aber doch nicht so.
Behördenvertreter noch immer nicht an einem Tisch
Zwei Wochen nach der Tat erscheinen Hamburger Staatsräte erst nach mehrmaliger Bitte in Kiel. Noch immer haben sich die Behördenvertreter der verschiedenen Ebenen nicht an einen Tisch gesetzt, die Fakten und Akten abgeglichen und E-mails und weiteren Schriftverkehr nebeneinander gelegt. Dass sich nicht alle Fragen innerhalb weniger Tage klären lassen, ist bei einem so komplexen Fall klar. Aber dass sich die Beteiligten noch nicht einmal wirklich bemühen, jenseits von Landesgrenzen klar Schiff zu machen, und es nicht schaffen, sich im Stillen ohne Öffentlichkeit alle an einen Tisch zu setzen, das ist unwürdig.
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