Geplante Kürzungen: Sorge um Migrationsberatungen
Die Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein fürchten, dass Migranten bald nicht mehr flächendeckend beraten werden können. Grund sind Kürzungspläne des Bundes bei Migrationsberatungen.
Migrationsberater Simon Böhls ist Ansprechpartner für viele Probleme. Er hilft in der Beratungsstelle in Neustadt im Kreis Ostholstein bei der Suche nach Sprachkursen und Wohnungen. Und beim oft schwierigen Weg durch den Behördendschungel. Eigentlich, sagt Böhls, müsste das Netz an Beratungstellen sogar ausgeweitet werden, weil mehr Menschen nach Deutschland kommen.
Doch das Gegenteil ist geplant: Laut einem Entwurf der Ampel-Regierung für den Bundeshaushalt 2024 sollen die Mittel für das vom Bund geförderte Grundberatungsangebot für erwachsene Zuwanderer um 24 Millionen Euro auf 57,5 Millionen gekürzt werden.
Böhls sagt, die Integration würde dann "massiv gehemmt werden." Häufig wüssten Migranten nicht, wie sie einen Deutschkurs finden. Oder verstünden Behördenschreiben nicht.
Flächendeckende Beratung in Gefahr
Michael Saitner, der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein, spricht angesichts der Pläne von einer "migrationspolitischen Irrfahrt." Sollten die Kürzungen so kommen, rechnen die Verbände damit, dass es nur noch in acht Kreisen in Schleswig-Holstein Migrationsberatung geben würde.
"In dieser Zeit, wo wir einen Zustrom von Menschen haben, wie wir ihn seit vielen Jahrzehnten nicht mehr hatten, jetzt auf die Idee zu kommen, aus fiskalischen Gründen so eine massive Kürzung vorzuschlagen, kann ich in keinster Weise nachvollziehen", sagt Saitner.
Rückschlag für Integration befürchtet
Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) nennt die Kürzungspläne "unverantwortlich" und sieht sie als einen herben Rückschlag für die Integration im Land. "In Zeiten, in denen viele Geflüchtete zu uns kommen, braucht es dringend funktionierende Beratungsstrukturen und eine gesicherte Finanzierung, um gute Voraussetzungen für die Integration zu schaffen", sagt sie.
Die grüne Bundestagsfraktion versucht laut Touré im Rahmen der Haushaltsberatungen nachzubessern. Und das Land prüfe, inwieweit man einspringen könnte. "Als Land fördern wir die Migrationsberatung bereits zusätzlich mit vier Millionen Euro pro Jahr, um dem großen Bedarf gerecht zu werden." Aber der Bund plane eine ganze Reihe von Kürzungen, "und wir können das als Land gar nicht alles auffangen."
"Massives Signal" gefordert
Das ist auch den Wohlfahrtsverbänden bewusst. Michael Saitner von der Landesarbeitsgemeinschaft verlangt aber ein "massiv deutliches Signal" aus Schleswig-Holstein an die Bundesintegrationsministerin, dass es zu den Kürzungen nicht kommen dürfe.
Die migrationspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Seyran Papo, sagt: Lange Wartezeiten für Sprachkurse oder Termine in Ausländerbehörden machten die Arbeit von Beratungsstellen noch unverzichtbarer als ohnehin. Die geplanten Kürzungen seien "ein fatales Signal an die Menschen, die integrationswillig sind."
Migrationsberater Simon Böhls fragt sich derweil, ob Beratung - und damit auch die Integration - überhaupt gewollt sei. Die Kürzungen, sagt er, würden für die Hilfesuchenden weitere Wege bedeuten. Oder eben, dass sie nicht beraten werden können. Das sei "mehr als bedenklich und frustrierend."