Flüchtlingsgipfel: "Teilerfolg" und offene Fragen
Mühsame Verhandlungen und eine Milliarde mehr für Flüchtlinge. Nach dem Bund-Länder-Treffen sollen weitere Verhandlungen folgen. Und der Plan, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen, stößt in der schwarz-grünen Koalition auf ganz unterschiedliche Reaktionen.
Für den Moment kann Hans-Peter Zink durchatmen: Der Vorsteher des Amtes Ostholstein-Mitte sagt, dass das vom Bund versprochene Geld "uns erstmal weiterhilft". Zumindest, wenn es um die alltäglichen Ausgaben geht. Fürs Personal etwa. Aber ob das Geld auch für eine bessere Integration reicht - also für Sprachkurse oder mehr Kita-Plätze - da ist Zink skeptisch. Fazit: Das Geld "entlastet die gemeindlichen Haushalte, aber nicht auf Dauer."
Dass Bund und Länder ihren Streit über die Finanzen bei ihrem Treffen nicht dauerhaft beilegen würden, hatten manche angesichts der verhärteten Fronten im Vorfeld schon vermutet. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nennt die Diskussionen mit dem Bund am Morgen danach "zäh", sieht aber zumindest ein richtiges Signal, nämlich "dass anerkannt wird, dass wir dauerhaft eine Regelung mit dem Bund finden müssen und dass dieser bei steigenden Flüchtlingszahlen sich auch stärker an der Finanzierung beteiligt."
Laut Günther soll darüber im Juni weiter verhandelt werden, bis November will man sich auf ein gemeinsames Finanzierungsmodell verständigen.
In anderen Bereichen, sagt Günther, sei man weiter gekommen, "auch was Begrenzung und Steuerung angeht." Hier habe man "gute Schritte miteinander vereinbart", die es nun umzusetzen gelte. Gemeint ist der Plan, die Flüchtlingsströme stärker zu steuern.
Touré sieht Verstoß gegen Asylrecht
Der sorgt bei Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) für Kritik: "All das, was mit Blick auf die Asylverfahren beschlossen worden ist, ist etwas, was wir als Grüne zumindest nicht mittragen." Bund und Länder hatten vereinbart, darauf hinzuwirken, "die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren." Unter anderem durch vereinfachte Abschiebungen, Asylverfahren schon an den EU-Außengrenzen oder die Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex. Touré meint, dass solche Pläne dem deutschen Asylrecht widersprechen. Es sei eine "Scheindebatte, um den Kommunen zu suggerieren, dass sie dadurch eine Entlastung erfahren." Aber das täten sie faktisch nicht.
SPD-Landeschefin Serpil Midyatli wundert sich über die Vielzahl von Beschlüssen, die noch gar nicht parlamentarisch diskutiert worden seien. Die Entscheidung liege am Ende bei der EU-Kommission, gibt sie zu bedenken.
Flüchtlingsrat SH: Sind besorgt
Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein machen die Beschlüsse von Bund und Ländern Sorgen. Denn damit gehe einher, "dass Geflüchtete, Schutzsuchende, die im Asylverfahren nicht erfolgreich waren und jetzt zunächst in der Duldung sind, dass deren weiterer Aufenthalt auf Dauer sehr gefährdet sein wird."
Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages und Landrat des Kreises Ostholstein dagegen fordert bei NDR Info, es müsse mehr Tempo gemacht werden, um "Druck aus dem Kessel" zu nehmen. "Wenn wir etwas nicht haben, ist es Zeit", sagt Sager. Der Themenkatalog des Kanzlers müsse beherzt angepackt werden - in der gesamten Ampel-Koalition: "Da meine ich alle Ampel-Parteien, auch die Grünen."
Zeitdruck in den Kommunen
Überhaupt sind die Kommunen mit dem Zeitplan unzufrieden. "Bund und Länder verschieben die Lösung wieder einmal auf übermorgen", sagt Jörg Bülow, Geschäftsführer des Gemeindetages in Schleswig-Holstein. "Die Bürgermeister können das nicht, sie müssen täglich für die Flüchtlinge handeln und tun das auch", so Bülow. Etwa bei der Finanzierung von Unterkünften sei das Land in der Pflicht und müsse die eigenen Maßnahmen beschleunigen. "Auch in Schleswig-Holstein dauert die Umsetzung vieler Maßnahmen zu lange", so Bülow.
Die zusätzliche Milliarde vom Bund sieht man bei den Kommunen als "Teilerfolg" - so sagt es Reinhard Sager vom Landkreistag. Dass es mit dem Bund noch keine Einigung über eine dauerhafte Finanzierung gibt, stellt Sozialministerin Aminata Touré vor Probleme: "Wenn ich jetzt mit den Kommunen verhandeln soll, darüber, wie wir eine Struktur hinbekommen sollen, der Bund sich aber gar nicht darauf festlegen möchte, dann kriegen wir das nicht übereinander." Trotzdem werde man schauen, wie man die Kommunen entlasten könne, so Touré.
Auch Amtsdirektor Zink im Kreis Ostholstein fragt sich, wie eigentlich der Haushalt fürs nächste Jahr geplant werden soll - wenn doch bis November unklar bleibt, ob weitere Mittel fließen: "Ich hätte mir gewünscht, dass man sich gestern dann auch für die Zukunft Gedanken macht."