Erkältungswelle: Viele Kinder und Jugendliche in SH betroffen
Leere Kitas und Schulen - ungewöhnlich viele Kinder und Jugendliche sind in diesem Winter krank. Laut Landesverband der Kinder- und Jugendärzte ist das auch eine Folge der Corona-Maskenpflicht in den vergangenen Jahren.
Momentan sind auch in Schleswig-Holstein viele Viren im Umlauf, so zum Beispiel Influenza-Erreger und Respiratorische Synzytial-Viren, kurz RS-Viren, die die oberen und mittleren Atemwege angreifen. Vor allem Schul- und Kita-Kinder sind in Schleswig-Holstein aktuell von den Infektionen betroffen und benötigen ärztliche Hilfe.
"Wir haben sehr viel Arbeit mit vielen akut kranken Kindern und müssen viele geplante Termine für Beratungsgespräche oder Vorsorgeuntersuchungen absagen. Sonst ist die Arbeit gar nicht zu schaffen", sagt Ralf van Heek, schleswig-holsteinischer Vorsitzender des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte. Üblicherweise gibt es nach seinen Angaben jedes Jahr mehrere Krankheitswellen - doch in diesem Jahr kommt alles gleichzeitig. Eine Kombination aus Grippe und RS-Viren und fehlender Immunisierung.
Experte: Jährliche Immunisierung fehlt
"Es gehört zur Entwicklung des Menschen dazu, dass er sich mit Viren und Bakterien auseinandersetzt. Nach einer ersten Infektion mit einem bestimmten Virus bleibt dann eine gewisse Immunität, die dann jährlich in den Infektionswellen immer wieder aufgefrischt wird", erklärt van Heek. Diese Auffrischung sei in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen. Auch Corona-Masken hätten den Kontakt mit Viren und Bakterien verringert. Besonders dramatisch ist das laut van Heek für junge Kinder, denen die so genannte Erstinfektion im ersten Lebensjahr fehlt. "Dadurch entstehen schwerere Krankheiten, auch bei älteren Kindern", erläutert van Heek.
Kapazitäten in Kinderkliniken fehlen
Die Situation bedeutet für die Kinder- und Jugendarzt-Praxen deutlich mehr Arbeit. Das Hauptproblem haben laut van Heek vor allem die Kinderkliniken. Die sind nach seinen Angaben am Limit. "Kinder, die schwer krank sind, die also Atemnot haben und eine Sauerstoff-Therapie oder zumindest eine Überwachung brauchen, mit Lungenentzündungen oder der Bronchitis, benötigen eine stationäre Versorgung." Dafür gibt es laut van Heek aber nicht genug Kapazitäten in Schleswig-Holstein. "Wir als Berufsverband weisen schon seit Jahren darauf hin", so van Heek.
Ministerium: Weg zur Normalität ist richtig
Dem Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein sind "die Belastungen in der kinder- und jugendmedizinischen Versorgung" bekannt, wie ein Sprecher mitteilt. "Die These von Medizinern, dass eine Ursache für die deutliche Zunahme bei Infekten 2022 die strengen Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie in den beiden Vorjahren sind, da weniger Immunität gebildet wird, ist plausibel", heißt es weiter. Der Weg Schleswig-Holsteins "zurück zur Normalität" sei daher richtig. "Ein dauerhafter Lockdown oder ähnliche Maßnahmen sind gerade für Kinder und Jugendliche keinerlei Option - sowohl aus Sicht der Experten als auch der Landesregierung", so der Sprecher. Er verweist darauf, dass Eltern ihre Kinder in Absprache mit dem Kinder- und Jugendarzt gegen Grippe impfen lassen können.
Und der Landesverbandsvorsitzende van Heek fasst zusammen: "Es ist eine dramatische Situation. Das ganze System ist insgesamt überlastet und man muss ein bisschen Glück haben, dass alles gut geht."