Eine Luftaufnahmen zeigt das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. © NPorts/Wolfhart Scheer Foto: Wolfhart Scheer
Eine Luftaufnahmen zeigt das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. © NPorts/Wolfhart Scheer Foto: Wolfhart Scheer
Eine Luftaufnahmen zeigt das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. © NPorts/Wolfhart Scheer Foto: Wolfhart Scheer
AUDIO: LNG-Terminal Wilhelmshaven: Wie läuft das Geschäft? (5 Min)

LNG-Terminal Wilhelmshaven: Wie läuft das Geschäft?

Stand: 20.02.2023 17:55 Uhr

Wie macht man sich unabhängig von einem Land, dem man sich bei der Gasversorgung praktisch ausgeliefert hat? Eine Lösung lautet LNG - flüssiges Erdgas. Das erste Terminal in Deutschland entstand in Wilhelmshaven. Das Verfahren ist umstritten. Wie läuft das Geschäft?

von Nicolas Lieven

Der Wind ist rau an diesem Februartag. Ein paar Fahnen schlagen mit ihren Metallösen kräftig gegen die Masten, als wollten sie mit Nachdruck auf das angebrachte Warnschild hinweisen: "Achtung Hafenbereich - Unbefugter Zutritt streng verboten - Explosionsgefahr!" Hohe Metall-Gitter und ein schweres Eisentor trennen die Straße "Am Tiefen Fahrwasser" vom rund 150 Meter langen Landungssteg, an dessen Ende die "Höegh Esperanza" liegt. Eines der wenigen Speicher- und Verdampfungsschiffe, das LNG nicht nur transportieren, sondern auch wieder in gasförmiges Erdgas umwandeln kann.

Anlage ist streng geschützt

Doch wer einen Blick auf das Herzstück des LNG-Terminals werfen möchte, für den ist hier Schluss. Zwar halten immer wieder Autos auf einem der beiden Parkplätze, um das blau-weiße, knapp 300 Meter lange Schiff in der Ferne zu fotografieren. Doch kaum jemand steigt aus. Dann doch - ein Paar: "Ich komme aus Wilhelmshaven und habe das noch nie gesehen. Die ist schon so lange hier, und ich habe es nie geschafft, hierher zu kommen. Und dann habe ich mein Fernglas geholt, um zu gucken, wie das so aussieht."  

"Versorgungssicherheit ja - aber in Einklang mit der Umwelt"

So richtig viel sieht man allerdings nicht. Und das liegt nicht nur am Wetter. In der Ferne das Schiff, davor Stahlgitter, ein zweispuriger Landungssteg, graue Gas-Rohre, Stacheldraht. Was beim Anblick überwiegt, möchte ich von dem Paar aus Wilhelmshaven noch wissen, der Wunsch nach Versorgungssicherheit oder die Sorge um die Umwelt und das Klima? "Ja, eigentlich beides. Es ist wichtig, dass wir Energie bekommen. Allerdings konnte man hier vorher noch baden. Wer weiß, wie es hinterher hier aussieht. Man weiß ja gar nicht, ob die Tiere irgendwas abkriegen oder ob die hinterher tot sind. Also Versorgungssicherheit sollte da sein, aber in Einklang mit der Umwelt."  

Bundeskanzler Scholz: "Wichtiger Beitrag für unsere Sicherheit"

Olaf Scholz, Christian Lindner und Stephan Weil stehen am LNG-Terminal in Wilhelmshaven. © dpa-Bildfunk Foto: Sina Schuldt
Olaf Scholz, Christian Lindner und Stephan Weil waren bei der Eröffnung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven dabei.

Unabhängigkeit von Russland - das war erklärtes Ziel der Politik. Seit der Einweihung des LNG Terminals Wilhelmshaven sind rund zwei Monate vergangen. Im Dezember waren die Spitzen der Koalition aus Berlin angereist. Medienwirksam in gelben Leucht-Jacken und mit weißem Helm: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Bundesfinanzminister Christian Lindner, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil - und allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz: "Tatsächlich haben wir es hinbekommen, dass in dieser kurzen Zeit ein solcher Terminal errichtet werden kann. Dass wir dieses Schiff hier jetzt sehen, das diese Aufgabe wahrnehmen wird. Und das ist ein ganz, ganz wichtiger Beitrag für unsere Sicherheit."

LNG-Schiffe im Wochentakt

Fast jede Woche soll nun ein LNG-Schiff an der "Höegh Esperanza" festmachen, um aus flüssigem LNG wieder gasförmiges Erdgas zu machen. Pro Jahr bis zu fünf Milliarden Kubikmeter oder rund sechs Prozent des Bedarfs im Land. Von hier sei das zwar nicht zu sehen, so der Projektleiter des Betreibers Uniper, Christian Janzen, aber genau in diesen Minuten finde ein solcher Vorgang statt: "Wir haben jetzt gerade die Situation, dass hier ein sogenanntes Päckchen liegt. Also hinter der "Höegh Esperanza" festgemacht ist ein LNG-Tanker mit großen Tauen. Und von diesem Tanker wird zur Zeit das flüssige Erdgas in die "Höegh Esperanza" übergepumpt in deren Tanks. Dort wird es dann durch Erwärmung in gasförmiges Erdgas umgewandelt. Letztendlich können Sie sich das vorstellen, wie ein Wasserkocher. Eine Flüssigkeit wird durch Erwärmung in den gasförmigen Zustand umgewandelt."  

Verfahren höchst umstritten

Zum Erwärmen wird Meerwasser genutzt. Zwar hat die Nordsee aktuell nur etwa sechs Grad, aber das reicht, um das auf rund 162 Grad Minus gekühlte LNG ausreichend zu erwärmen. Allerdings ist das ein hoch umstrittenes Verfahren. Denn das Meerwasser wird mit Chlor versetzt, um die Rohrleitungen frei zu halten. Danach wird es wieder ins Wattenmeer geleitet: "Wir haben eine bestehende Genehmigung. Und im Rahmen des Verfahrens haben wir alle Daten und Untersuchungsergebnisse vorgelegt, die die Behörde in die Lage versetzt hat, eine qualifizierte Stellungnahme und Meinung abzugeben und eine entsprechende Genehmigung zu erteilen. Insofern sehe ich hier kein Thema", sagt der Projektleiter.

Naturschützer und Umweltverbände strengen Verfahren an

Für das Paar aus Wilhelmshaven allerdings sehr wohl. Und auch für Umweltschützer - zahlreiche Verfahren sind anhängig. Der Ausgang ist noch offen. Doch auch für Christian Janzen ist klar: Die LNG-Technologie ist keine Dauerlösung: "Wir sehen LNG grundsätzlich als fossilen Energieträger natürlich nicht als zukunftsträchtig. Wir als Uniper planen hier am Standort ein Importterminal für grüne Gase, nämlich für grünes Ammoniak. Darin sehen wir die Zukunft. Jetzt in die Glaskugel zu schauen, das fällt mir schwer. Insofern ich sage mal so, das wird keine 20 Jahre dauern. Aber es wird auch nicht zehn Monate dauern, wie die Errichtung dieses Terminals. Aber ich denke, dass wir noch innerhalb dieser Dekade mit Importmöglichkeiten für grüne Gase rechnen können." Grüne Gase - sprich am Ende Wasserstoff.

Allerdings gibt es hierfür keinen konkreten Zeitplan. Der Gesetzgeber hat eine 20-Jahres-Frist gesetzt - ohne rechtliche Bindung. Und so entscheiden am Ende die Terminalbetreiber, ob sich das alles rechnet. In Wilhelmshaven jedenfalls werden noch Jahre LNG-Tanker aus Ländern wie den USA, Nigeria, Katar und Australien festmachen, um über die "Höegh Esperanza" Erdgas ins deutsche Leitungsnetz zu pumpen. 

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NDR Info | Wirtschaft | 23.02.2023 | 06:41 Uhr

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