Weißstörche in MV: Noch immer keine Erholung in Sicht
Die erfreuliche Nachricht zuerst: Vogelschützer haben in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr wieder mehr Brutpaare gezählt. Aber noch immer werden zu wenige Küken flügge. Der Weißstorch braucht hierzulande Hilfe, weil er sich nicht selbst erhalten kann.
Stefan Kroll schaut auf seine Tabelle, darin sind viele Zahlen eingetragen. Kroll leitet ehrenamtlich die landesweite Arbeitsgruppe zum Schutz der Weißstörche. Die Tabelle zeigt an, dass im vergangenen Jahr 1.003 Küken flügge geworden sind. Das sind 63 Jungtiere mehr als 2022. Dennoch sorgt sich Storchschützer Kroll. Er blickt dabei auf einen Durchschnittswert, der angibt, wie viele Jungtiere den Horst gesund verlassen. Und dieser Wert liegt bei 1,3 Tieren pro Brutpaar. "Das ist ein sehr schlechter Wert. Eigentlich brauchen wir 2,0 ausfliegende Jungstörche pro Horstpaar, damit der Bestand sich selbst erhalten kann. Also die Störche hier sind auf Zuwanderung angewiesen." Den angestrebten Wert 2,0 hat es zuletzt 2008 gegeben. Dennoch ist ein leichter Aufwärtstrend bei den Brutpaaren zu erkennen, im vergangenen Jahr wurden hierzulande insgesamt 731 Paare gezählt.
Zuwanderung aus Niedersachsen
In Mecklenburg-Vorpommern werden zunehmend Weißstörche gesichtet, die einst in Niedersachsen geschlüpft sind und dort auch beringt wurden. Diese Störche sind sogenannte Westzieher, sie überwintern größtenteils in Spanien auf Mülldeponien, finden dort viel Nahrung und kehren gestärkt zurück. Und so steigt die Weißstorchpopulation in Niedersachsen seit Jahren stark an. Auf der Suche nach einem freien Horst weichen Jungstörche nach Mecklenburg-Vorpommern aus. Besonders die Regionen Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg haben 2023 davon profitiert, aber auch der Landkreis Rostock. Im vergangenen Jahr wurden längst verwaiste Horste wieder genutzt, etwa in Retschow bei Bad Doberan, in Rukieten bei Schwaan oder Vogtshagen bei Rostock. Auch aufgestellte Horste wurden erstmals genutzt, so geschehen in Dummerstorf, Fahrenholz und Teutendorf.
Viele Küken verhungern
In Dummerstorf im Landkreis Rostock beispielsweise steht seit über 10 Jahren ein Mast direkt neben einem Supermarkt. Dieser Horst wurde im vergangenen Jahr von einem jungen Brutpaar erstmals bezogen, erzählt Stefan Kroll. "Drei Junge sind geschlüpft, eins hat überlebt, das ist aber ganz normal, wenn es sich um eine Neuansiedlung handelt. Die Elterntiere sind jung, unerfahren und müssen erst lernen, wo sie ausreichend Nahrung finden". Erschwerend hinzu kommt, dass das Frühjahr 2023 erneut sehr trocken war. Elterntiere haben kaum Regenwürmer gefunden. Das ist aber anfangs die Hauptnahrung der jungen Störche in den ersten zwei kritischen Lebenswochen. Storchennachwuchs ist nicht selten verhungert.
Störche verwechseln Gummiringe mit Regenwürmern
Stefan Kroll und weitere Storchenschützer beobachten einen neuen Trend. Sie haben im vergangenen Jahr hierzulande auffallend viele Tiere auf Mülldeponien oder Recyclinghöfen gesichtet, die Biomüll verarbeiten. Die Elterntiere suchen dort nach Nahrung für ihren Nachwuchs, dort lauert aber eine große Gefahr. "Sie tragen Fremdkörper in die Nester und verfüttern diese. Gummiringe ist ein großes Thema gewesen. Das konnten wir an verschiedenen Stellen nachweisen, dass Gummiringe, die beispielsweise verwendet werden, um Radieschen zusammenzuhalten, verfüttert werden und Jungstörche daran verstorben sind." Tierärzte haben verstorbene Jungstörche untersucht. Ihre Mägen waren teilweise sehr voll mit Gummiringen, auch Schläuche, Silikonstückchen und Plastikteile wurden entdeckt. Störche verwechseln Haushaltsgummis und Schlauchteile mit Regenwürmern. Doch diese Materialen schnüren die Mägen der Küken ab und verschließen diese. Und so stirbt der Nachwuchs qualvoll, weil er seinen Magen nicht mehr mit Nahrung füllen kann.
Achtsamer mit Biomüll umgehen
Storchenschützer Stefan Kroll appelliert an alle, achtsamer mit dem eigenen Biomüll umzugehen. "Jeder kann etwas tun und den Biomüll sauber halten. Dort gehören keine Plastikteile, Verpackungen oder Gummis hinein. Also beispielsweise die Gummibänder, die ein Bund Radieschen zusammenhalten, müssen separat entsorgt werden." Sie gehören nicht in den Biomüll, auch nicht auf den Kompost. Für das neue Brutjahr wünscht sich Stefan Kroll ausreichend Regen im Frühjahr, damit möglichst viele Jungtiere mit Regenwürmern gefüttert werden und so gesund aufwachsen können.