Schwerin: SPD wirft AfD verdeckte Wahlkampf-Finanzierung vor
Die AfD-Fraktion will mit dem umstrittenen Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, im Schweriner Schloss auftreten. Der als völkisch-nationalistisch geltende Politiker aus Sachsen redet in einer Woche bei den "Schlossgesprächen" der AfD über ein "Europa von rechts".
Der geplante öffentliche Auftritt könnte politisch heikel werden. Krah will im Schlosscafé reden - dorthin hat der Landtagsabgeordnete Jan-Phillip Tadsen auch interessierte Bürger geladen. Das Schlosscafé ist allerdings kein normales privates Unternehmen. Es gehört seit 2020 zu einer landeseigenen Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommerns, der Schloss Restaurant GmbH. Die betreibt die komplette Gastronomie im Schweriner Schloss. Der Aufsichtsrat ist politisch besetzt, vertreten sind alle Fraktionen. Vorsitzender ist der SPD-Abgeordnete Tilo Gundlack. Das Land hat dem Unternehmen 2020 eine großzügige Anschub-Finanzierung gewährt.
Verbindungen in rechtsextreme Kreise
Von der könnte jetzt indirekt die AfD profitieren, indem sie in den prestigeträchtigen Veranstaltungsort einlädt. Dort lässt der Abgeordnete Tadsen, den Medien wiederholt mit der rechtsextremen Identitären Bewegungen in Verbindung gebracht haben, die Frage stellen: "Wie könnte ein Europa von rechts aussehen". Einen Teil der Antwort gibt der Landtagsabgeordnete schon vor, in dem er sich im Einladungstext von Vielfalt und Toleranz abgrenzt.
Sein Gast formulierte es in der Vergangenheit ähnlich. Der Sachse Krah zählt zum rechtsextremen Lager um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Im Jahr 2019 tauchte er wegen Äußerungen zu "Umvolkung" und "orientalischer Landnahme" in einem Gutachten des Verfassungsschutzes auf. Den Kern seiner Ideen veröffentlichte er kürzlich im Verlag des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek - der spielt in diversen Verfassungsschutzberichten eine Rolle. Bei seiner Nomierung als Spitzenkandiat sprach er sich als Gegenentwurf zur Europäischen Union für ein "Europa der Vaterländer" aus. Mit diesem Begriff hantierte auch stets die rechtsextreme NPD im Schweriner Landtag.
SPD-Fraktionschef Barlen: "Unerlaubte Finanzierung"
Die Landtagsverwaltung sieht in der AfD-Veranstaltung und ihrem Ort kein Problem. Die landeseigene Gesellschaft vermiete Räume wie das Schlosscafé in Eigenregie, in die Vergabe sei man nicht eingebunden, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Das Land mache als Gesellschafter auch keine Vorgaben zur Vermietungspraxis. Solange keine Rechtsverstöße offensichtlich seien, könnten Veranstaltungen Dritter in den Räumen stattfinden. Politische Bewertungen würden durch den Gastronomen nicht vorgenommen.
Die kommen aus der SPD-Fraktion, die den Aufsichtsratschef stellt. Fraktionschef Julian Barlen sieht in der Veranstaltung eine unerlaubte Finanzierung der AfD als Partei durch die Fraktion. Die Landtags-AfD biete mit der Veranstaltung eine parteipolitische Bühne für deren jüngst gewählten Spitzenkandidaten. Als Beleg dient Barlen die schriftliche Ankündigung der Veranstaltung. Die Diskussion der europäischen AfD-Programmatik mit dem AfD-Spitzenkandidaten Krah sei "schließlich eindeutig nicht mit der Arbeit der Fraktion im Landtag verbunden".
AfD rechnet mit mehr als 2.000 Euro Veranstaltungskosten
Auf Anfrage widersprach der AfD-Abgeordnete Tadsen. Es gehe darum, europapolitische Ideen zu diskutieren, er habe dazu als europapolitischer Sprecher der Fraktion eingeladen. Der Termin sei festgelegt worden, bevor Krah zum EU-Spitzenkandidaten nominiert worden sei. Bis zur Europawahl im kommenden Jahr sei außerdem noch viel Zeit - von Wahlkampf könne keine Rede sein. Den Vorwurf aus der SPD-Fraktion nannte Tadsen "absurd". Er rechnet mit Kosten für die Krah-Veranstaltung von etwas mehr als 2.000 Euro.
Landesrechnungshof könnte den Fall prüfen
In den Augen von Barlen ist das ein Unding. Es könne nicht sein, dass die Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern mit Fraktionsmitteln den Europawahlkampf der AfD bezahlten. Barlen wörtlich: "Ich gehe davon aus, dass die zuständigen Stellen dies prüfen". Eine zuständige Stelle ist der Landesrechnungshof, der hatte in der Vergangenheit oft einen sehr kritischen Blick auf die Fraktionsfinanzen.
Barlen warf der AfD vor, die "Totengräberin" eines Europas des Friedens, der Freizügigkeit und des Wohlstands zu sein. Die AfD wolle zurück in dunkle Zeiten. "Diesen AfD-Chancentod lehnen wir strikt ab und stehen gerade mit unseren Nachbarn im Ostseeraum für Kooperation und gemeinsamen Erfolg im europäischen Sinne", sagte Barlen. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Abgeordneten Hannes Damm. Krah vertrete rechtsextremistische Verschwörungstheorien und Grundsätze. "Wenn die AfD-Fraktion eine Person einlädt, die immer wieder von „Umvolkung“ spricht, offenbart sie für jeden sichtbar ihr menschenfeindliches Weltbild", erklärte Damm. In seinen Augen sind "fadenscheinigste Behauptungen, die AfD-Landtagsfraktion würde auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, damit widerlegt."