Verfassungsschutzbericht 2022: Rechtsextremismus größte Gefahr in MV

Stand: 07.07.2023 05:56 Uhr

Der Verfassungsschutzbericht für 2022 zeigt laut Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD), wie Extremisten sich erfolgreich aktuelle Krisen zunutze machen, um vermehrt Anschluss an die Gesellschaft zu finden.

Am Donnerstag hat Innenminister Pegel in Schwerin den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 vorgestellt. Ihm zufolge zeigt der Bericht, dass extreme Gruppierungen durch aktuelle Herausforderungen wie etwa die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine zunehmend Anschluss an die Gesellschaft finden: "Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter sowie die neuen Delegitimierer des Staates haben die Krisen aufgegriffen und für ihre ideologischen Zwecke missbraucht. Sie haben versucht, den Anschluss an die bürgerliche Mitte herzustellen, mit der Folge, dass in einigen Teilen der Gesellschaft die Abgrenzung zu Extremisten schwindet", fasste Pegel zusammen.

Reaktionen der Politik in MV

Der Landtags-SPD zufolge hetzt die AfD regelmäßig auch im Landtag gegen Ausländer und schürt die Ängste der Bevölkerung. Dieses Handeln sei eine Ursache für das Erstarken des Rechtsextremismus im Land. Regelmäßig werde auch im Landtag gegen Ausländer gehetzt und Ängste der Bevölkerung geschürt. Populistischen Positionen müsse eine Sachpolitik entgegengestellt werden, die Lösung biete, so die SPD. Die Linksfraktion erklärte, die demokratischen Kräfte seien zunehmend herausgefordert, auch weil die Schnittmengen zwischen der AfD und offen bekennenden Rassisten immer deutlicher würden. Die AfD warnte davor, kritische Positionen mit Rechtsextremismus gleichzusetzen - das dürfe auch der Verfassungsschutz nicht tun. Die Grünen forderten ein entschlosseneres Auftreten gegen die AfD. Auch der Verfassungsschutz müsse klarmachen, welche Gefahr die Partei für die Demokratie sei. Im Bericht wird die AfD nicht aufgeführt, weil sie - anders als in Thüringen - nicht als gesichert rechtsextrem gilt.

In MV und bundesweit: Rechtsextremismus größte Bedrohung

In Mecklenburg-Vorpommern ist dem Bericht zufolge die Zahl an Rechtsextremisten weiter gestiegen: von 1.790 im Vorjahr auf 1.840. Auch die Zahl der als gewaltbereit eingestuften Rechtsextremisten ist demnach gestiegen - von 680 auf 720. Derweil ist die Zahl derer, die in rechtsextremen Parteien wie NPD, Die Rechte oder 3. Weg organisiert sind, von 400 auf 350 gesunken. Laut Bericht ist der Zuwachs an Rechtsextremen durch Personen erfolgt, die gar nicht oder nur lose in örtlich aktiven Strukturen verankert sind. "In Mecklenburg-Vorpommern wie bundesweit ist der Rechtsextremismus unverändert die größte Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung", kommentierte der Innenminister die Zahlen. Laut Verfassungsschutz besitzen Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern 276 Schusswaffen.

Reichsbürger und Selbstverwalter werden organisierter

Die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter in Mecklenburg-Vorpommern stieg laut Bericht leicht um etwa drei Prozent von 650 im Jahr 2021 auf 670 Personen im Jahr 2022. Allerdings hat sich der Anteil von in Gruppen organisierten Personen aus diesem Spektrum um knapp 30 Prozent von 110 auf 140 vergrößert. "Besonders aktiv sind in unserem Bundesland Mitglieder von 'Staatenlos.Info' sowie Unterstützer des selbsternannten 'Großherzogs Friedrich Maik', vermeldete Pegel. Von den Reichsbürgern und Selbstverwaltern insgesamt stuften die Verfassungsschützer 55 als rechtsextremistisch und 170 als gewaltorientiert ein.

Mehr Delegitimierer des Staates

Als "Delegitimierer des Staates" werden in dem Bericht Akteure bezeichnet, die das Protestgeschehen infolge von Krisen wie Corona oder eines eventuellen Energiemangels ausnutzen, um losgelöst von jeder sachbezogenen Kritik durch aggressive Agitation die Legitimität von Repräsentanten und Institutionen des Staates systematisch zu untergraben. "Dahinter steht die Absicht, wesentliche Grundsätze unserer Verfassung außer Kraft zu setzen und die Funktionsfähigkeit unseres Staates und seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen", sagte der Innenminister. Der Verfassungsschutz ordnet diesem Bereich für das Jahr 2022 insgesamt 30 Personen zu, zehn von ihnen zählen demnach zu den Organisatoren der Protestreihe "Wolgast steht auf". Diese Gruppe besitzt laut dem Bericht des Verfassungsschutzes 21 Schusswaffen.

Pegel: "Passen Sie auf, mit wem Sie demonstrieren"

Im Zusammenhang mit den Ergebnissen des Berichts appelliert Pegel zur Achtsamkeit bei Protesten. Er unterstütze die freie Meinungsäußerung als demokratisches Grundrecht in jeder Form, auch etwa in Form von Demonstrationen. "Aber passen Sie auf, mit wem Sie demonstrieren. Geben Sie Acht, dass Sie auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung bleiben. Klare Indizien dafür sind der Respekt vor der Menschenwürde und jeglicher Verzicht auf Gewalt", so Pegel.

Weniger Linksextremisten

Die Zahl der als linksextrem eingeordneten Personen sank von 460 im Jahr 2021 auf 430 im Jahr 2022, ebenso so wie die Zahl der Gewaltbereiten unter ihnen - von 240 auf 210. Die Szene beschränke sich größtenteils auf die Universitätsstädte Rostock und Greifswald. "Auch Linksextremisten sind regelmäßig bestrebt, tagespolitische und gesellschaftsrelevante Themen im Sinne ihrer Ideologie zu dominieren oder zumindest in ihrem Sinne in der öffentlichen Wahrnehmung zu beeinflussen und ihr eigenes verfassungsfeindliches Handeln zu legitimieren", erklärte Pegel.

Islamisten und auslandsbezogener Extremismus in MV

Im Jahr 2022 werden in Mecklenburg-Vorpommern 30 Personen weniger dem Islamismus/islamistischen Terrorismus zugeordnet als noch im Vorjahr, das entspricht einer Abnahme um 15 Prozent. Pegel zufolge handelt es sich bei diesen hauptsächlich um Einzelpersonen, die Bezüge zu terroristischen Strukturen hätten. "Auch wenn ihre Zahl überschaubar ist, so geht von jedem islamistischen Extremisten eine große Gefahr für unsere Gesellschaft aus", warnte Pegel. Neben dem Islamismus haben die Verfassungsschützer auch den sogenannten auslandsbezogenen Extremismus im Blick, dem in Mecklenburg-Vorpommern etwa 270 Personen zugeordnet werden, vorrangig Mitglieder und Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans.

Fließende Grenzen zwischen extremen Strömungen

Pegel wies bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts auch darauf hin, dass die Grenzen zwischen verschiedenen extremen Strömungen teils fließend seien. So gebe es etwa Überschneidungen zwischen den Gruppen der Rechtsextremisten und der Reichsbürger und Selbstverwalter, ebenso zeigten sich Sympathien der deutschen Linksextremisten mit der kurdischen Autonomiebewegung. "Nach Beobachtung unserer Verfassungsschützer ist hier eine rückgängige Tendenz erkennbar. Einzelne Aktionen oder Veranstaltungen zeigen allerdings die klaren gegenseitigen Sympathien untereinander auf", sagte der Innenminister.

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Nordmagazin | 06.07.2023 | 19:30 Uhr

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