AfD-Nordost jubelt über "ihren" Landrat in Thüringen
Der Sieg der AfD bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg beschäftigt auch die Spitzen der Landespolitik. Ein knappes Jahr vor der nächsten Kommunalwahl ist von einem "Weckruf" die Rede.
AfD-Landeschef Leif-Erik Holm zeigt sich in rhetorischer Jubelpose. Eine Woche nach seiner Niederlage bei der Oberbürgermeister-Stichwahl in Schwerin sieht Holm in dem Sieg seiner rechtsextremen Parteifreunde in Thüringen ein "Sonneberger Erdbeben". Die AfD werde das Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Ein dicker "kommunaler Pflock" sei eingeschlagen worden. Viele, so prophezeit Holm, würden folgen.
SPD-Landrat spricht von "Weckruf"
Der Landrat von Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg, gehört zu denen, die das verhindern wollen. Sternberg ist Vize-Landeschef der SPD, er verweist darauf, dass die AfD in den Kommunen stark zerstritten sei. In seinem Kreistag hat sich die Fraktion nach innerparteilichen Ränkespielen gespaltet. Sternberg meint mit Blick nach Thüringen auch, Sonneberg sei besonders gewesen. Lokale Probleme hätten den Sieg der AfD erleichtert. "Dort gab es zwei Jahre lang ein Machtvakuum durch einen kranken Landrat, der aber so lange noch im Amt gelassen wurde, damit er Versorgungsansprüche hat." Die Menschen hätten auch "Protest" gewählt, "weil sie lange keinen starken Landrat an der Spitze ihres Landkreises wahrgenommen haben". Das Ergebnis in Sonneberg müsse dennoch für alle "ein Weckruf sein, ihre Hausaufgaben zu machen". Wichtig sei auch deshalb, eine klare Linie zu verfolgen, die den Menschen Antworten auf Probleme liefere, findet Sternberg. Gerade zu den Kommunalwahlen 2024 müsse deutlich werden, dass es um kommunale Themen gehe und nicht um europa- oder bundespolitische Angelegenheiten.
CDU: Bitteres Ergebnis für die Politische Mitte
Auf die Kommunalwahlen im Juni 2024 bereitet sich auch der Generalsekretär der Landes-CDU, Daniel Peters, vor. Das Ergebnis in Sonneberg sei bitter für die politische Mitte, meint er. Als Ursache hat er die Politik der Ampel in Berlin ausgemacht, die führe zu Frust bei den Menschen. "Wer eine vernünftige Politik macht, der muss sich um Wahlerfolge der AfD keine Gedanken mehr machen, denn die wird es dann in dem Ausmaß nicht mehr geben." Peters hält auch deshalb nichts von Schuldzuweisungen an seine Union. Die Grünen beispielsweise meinen, die CDU führe einen "Kulturkampf" und laufe dabei Positionen der AfD hinterher, am Ende aber werde das Original gewählt. Auch der Generalsekretär der Landes-SPD, Julian Barlen, wirft der Union in Mecklenburg-Vorpommern eine "destruktive Fundamental-Opposition" vor, um der AfD das Wasser abzugraben und zu punkten. Das bringe aber nur der AfD zusätzliche Wähler. "Blödsinn" nennt Peters diese Vorwürfe: "Man versucht, uns in die Ecke der AfD zu drängen."
FDP will klare Positionierung aller demokratischen Parteien
Peters sagt, es sei wichtig, dass die Union in der Opposition erkläre, was sie will und was sie kritisiert. Diese "Erkennbarkeit" wollten die Menschen, so Peters. Für ein Zusammengehen aller Landtags-Parteien gegen die AfD kann sich der CDU-Generalsekretär nicht erwärmen. Er meint, die Union grenze sich bereits von der AfD ab. Sein SPD-Kollege Barlen sagt, jede Partei "sollte sich selbst an die Nase fassen". Sie sollten vor Ort schauen, wofür sie stehen und welche Persönlichkeiten sie präsentieren. Der Chef der Linken, Peter Ritter, schickt via Twitter den eher allgemeinen Appell "Leute. Aufwachen!" in die Debatte. FDP-Generalsekretär David Wulff findet dagegen, eine klare Positionierung aller demokratischen Parteien gegen die AfD sei nötig. Auf ein abgestimmtes Vorgehen hatten sich jüngst die Parteien in Schleswig-Holstein verständigt. Wulff meint, der "Frustlevel" sei in Sonneberg hoch gewesen. Sein Schlussfolgerung: "Für alle Parteien im demokratischen Spektrum heißt es, Probleme nicht nur zu bestaunen, sondern Probleme müssen auch gelöst werden".
Um mehr Verständnis wirbt der ehemalige Finanzminister Mecklenburg-Vorpommerns, Mathias Brodkorb (SPD). In der Zeitschrift "Cicero" schreibt Brodkorb, die Wahl "lässt erahnen, dass sich Wähler, wenn man sie im Grunde ständig als 'Nazis' beschimpft, nicht deshalb zur Wahl einer etablierten Partei motivieren lassen." Eher sei das Gegenteil der Fall.
Politologe: "Destruktive Nein-Sager-Partei"
Der Rostocker Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Muno sieht Handlungsbedarf. Er warnt die etablierten Parteien "vor einem unangenehmen Erwachen" bei der Kommunalwahl, wenn sie sich nicht überlegten, "wie sie gegen die AfD argumentieren möchten". Die AfD sei eindeutig eine "destruktive Nein-Sager-Partei, die alles nur ablehnen will", so Muno. Die anderen Parteien müssten in dieser Situation Lösungen für Probleme benennen. Und mit Blick auf die Politik der Ampel-Koalition in Berlin beispielsweise im Heizungsstreit meint Muno, die Koalition müsse Kompromisse besser erklären. "Ich glaube, da ist noch viel Potenzial."