Ruhestand: Immer mehr Rentner arbeiten weiter in MV
Mehr als 25.000 Ruheständler in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten weiter. Dabei geht es nicht immer nur ums Geld, sondern auch um Spaß und das Gefühl, gebraucht zu werden - wie bei dem Koch Peter Brietzke aus Sternberg.
Gulasch kochen, Buletten braten, Nudeln abgießen - jeden Morgen ab fünf Uhr steht Peter Brietzke in der kleinen Küche des Fleischmarktes Böhnke in Sternberg (Landkreis Ludwigslust-Parchim). Seit vergangenem Jahr ist der 66-Jährige offiziell Rentner, aber er möchte noch lange nicht aufhören zu arbeiten. Für ihn steht der Spaß im Vordergrund und er sei auch ein bisschen eitel, verrät er. Oft werde er von Kunden auf der Straße angesprochen, dass es so lecker sei. Besonders die Buletten seien beliebt, 30 bis 40 Stück brutzelt er täglich.
Andere Länder, andere Renten
Nach mehr als 40 Jahren Arbeit erhält Peter Brietzke knapp 1.200 Euro Rente monatlich. "Ich könnte jetzt auch sagen, ich gehe zum Amt, hole mir einen Zuschuss, aber das will ich nicht", erzählt er. Lieber arbeitet er weiter. In Mecklenburg-Vorpommern liegen die durchschnittlichen Renten bei 1.455 Euro nach 45 Versicherungsjahren, Hamburg liegt bei 1.721 Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage an Sahra Wagenknecht (BSW) im Juli 2024 hervor. Peter Brietzke findet es ungerecht, dass die Renten im Osten niedriger sind als im Westen.
Politik will Rentner länger in Jobs halten
Mittlerweile arbeiten rund 1,3 Millionen Rentner in Deutschland, die meisten davon in Minijobs - Tendenz steigend. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Gesamtzahl der arbeitenden Rentner von 2019 bis 2022 um 7,4 Prozent gestiegen. Insgesamt sind es 26.385 Personen - vorgezogene Altersrenten und reguläre Renten zusammengerechnet. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Auffallend: Der Anstieg der Frührentner, die in sozialversicherungspflichtigen Jobs weiterarbeiten. Die Zahl hat sich mehr als verdoppelt, von 1.298 auf 2.732. Wegen des Fachkräftemangels wird "Arbeiten statt Rente" schon seit ein paar Jahren von der Politik belohnt. 2017 haben SPD und CDU, in der Großen Koalition, die Flexi-Rente eingeführt, die einen Zuschlag verspricht für jeden Monat, den Erwerbstätige später in die Rente gehen. Seit Anfang 2023 gibt es für Frührentner keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Außerdem plant die Ampel-Koalition eine Rentenaufschubprämie ab 2028.
Kritik an Herangehensweise der Politik
Die Planungen der Bundesregierung etwa zur Rentenaufschubprämie sieht die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, kritisch. "Diese Möglichkeit ist natürlich für gut qualifizierte Fachkräfte eine interessante Geschichte, aber für viele andere wird das nicht dazu führen, dass sie mehr Geld zur Verfügung haben", erläutert Bentele bei NDR MV Das Interview. Beim Thema Arbeiten in der Rente gelte es allgemein, zwischen unterschiedlichen Gruppen von Rentnerinnen und Rentnern zu differenzieren. Es gebe neben den Menschen, die aus Spaß über das Rentenalter hinaus weiterarbeiten auch jene, die es aus finanzieller Not tun. Die größte Herausforderung sieht Bentele darin, das Rentensystem so zu verbessern, dass es Menschen mit geringen finanziellen Mitteln unter die Arme greife. Schließlich sei der Sinn der Rente laut VdK, "dass Menschen nach einem langen Arbeitsleben in den wohlverdienten Ruhestand gehen können". Außerdem vergesse man Menschen, die nicht weiterarbeiten können oder Angehörige pflegen, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung.
Arbeitende Rentner sind oftmals Akademiker
Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass nicht nur Menschen, die auf das Geld angewiesen sind, eher weiterarbeiten. "Man kann als Faustformel schon sagen: Je höher das Bildungsniveau oder der Status im Berufsleben, desto höher ist die Neigung, nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten", erklärt Markus Bircher, Chef der Arbeitsagentur Nord. In körperlich anstrengenden Berufen arbeiten Rentner dagegen selten weiter.
Fachkräftemangel: Brietzke will Chefin nicht im Stich lassen
Peter Brietzke aus Sternberg ist da mit seinem Vollzeitjob als Koch schon die Ausnahme. Ihm täten zwar freitags die Füße weh, sagt er, aber es mache ihm immer noch viel Spaß, beim Fleischmarkt zu arbeiten. Mit Rente und Vollzeitjob hat er so viel Geld, wie noch nie, freut er sich. Monatlich 3.000 Euro netto. Jetzt könne er sich auch mal was gönnen, wie eine neue Waschmaschine, und den Enkelkindern was spendieren. Es gehe ihm nicht allein ums Geld, sagt der Sternberger, denn er möchte auch seine Chefin Sina Chaborski nicht hängen lassen. Die beiden haben ein enges Verhältnis, wie Vater und Tochter, sagen beide. Ohne ihren Koch wäre Sina Chaborski auch aufgeschmissen. Sie findet kein Personal, deshalb hat Peter Brietzke ihr versprochen, dass er mindestens bis 70 weiterarbeiten möchte.