Rostocker Forscher entdecken: Darum färben sich Pflanzen rot
Warum verfärben sich Pflanzen rot? Neue Erkenntnisse von Forschern aus Rostock stellen bisheriges Wissen zum Pflanzenschutz auf den Kopf. Davon könnten Landwirtschaft und Nahrungsmittel-Industrie profitieren.
Pflanzen können Stress haben. Sie leiden unter Hitze, Kälte, Trockenheit oder veränderten Lichtverhältnissen. Anders als der Mensch kann eine Pflanze ihre Lebensbedingungen nicht verändern. Reagieren kann sie aber dennoch: Bei zu viel Sonne färben Pflanzen ihre Blätter rötlich ein. Wie genau der Mechanismus dahinter funktioniert, hat ein Team um Juniorprofessor Andreas Richter vom Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock nun herausgefunden.
Die Wissenschaftler haben an der Ackerschmalwand untersucht, wie sich der rote Farbstoff bildet, mit dem sich Pflanzen bei Stress schützen. Ihre Ergebnisse haben sie im Dezember im Fachjournal "Plant Communications" veröffentlicht. Die Studie stellt das, was man bisher zum Lichtschutz der Pflanzen wusste, auf den Kopf.
Anthocyane sorgen für Lichtschutz
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass eine Pflanze, die sich bei zu viel Lichteinstrahlung rot oder lila verfärbt, negativen Stress hat. Dass es der Pflanze also schlecht geht und sie deshalb sogenannte Anthocyane bildet. Die Studie aus Rostock kommt zu einem anderen Schluss.
Das Team von Richter fand heraus: Verantwortlich für die Aktivierung der Anthocyan-Bildung ist der Zucker, der bei der Photosynthese gebildet wird. Bei Lichtüberschuss wird vermehrt Zucker gebildet. Der sorgt für eine verstärkte Bildung von Enzymen. Diese sind wiederum für die Bildung der Anthocyane in der Pflanze notwendig. "Was unsere Forschung zeigt ist, dass es der Pflanze also relativ gut gehen muss, damit sie Anthocyane bilden kann", fasst Richter zusammen. Denn: "Ohne Photosynthese, ohne Zucker, ohne Energie kann sie diese Anthocyane erst gar nicht bilden."
Erkenntnisse bedeutsam für Nahrungsmittel-Industrie
Praktisch nutzen können diese Erkenntnisse etwa Saatgut-Hersteller, um die Rotfärbung, also den Schutz der Pflanzenzellen, gezielt ein- oder auszuschalten. Bierbrauer etwa wollen keine Anthocyane in der Gerste, weil diese Farbe und Geschmack des Bieres verändern. Die Nahrungsmittel-Industrie nutzt den roten Farbstoff dagegen gern, etwa um Joghurt oder veganes Fleisch rot einzufärben.
Auch für medizinische Zwecke und im sogenannten Functional Food, also in funktionellen Lebensmitteln, können Anthocyane gewollt sein. Sie gehören zu den Antioxidantien und sollen die Zellen vor Alterung schützen sowie vorbeugend gegen Herz- und Gefäß-Erkrankungen oder Diabetes wirken.
Forscher untersuchen weitere Stressbedingungen
Herauszufinden, wie Licht auf Pflanzen wirkt, war für Richter jedoch nur ein erster Schritt. "Das Spannende ist - und das ist, was die zukünftige Forschung dann auch zeigen wird - ob dieser Mechanismus auch unter anderen Stressbedingungen zum Tragen kommt." Denn auch bei Kälte bilden Pflanzen Anthocyane. Wie Pflanzen auf zellulärer Ebene bei Nährstoffmangel reagieren, ist laut Richter in einer sich stetig verändernden Umwelt bedeutend für die Nahrungsketten der Erde. Sämtliche Vorgänge der pflanzlichen Akklimatisierung wollen die Rostocker nun untersuchen.