Experte: Schattenflotte-Tanker "Eventin" wird bald "Route fortsetzen"
Der zur russischen Schattenflotte zählende Tanker "Eventin" wird seit knapp vier Wochen vor Rügen festgehalten. Das könnte sich bald ändern, so der Sanktions-Experte Sascha Lohmann.
Lohmann glaubt nicht, dass der vor Rügen liegende Öltanker "Eventin" auf längere Zeit von den deutschen Behörden festgehalten wird. Er gehe davon aus, dass das unter der Flagge Panamas fahrende Schiff "wieder freigelassen wird und seine Route fortsetzt", sobald die Überprüfungen abgeschlossen sind, so der Sanktions-Experte im gespräch mit dem NDR. Er arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik. Die 274 Meter lange "Eventin" wird von Experten zur sogenannten russischen Schattenflotte gezählt. Der Tanker trieb am 10. Januar mit rund 100.000 Tonnen Öl an Bord wegen eines mutmaßlichen Stromausfalls manövrierunfähig in der Ostsee nördlich von Rügen. Inzwischen liegt er vor Sassnitz und wird von den deutschen Behörden inspiziert.
Illegaler Ölimport?
Nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft hat sich gegen den Kapitän und die Mannschaft kein Anfangsverdacht auf eine Straftat ergeben. Der Zoll wollte zum aktuellen Stand der Ermittlungen keine Auskunft geben. Laut Lohmann geht es bei den anhaltenden Kontrollen unter anderem um die Umwelt- und die Verkehrssicherheit des Schiffes sowie um die Arbeitsbedingungen an Bord. Außerdem prüfe der Zoll, so Lohmann, ob die "Eventin" illegal Öl in die EU eingeführt hat. Der Import russischen Öls ist laut der gegen Russland verhängten EU-Sanktionen derzeit verboten. Das Schiff gelangte allerdings wegen einer Havarie in deutsches Hoheitsgewässer, so Lohmann, daraus könne wohl kaum ein illegaler Import abgeleitet werden.
Ölpreisdeckel für Beteiligung von Drittfirmen
Ebenfalls ermittelt der Zoll, ob der Tanker russisches Öl transportiert, das zu einem "überhöhten" Preis von Russland an einen Drittstaat außerhalb der EU verkauft werden sollte. Zwar könne Russland sein Öl an Drittstaaten zu beliebigen Preisen verkaufen, erklärte der Sanktions-Experte. Allerdings hat die EU Unternehmen innerhalb der EU - zum Beispiel Versicherungen und anderen Dienstleistern - verboten, an solchen Transporten auf dem Seeweg zu verdienen, sobald der Verkaufspreis pro Tonne ein gewisses Limit überschreitet.
Öleinnahmen füllen Russlands Kriegskasse
Das Limit liegt derzeit bei 60 US-Dollar pro Barrel (159 Liter). Damit sollen die russischen Exporteinnahmen begrenzt und somit auch die Möglichkeiten zur Finanzierung des russischen Kriegs gegen die Ukraine verringert werden. Der ukrainische Thinktank KSE Institute geht in seiner Prognose für 2024 von russischen Einnahmen durch Öl in Höhe von 193 Milliarden US-Dollar aus. Der aktuelle Verteidigungshaushalt Deutschlands umfasst knapp 52 Milliarden Euro. Gerade die russische Öl-Ausfuhr über die Ostsee hat sich seit 2022 massiv erhöht.
Hunderte Schiffe zählen zu Russlands Schattenflotte
Die "Eventin" steht auf einer Liste von älteren Schiffen, mit denen Russland zur Umgehung von Sanktionen nach Angaben von Greenpeace Öl transportiert - der so genannten Schattenflotte. Russland umgeht demnach mit den unter fremder Flagge fahrenden Tankern das Öl-Embargo, das als Folge seines Angriffs auf die Ukraine von der EU verhängt wurde.