"Man muss auch kaltblütig sein": Bauernpräsident Kurreck hört auf
Seit 2016 stand Detlef Kurreck an der Spitze des Bauernverbandes in Mecklenburg-Vorpommern. Für ihn war von Anfang an klar: Nach zwei Amtsperioden ist Schluss. Kurreck stellt sich auf dem Bauerntag in Linstow am Freitag nicht mehr zur Wahl.
Jeder Arbeitstag, wenn es die Zeit zulässt, beginnt mit demselben Ritual. Detlef Kurreck verlässt seine "Ranch", wie er sein Zuhause in Kägsdorf nennt, und fährt nie direkt die knapp zwölf Kilometer ins Büro. "Dann wird immer gleich ein Schwenk gemacht, dass man sich zumindest über einen kleinen Teil des Betriebes visuell eine Meinung gebildet hat: Wirkt der Dünger? Fängt es an zu wachsen? Was machen die Nassstellen? Wo gibt es Wildschäden?" Detlef Kurreck bewirtschaftet rund um Körchow (Landkreis Rostock) etwa 1.100 Hektar. Er ist 34 Jahre alt, als er gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Gabriela Holzke das LPG-Gelände kauft und sie gemeinsam ihren Hof aufbauen. Dazu zählen anfangs Milchkühe und Mastrinder. Der heutige Ackerbauer ist gelernter Melker und hat an der Universität Rostock Tierproduktion studiert.
Sprachrohr der Bauern
Detlef Kurreck wächst in Bad Doberan auf. Schon vor seiner Zeit als Präsident setzt er sich für den Berufsstand ein, damals noch als Vizebauernpräsident neben Rainer Tietböhl. Der ging aus Altersgründen und Detlef Kurreck kam. "Die Idee kam gar nicht von mir selbst, sondern von einigen Kreisvorsitzenden. Wenn man dann abends nach einer Klausurtagung mit einem Kaltgetränk zusammensitzt und etwas sagt, was nicht so verkehrt ist, dann heißt es irgendwann: 'Detlef, Du musst kandidieren.'" Der damals 57-Jährige kandidiert, weil er die Verbandsarbeit und den Umgang mit Menschen liebt. Detlef Kurreck will sich für die Belange der Landwirte stark machen, Ideen bündeln und sich konsequent dafür einsetzen, dass diese umgesetzt werden. "Und das kann man im Wesentlichen nur, wenn man selbst in der Verantwortung ist." Am 8. April 2016 beginnt seine Amtszeit als Bauernpräsident von Mecklenburg-Vorpommern.
Bauernproteste von Anfang an
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit befindet sich Deutschland in der Milchkrise. Zu viel Milch wird produziert, der Preis für einen Liter Milch sinkt auf ein Rekordtief von 18 bis 19 Cent. Milchbauern im Nordosten fühlten sich vom Verband nicht stark genug vertreten und treten enttäuscht aus, erinnert sich Detlef Kurreck. "Die Milchthemen sind in 30 Jahren nahezu unverändert. Es geht immer um die sogenannte faire Bezahlung. Da gibt es sehr leidenschaftliche Debatten jedes Mal, aber es kann nicht dazu führen, dass damit ein Verband gesprengt wird." Der neue Bauernpräsident versucht zu einen, nicht weiter zu spalten und führt Gespräche mit Molkereien. Er bringt dabei seine Erfahrungen ein, die er zuvor 25 Jahre lang als ehrenamtlicher Bürgermeister von Bastorf gesammelt hat.
Landwirtschaft geht baden
Im September 2016 ist Detlef Kurreck wenige Monate im Amt und die Agrarministerkonferenz der Länder beginnt in Warnemünde. Im Raum stehen fast dieselben strittigen Themen wie aktuell. Bauern kritisieren die zunehmende Bürokratie und eine praxisferne Agrarpolitik. Sie sprechen von Existenzsorgen und der Angst, auf dem Weltmarkt nicht mehr mithalten zu können. Anlass damals ist die gemeinsame Agrarpolitik der EU, die mehr Umweltauflagen und weniger Direktzahlungen an Landwirte vorsieht. Detlef Kurreck erinnert sich an die Tage in Warnemünde noch sehr genau, als er und andere Landwirte aus Protest in die Ostsee stiegen: "Da waren wir alle zusammen baden. Da gibt es noch Bilder, wie wir alle in der grünen Weste im Wasser stehen."
Während seiner gesamten Amtszeit fordert Detlef Kurreck ein Mitspracherecht bei agrarpolitischen Entscheidungen. "Ich schreibe einem Tischler auch nicht vor, ob er den Schrank schrauben oder dübeln soll. Er wird ihn deswegen dübeln, weil er besser hält. Und so ist es in der Tierproduktion auch." Hier haben auch strengere Auflagen dazu geführt, dass viele Tierhalter in MV mittlerweile aufgehört haben.
Backhaus lobt Engagement
Während seiner Amtszeit trifft Detlef Kurreck immer wieder auf Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). Beide diskutieren teilweise heftig, streiten sich auch hin und wieder öffentlich. Dennoch: "Er ist kämpferisch in der Sache, streitbar, aber auch stets kompromissfähig und vor allem ehrlich. Auf ihn und sein Wort ist Verlass", so der SPD-Politiker. Backhaus findet zudem, dass es Kurreck gelungen sei, die Landwirte einerseits an die neuen Herausforderungen heranzuführen, diese anzunehmen und zu meistern und andererseits die berechtigten Interessen der Landwirte nach Wirtschaftlichkeit, Einkommenssicherung und Wertschätzung ihrer Leistung engagiert zu verteidigen. "Ich hätte mir gewünscht, er hätte in seinem eigenen Betrieb mehr Agrarumweltmaßnahmen umgesetzt."
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Burkhard Roloff ist Agrarexperte beim BUND in MV und erinnert sich, wie er Detlef Kurreck erstmals in dessen konventionellem Betrieb in Körchow traf. "Bei einer Feldrundfahrt konnte ich mich überzeugen: Kurreck ist ein guter Landwirt. Sympathisch macht ihn, wenn er persönlich wird, schnackt he platt." Auch als Vizepräsident im Deutschen Bauernverband habe er den ostdeutschen Bauern und vor allem den Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern eine hörbare Stimme gegeben. Positiv hebt Roloff auch hervor, dass es die Idee des Landesbauernpräsidenten war, eine gemeinsame Absichtserklärung mit den Trinkwasserverbänden zum Schutz des Grundwassers zu unterzeichnen. Nicht so gut findet Roloff, dass die notwendige Ökologisierung der Landwirtschaft mit Kurreck nicht vorangegangen sei.
Traktorenstau in Berlin und MV
Im November 2019 spitzen sich die Bauernproteste zu. Anlass sind geplante schärfere Auflagen zum Insekten- und Umweltschutz. Tausende Traktoren und Landwirte reisen nach Berlin, unter ihnen Detlef Kurreck. Auch die letzten Monate seiner Amtszeit verbringt er in Warnweste auf Autobahnbrücken oder vor dem Brandenburger Tor. Er streikt mit anderen Berufskollegen vor Logistikzentren der Lebensmittelbranche und diskutiert mit Bundespolitikern auf der Grünen Woche in Berlin. Er fordert bis zuletzt, die geplanten Streichungen beim Agrardiesel zurückzunehmen. "Wir haben es mit diesen ganzen Aktionen, auch rund um den Jahreswechsel, geschafft, dass inzwischen jeder Bürger in Deutschland begriffen hat, dass mit der Landwirtschaft irgendetwas nicht in Ordnung ist." Während Kurreck demonstriert, führt Sohn Martin in Körchow den Betrieb weiter.
Förderer des Agrarnachwuchses
Detlef Kurreck hat sich immer als Türöffner für junge Landwirte verstanden. Er selbst bildet im eigenen Betrieb aus. Unter seiner Präsidentschaft startet im November 2019 die Initiative "Generation F1" - ein Zusammenschluss von Junglandwirten. "Wenn man etwas für die Zukunft erreichen will, braucht man auch die Leute, die in der Zukunft noch wirken, und das sind nun mal die Jüngeren". Mittlerweile treffen sich junge Landwirte regelmäßig, tauschen sich aus und vernetzen sich untereinander. Sarah Selig hat die Generation F1 mitgegründet. Sie selbst kommt aus einer Bauernfamilie, studierte Agrarwirtschaft in Neubrandenburg und erlebt Kurreck als Weichensteller. "Von der ersten Ideenvorstellung bis zum heutigen Tag war er stets davon überzeugt, dass es sich lohnt, in den Berufsnachwuchs zu investieren. Und zwar nicht nur für den Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern, sondern im Sinne der gesamten Branche." Mittlerweile ist die 31-jährige Assistentin der Geschäftsführung beim Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern.
Präsidentschaft hat Spaß gemacht
Am 26. November wird Detlef Kurreck 66 Jahre alt. Seiner Nachfolge im Verband rät er, ihn nicht zu kopieren. "Jeder muss seine eigene Duftmarke dalassen. Man muss zuhören können, entschlossen und ein bisschen kaltblütig sein." Kurreck findet, das sei ihm gelungen. Er schaut selbstbewusst, während er diese Sätze sagt und er betont, er sei komplett mit sich im Reinen. Es habe ihm Spaß gemacht, acht Jahre Landesbauernpräsident zu sein. Der 65-Jährige legt nicht alle Ehrenämter ab. So will er sich beispielsweise weiterhin als Vorsitzender im Wasser- und Bodenverband Hellbach-Conventer Niederung für die Sanierung der verrohrten Gewässer einsetzen. Dann will er endlich mal wieder nach Afrika reisen, eine Leidenschaft, die er mit Ehefrau Angelika teilt. Einen Hauch Afrika hat er sogar bei sich zuhause auf seiner Ranch in Kägsdorf, eine kleine Herde Kamerunschafe.