Eine Maschine in einer Fertigungshalle von Meyer Burger in Thalheim  Foto: Klaas-Wilhelm Brandenburg

Was für einen neuen Boom der Solarbranche spricht

Stand: 17.01.2022 07:32 Uhr

Die Solarbranche in Deutschland erlebt gerade einen Aufschwung. Die Firma Meyer Burger setzt dabei auf einen besonderen Weg: Sie verkauft ihre Maschinen für die Solarzellen-Produktion nicht mehr nach China, sondern stellt nun selbst Solarmodule her.

von Marc-Oliver Rehrmann und Klaas-Wilhelm Brandenburg

Im sogenannten Solar Valley kehrt wieder Leben ein. Wo einst der Boom in der Solar-Branche für Tausende Arbeitsplätze sorgte und dann eine Pleitewelle leere Hallen hinterließ, keimt wieder Hoffnung auf. Denn die Solarbranche hierzulande berappelt sich wieder.

Gunter Erfurt steht vor einer Wand mit Solarmodulen der Firma Meyer Burger.  Foto: Klaas-Wilhelm Brandenburg
Stolz auf eine neuartige Technologie für Solarmodule: Gunter Erfurt von der Firma Meyer Burger hofft auf gute Geschäfte.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Firma Meyer Burger. Sie hat im Solar Valley eine leerstehende Halle bezogen. Das Gelände liegt in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt, genauer gesagt: im Ortsteil Thalheim. Dort betreibt Meyer Burger eine Solarzellen-Fabrik - mit Maschinen, die das Unternehmen selbst entwickelt und produziert. Der Betrieb hat viel Erfahrung in der Herstellung von Maschinen für die Solarbranche - und war damit viele Jahre erfolgreich.

Lange Zeit profitierte allein China

Aber dann führte das Geschäftsmodell, die hochwertigen Maschinen nach China zu verkaufen, in eine Sackgasse. Denn die Maschinen waren immer produktiver geworden. "Wo wir früher acht Maschinen verkauft haben, verkauften wir nur noch eine", schildert der Geschäftsführer von Meyer Burger, Gunter Erfurt, das Problem. "Der Maschinenmarkt wird immer kleiner, weil die Maschinen immer effizienter werden. Das ging uns also durch den Kopf, wie man aus dieser Spirale wieder rauskommt, weil das einfach strategisch nicht mehr funktioniert."

Das Solar Valley in Sachsen-Anhalt

Das sogenannte Solar Valley entstand vor 20 Jahren im einstigen Chemie-Dreieck der DDR und war zunächst eines der größten Zentren der Solar-Industrie Europas mit bis zu 3.500 Arbeitsplätzen. Dann stürzte die Konkurrenz billiger Solar-Module aus Asien das Valley in die Krise. Zahlreiche Unternehmen gingen pleite. Zehn Jahre nach der großen Krise füllt sich das Solar Valley nun wieder mit Solar-Firmen.

Die Maschinen sind ein gut gehütetes Geheimnis

Und so entstand eine neue Idee: Meyer Burger verkauft seine neuartigen Maschinen nicht mehr nach China oder an sonst jemanden - sondern stellt die Solarzellen und Solarmodule kurzerhand selbst her. Die Technologie der hochentwickelten Maschinen ist nun ein gut gehütetes Geheimnis: "Wir bezeichnen das als geschütztes Geschäftsmodell oder neudeutsch: captive model", erklärt Geschäftsführer Erfurt. "So weiß niemand mehr, wie wir eigentlich die Module herstellen, weil wir die eigentliche Maschine niemandem mehr präsentieren. Das läuft bei uns hinter verschlossenen Türen."

Der Manager bezeichnet die eigene Solarmodul-Technologie als die beste Methode der Welt. Nach nur anderthalb Jahren sei die Neuausrichtung des Geschäftsmodells abgeschlossen gewesen.

Was macht die Solarzellen so besonders?

Meyer Burger behauptet, die Firma habe einen Technologie-Vorsprung von etwa drei Jahren gegenüber der Konkurrenz. Ihre Solarzellen hätten einen höheren Wirkungsgrad als normale Zellen, wodurch die Solarzellen laut Meyer Burger etwa ein Fünftel mehr Energie produzieren können.

Aber es gebe noch einen weiteren Wettbewerbs-Vorteil, sagt Jochen Fritsche. Er ist der Fertigungsleiter in Thalheim. "Wir sind mit unseren Solarzellen über längere Zeit stabiler, besonders effizient und auch besonders unanfällig gegen schwankende Einstrahlungsverhältnisse." Mit anderen Worten: Bei den Solarzellen ist es demnach nicht so wichtig, aus welchem Winkel die Sonne draufscheint oder ob sie durch die Wolken scheint. Das Besondere an den Solarzellen aus Thalheim: Sie werden mit zwei zusätzlichen Silizium-Strukturen beschichtet.

Eine Fotovoltaik-Solarstromanlage © picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres Foto: | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
AUDIO: Podcast "Mission Klima" - Folge 10: Wie wir mit Solarstrom die Klimaziele erreichen (36 Min)

2.800 Solarmodule am Tag

In der Fertigungshalle in Thalheim sind vor allem Maschinen zu sehen. Die Produktion läuft weitgehend automatisiert. Dennoch sind dort insgesamt 180 Frauen und Männer angestellt. Bis Ende des Jahres sollen es doppelt so viele Mitarbeiter werden. Die technischen Anlagen können pro Tag ausreichend Solarzellen herstellen, um daraus 2.800 Solarmodule zu bauen. Diese kommen beispielsweise auf Hausdächern zum Einsatz. Ein Modul besteht aus mehreren Solarzellen und ist rund 1,00 Meter mal 1,70 Meter groß. In Thalheim produziert Meyer Burger seine Solarzellen, die Solarmodule hingegen in Freiberg in Sachsen.

Weitere Informationen
Solarmodule eines Balkonkraftwerke an einem Mehrfamilienhaus. © picture alliance / imageBROKER Foto: Robert Poorten

Balkonkraftwerk: Was kostet es und lohnt sich die Mini-Solaranlage?

Der Betrieb von Balkonkraftwerken wird mit dem Solarpaket I einfacher. Einige Länder und Kommunen gewähren zudem Zuschüsse. mehr

Bundesregierung will viel mehr Solarstrom

Für Solarfirmen sind die Zukunftsaussichten eher rosig. Denn bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung raus aus der Kohle - und bis dahin sollen 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren Energien kommen. Zur Einordnung: Im Jahr 2021 hatten die Erneuerbaren Energien einen Anteil von etwa 42 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland. Solarstrom allein kommt auf einen Anteil von etwa zehn Prozent.

Um die Klimaziele zu erreichen, muss also neben der Windkraft auch die Photovoltaik massiv ausgebaut werden: Nach den Plänen der neuen Bundesregierung soll bis 2030 dreimal so viel Solarstrom wie heute erzeugt werden. Deshalb gibt ab kommendem Jahr für alle größeren gewerblichen Neubauten eine Solaranlagen-Pflicht. Auch für private Neubauten wird es wohl eine bundesweite Pflicht geben - zumindest ist das der Plan von Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Der Anteil des Solarstroms könnte auf 50 Prozent steigen

Auch der Solarenergie-Experte Christoph Kost ist überzeugt, dass Solarstrom in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein große Rolle einnehmen wird. Zumal die Bundesregierung sich das Ziel gesetzt hat, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral ist. "Bis 2045 könnten - je nachdem, wie stark der Strombedarf bis dahin gestiegen ist - 30 bis 50 Prozent mit Solarenergie abgedeckt werden", schätzt der Experte. Er forscht am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zu Photovoltaik und Erneuerbaren Energien.

Weitere Informationen
Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses. © imago images Foto: U. J. Alexander

Photovoltaik-Anlagen: Vorteile, Kosten und Fördermittel

Für Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen gibt es seit Januar 2023 deutliche Verbesserungen - etwa höhere Vergütungen. mehr

Auf die Akzeptanz in der Bevölkerung kommt es an

Es brauche aber ein zügiges Vorgehen, um die nötigen Solaranlagen auch tatsächlich zu bauen. Auf mindestens jedes zweites Haus müssten Solarmodule gebaut werden, so Kost. Aktuell gebe es bei Solaranlagen eine installierte Leistung von 60 Gigawatt - davon etwa 40 Gigawatt auf Dächern und 20 Gigawatt auf Freiflächen. "Bei Solaranlagen auf Dächern gehen wir davon aus, dass in Deutschland ein Potenzial von 400 bis 500 Gigawatt besteht, bei Freiflächen-Anlagen sind es 150 bis 200 Gigawatt."

Entscheidend sei, wie groß die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Bau der neuen Solaranlagen ist - also beispielsweise wie groß die Bereitschaft ist, Flächen auf Wiesen oder in der Landwirtschaft für Solarstrom bereitzustellen.

Experte: Das ist die nächste Generation der Solarmodule

Der Solarenergie-Experte sieht gute Chancen für ein Wiedererstarken der deutschen Branche. Aktuell ist China die bedeutendste Nation. "Aber nun sind auch hierzulande die Herstellungskosten der Module gesunken", sagt Kost. "Und auch die Transportkosten - von China nach Europa - spielen eine immer größere Rolle."

Den Maschinen, die Meyer Burger entwickelt hat, attestiert er eine neuartige Qualität. "Die Technologie steht für die nächste Generation der Solarmodule - und durch die höheren Effizienzen dieser Technologie ist es möglich, noch mehr aus kleineren Solarmodul-Fläche herauszubekommen", sagt Kost im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". Und das sei dann ein Wettbewerbsvorteil für die gesamte Solaranlage. Aber nur bei einer großen Produktion - im Bereich von jährlich zehn Gigawatt - sei ein Solarenergie-Unternehmen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig.

Meyer Burger plant 3.000 neue Jobs

In dieser Weltmarkt-Liga ist Meyer Burger nicht zu finden. Bis Ende des Jahres will die Firma in Thalheim Solarzellen mit einer Leistung von insgesamt 1,4 Gigawatt herstellen, mehr als dreimal so viel wie jetzt. Und in fünf Jahren sollen es sieben Gigawatt sein - also mehr als 17 Mal so viel wie aktuell. Das entspricht 50.000 Solarmodulen am Tag. Und bis 2025 will Meyer Burger etwa 3.000 neue Jobs schaffen - nicht nur an den beiden deutschen Standorten in Thalheim und Freiberg, sondern zum Beispiel auch in den USA.

"Wie heißt es so schön: Nur wer wagt, gewinnt!"

Wird der Boom in der deutschen Solarbranche dieses Mal von Dauer sein? "Wenn man immer nur wartet, bis alle Risiken im Leben weg sind, dann wird man wahrscheinlich nichts Gescheites auf die Beine stellen", sagt Geschäftsführer Gunter Erfurt. "Wie heißt es so schön: Nur wer wagt, gewinnt! Und wie sich das für ein gutes Unternehmen gehört, steht hinter jedem Risiko immer ein Arbeitspaket, wie ich dieses Risiko verringere und verkleinere. Und bislang hat das wirklich gut funktioniert."

VIDEO: Deutschland 2050: Die Zukunft und die Klimakrise (7 Min)

 

Weitere Informationen
Ein sich im Bau befindendes Schiff.

Methanol statt Diesel: So fahren Schiffe klimafreundlich

Im Norden wird gerade das Forschungsschiff "Uthörn II" gebaut. Als erstes deutsches Seeschiff wird es mit Methanol unterwegs sein. Auch große Reedereien denken beim Klimaschutz um. mehr

Jan Lachnicht und seine Frau stehen vor ihrem Einfamilienhaus in Bottrop.  Foto: Klaas-Wilhelm Brandenburg

Wie Bottrop den Klimaschutz beim Wohnen vorantreibt

Die Stadt im Ruhrgebiet hat einen erfolgreichen Weg gefunden, um Wohnhäuser zu modernisieren. Das beste Argument: Klimaschutz spart Geld. mehr

Bei der Firma Windcloud gibt es ein Wasserbecken für die Algenzucht. © NDR Foto: Isabel Lerch

Warum auf einem Rechenzentrum Blaualgen wachsen

Die digitale Branche hat einen schlechten CO2-Fußabdruck. Ein "grünes Rechenzentrum" in Nordfriesland geht einen besonderen Weg - und züchtet Blaualgen. mehr

Der Landwirt Felix Riecken steht auf seiner Weide.  Foto: Astrid Kühn

Wie ein Landwirt mit Bäumen auf Klimaschutz setzt

Seit dem Dürre-Sommer 2018 ist Felix Riecken klar: Nur mit Klimaschutz kann er seinen Hof nahe Kiel retten. Er pflanzt Bäume auf die Weiden. mehr

Rauchsäulen stehen über dem Stahlwerk der Salzgitter AG in Salzgitter. © dpa Foto: Christophe Gateau

Wie ein Stahlriese den Klimaschutz entdeckt

Die Salzgitter AG stößt noch riesige Mengen CO2 aus. Aber spätestens 2045 will der Konzern nahezu klimaneutral Stahl herstellen. Wie kann das gelingen? mehr

Malte Hippe vom dänischen Energie-Unternehmen Ørsted  Foto: Klaas-Wilhelm Brandenburg

Von Dong Energy zu Ørsted: Früher Klimakiller, jetzt Klimaretter

Dong Energy baute einst Kohlekraftwerke. Heute heißt der Energie-Riese Ørsted und ist eines der weltweit führenden Unternehmen beim Klimaschutz. Wie kam es dazu? mehr

Steyerbergs Bürgermeister Jürgen Weber (rechts) steht vor dem Eingang eines Windrades.  Foto: Verena Ondorza

Wie ein Dorf in Niedersachsen die Energiewende vorantreibt

Der Ort Steyerberg setzt auf eigene Windräder. Das spült viel Geld in die Gemeindekasse - und die Bürger profitieren von günstigen Strompreisen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Mission Klima – Lösungen für die Krise | 17.01.2022 | 06:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Energiewende

Solarenergie

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau schaut auf einen Monitor mit dem Schriftzug "#NDRfragt" (Montage) © Colourbox

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird von Journalisten befragt. © NDR Foto: Constantin Gill

Northvolt-Krise: Schleswig-Holstein wird wohl bald zur Kasse gebeten

Ministerpräsident Günther hat sich am Nachmittag zu Informationen geäußert, nach denen Bund und Land 600 Millionen Euro zahlen müssen. mehr