Wie ein Landwirt mit Bäumen auf Klimaschutz setzt
Wie kann die Gesellschaft mithilfe der Landwirtschaft die erforderlichen Klimaziele erreichen? Ein Vorreiter beim Klimaschutz ist Felix Riecken mit einem Biohof in Schleswig-Holstein. Für den Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise" hat NDR Info dort vorbeigeschaut.
Eigentlich ist es ganz einfach, was Felix Riecken sich vorgenommen hat. Der 27-Jährige will Landwirtschaft anders machen, sprich: klimafreundlicher. Und das liegt am Dürre-Sommer 2018. Riecken studierte damals Agrarwissenschaften in Kassel - in den Semesterferien kam er zurück nach Hause auf den Biohof in Großbarkau bei Kiel. Dort hält die Familie 70 Kühe. Der Anblick, der sich ihm bot, war ein Schock. "Auf den Feldern war alles braun und verdorrt. Wir mussten notgedrungen zwölf Kühe an den Schlachter verkaufen. Ein Tier ist am Hitzschlag verendet. Und wir mussten für die Tiere im August unser Wintersilo anbrechen", schildert Riecken in der vierten Folge des Podcasts "Mission Klima - Lösungen für die Krise".
"Vom Klimaschutz hängt meine Existenz ab"
Der junge Landwirt spricht von einer traumatischen Situation. Zum ersten Mal habe die Familie Existenzangst gehabt. "Mir ist damals klar geworden, dass vom Klimaschutz meine Existenz abhängt. Also was bleibt mir anderes übrig, als dafür zu arbeiten, dass mir und den Menschen um mich herum diese Existenz erhalten bleibt?“ Felix Riecken wird den Familienhof in wenigen Monaten von seinen Eltern übernehmen - in fünfter Generation. Seine Großeltern leben noch mit auf dem Hof.
Stichwort Agroforst: So helfen Bäume auf den Feldern
"Nach dieser Dürre-Katastrophe hat mich, als ich zurück an der Uni war, nichts anderes mehr interessiert als die Frage, wie wir mit dem Wasser sinnvoll umgehen." Wasser sei das Wichtigste für die Landwirtschaft, meint Riecken.
An der Universität hat sich der Schleswig-Holsteiner dann viel mit dem Thema Agroforst beschäftigt - einer Kombination von Ackerbau und Tierhaltung mit der Forstwirtschaft. Dazu zählt das Pflanzen von Sträuchern und Bäumen auf und an den Feldern. "Ich habe gelernt, wie Bäume die wertvolle Ressource Wasser sehr gut im Ökosystem halten", erzählt Riecken.
Mehr als 1.000 Bäume und Sträucher gepflanzt
Agroforst ist Teil der Strömung "regenerative Landwirtschaft". Da geht es darum, dass Landwirte ihre Böden so nutzen, dass diese möglichst viel Kohlenstoff speichern. Riecken ist überzeugt von der Methode - und so pflanzte er im Jahr 2020 entlang der großen Weide des Familienhofes mehr als 1.000 Bäume und Sträucher. Die Gewächse haben etliche positive Auswirkungen: Die Bäume spenden auf dem Feld Schatten, sodass weniger Wasser verdunstet. Die Bäume vermindern zudem den Wind, der Feuchtigkeit wegträgt. Und die tiefen Wurzeln sind gut gegen Erosion. Zudem bieten die Sträucher vielen Tierarten Schutz. Auch Gemüse baut Riecken neuerdings an, weil der Boden durch die Vielfalt fruchtbarer wird. Und das Gemüse verkauft die Familie dann im eigenen Hofladen. Auch das Klima profitiert: Mit dem Agroforst könne - durch die zusätzlichen Bäume - viel mehr Kohlenstoff in den Pflanzen und im Boden gebunden werden, sagt Riecken.
Nur wenige Landwirte können sich das leisten
Der Haken an der Sache: Das Pflanzen der Bäume und Sträucher kostet viel Geld. "Kein Mensch ist so wahnsinnig wie ich und sagt: Ich setze die Zukunft meines Betriebes aufs Spiel, um Bäume zu pflanzen. Obwohl, das war falsch ausgedrückt: Bestimmt sind Menschen so wahnsinnig. Aber die meisten sind dann einfach doch so in der Bredouille mit der Betriebswirtschaft, dass sie es sich nicht leisten können", sagt Riecken. Seine Familie konnte sich das leisten, weil sie einen gut laufenden Hof hat. Sie vermarkten ihre Produkte direkt und sind damit erfolgreich.
Zudem besteht die Möglichkeit, von Stiftungen oder vom Land Schleswig-Holstein Geld zu besorgen. Aber eine einheitliche Förderung für das Agroforsten gibt es noch nicht. Genau das fordert der Landwirt: "Wenn die politischen Rahmenbedingungen es attraktiv machen, Bäume in die Landwirtschaft zu integrieren, dann können wir nicht nur unsere Klimaziele ganz einfach erreichen, sondern haben nebenbei eine wahnsinnig ästhetische Landwirtschaft", sagt Riecken.
Klimaforscherin: "Mit Agroforst lässt sich viel CO2 binden"
Auch die Landwirtschafts-Expertin Julia Pongratz hält das Agroforsten für eine gute Sache. Sie ist Klimaforscherin und Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Universität München. "Von den 40 Milliarden Tonnen CO2, die die Menschen weltweit pro Jahr ausstoßen, könnten mit nachhaltiger Landwirtschaft wie dem Agroforst ein bis zwei Milliarden Tonnen CO2 aufgenommen werden", schätzt Pongratz. Sie gibt aber auch zu bedenken: "Global gesehen hat Agroforst nicht die größte Durchschlagskraft." Da habe beispielsweise Aufforstung deutlich größere Potenziale.
Der erhöhte Arbeitsaufwand schreckt Landwirte ab
Wenn man über die Sinnhaftigkeit von Agroforst-Wirtschaft urteilen möchte, dürfe man sich aber nicht allein die positiven Treibhausgas-Effekte ansehen. Vielmehr trage das Modell generell zum Erhalt der Ökosysteme bei, indem die Bäume beispielsweise mit ihren tiefen Wurzeln bei Dürre das Wasser länger im Boden halten und lokal die Temperaturen abkühlen können. "Der Landwirt, der diese Ökosystem-Dienstleistungen erbringt, sollte dafür entsprechend entlohnt werden", fordert Pongratz. Abschreckend für viele Landwirte sei beim Agroforst neben den hohen Anfangskosten ein erhöhter Arbeitsaufwand. "Der Landwirt muss viel komplexere Entscheidungen treffen."
Das Problem der klimaschädlichen Rinder-Haltung
Mehr noch als Agroforst-Wirtschaft sei dem Klima aber geholfen, wenn die Menschen weniger Fleisch essen und weniger Milchprodukte zu sich nehmen würden, so Pongratz. Ein großes Problem ist das klimaschädliche Methan, das bei der Rinder-Haltung freigesetzt wird. "Global gesehen gehen von den Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft 25 Prozent auf die Rinder-Haltung zurück", rechnet die Klimaforscherin vor. "Aber gleichzeitig gewinnen wir aus Rindfleisch nur ein Prozent der Kalorien. Die Rinder-Haltung wäre also absolut verzichtbar. Und damit würden wir auf einen Schlag 25 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft einsparen." Fleisch-Verzicht sei nicht nur gut fürs Klima, sondern auch für die Gesundheit, sagt Pongratz.
"Massentier-Haltung sehe ich noch kritischer"
Auch Felix Riecken sieht den Methan-Ausstoß in der Rinder-Haltung als ein grundsätzliches Problem. "Ich glaube aber, dass wir auf unserem Hof mit unseren Rindern einen großen Beitrag leisten, Grünland sinnvoll zu erhalten. Grünland ist im Vergleich zum Acker deutlich klimapositiver. Dennoch ist das Methan ein Punkt, der nicht zu vernachlässigen ist." Aus seiner Sicht ist es jedoch problematischer, "dass Tiere in riesengroßen Zahlen in Pferchen gehalten werden und mit Futtermitteln genährt werden, die von ganz weit weg kommen. Das ist etwas mehr zu kritisieren als unsere idyllische Form der Grünlandschutz-Betreibung", meint der Landwirt aus Schleswig-Holstein.
Felix Riecken will den eingeschlagenen Weg des Agroforstes jedenfalls weitergehen. Bald sollen auf all seinen Weideflächen Bäume stehen.