Methanol statt Diesel: So fahren Schiffe klimafreundlich
Wie können Schiffe klimaneutral auf den Meeren unterwegs sein? Als erstes deutsches Seeschiff wird auf einer Werft in Niedersachsen die "Uthörn II" mit einem Methanol-Antrieb gebaut. Auch die großen Reedereien suchen nach klimafreundlichen Lösungen.
Dass auf der Fassmer-Werft in Berne an der Weser gerade etwas Einzigartiges entsteht, ist nicht zu erkennen - zumindest nicht auf den ersten Blick. Bislang sind etwa drei Viertel der "Uthörn II" fertig gebaut. Immerhin: Die endgültige Form des Forschungsschiffs ist schon zu erahnen. Aber das Besondere fehlt noch: die zwei Motoren im Maschinenraum. Das hindert Michael Klages vom Alfred-Wegener-Institut nicht am Schwärmen: "Dieses Schiff ist ein echter Meilenstein in der Seeschifffahrt." Der Projektleiter für den Neubau bezieht sich auf den Antrieb. Denn als erstes deutsches Seeschiff wird die "Uthörn II" für das Institut mit Methanol als klimafreundlichem Treibstoff unterwegs sein. "Irgendjemand muss ja mal damit anfangen", sagt Klages.
Herkömmliche Diesel-Motoren werden umgerüstet
Bislang setzt das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven für seine Meeres- und Klima-Forschung unter anderem auf die altgediente "Uthörn", die 1982 vom Stapel lief. Mit ihren Diesel-Motoren sorgt das Schiff jedes Jahr für ungefähr 250 Tonnen CO2-Ausstoß - ungefähr so viel, wie 26 Menschen in Deutschland im Jahr erzeugen. Für das Nachfolge-Schiff 'Uthörn II' schlägt das Institut einen anderen Weg ein - "einfach um möglichst CO2-neutral im Schiffsbetrieb zu sein", erklärt Klages. Für dieses Ziel werden nun zwei Dieselmotoren zur Methanol-Verbrennung umgerüstet - speziell für dieses Projekt. Für eine gute Klimabilanz ist allerdings entscheidend, dass das Methanol mit Hilfe von erneuerbaren Energien hergestellt wird. Man spricht dann von "grünem Methanol".
Mit Methanol-Tanks wird das Schiff länger und höher
Der Vorteil von Methanol: Bei der Verbrennung gelangen deutlich weniger Rußpartikel in die Luft als bei Benzin, Diesel oder Schweröl. Eine Herausforderung ist allerdings die im Vergleich zum Diesel nur halb so hohe Energiedichte des Alkohols. Dies hat Folgen für den Schiffsbau: Die neue "Uthörn" bekommt deutlich größere Treibstoff-Tanks, damit sie genügend Methanol für eine weiterhin hohe Reichweite bunkern kann. Zudem muss der sogenannte Ventmast, der den Maschinenraum und andere Bereiche des Schiffes be- und entlüftet, mit rund 15 Metern deutlich höher ausfallen als üblich. Der Grund: Falls mal Methanol austritt, soll die besondere Höhe verhindern, dass das Methanol zu nah am Schiff zu brennen anfängt. Solche "Extras" führen dazu, dass das Methanol-Schiff etwa eineinhalb Millionen Euro mehr kostet als ein vergleichbares Schiff mit herkömmlichem Diesel-Antrieb.
Wäre ein Wasserstoff-Antrieb auch eine Lösung gewesen? "Nein", sagt Projektleiter Klages. "Weil die 'Uthörn II' dann weitere sechs Meter länger sein müsste - denn die Tanks für Wasserstoff brauchen noch mehr Platz als die Methanol-Tanks." Mit Methanol wird das Schiff nun 35 Meter lang: "Das sind schon fünf Meter mehr als bei der alten 'Uthörn'".
Batterien hätten das Schiff zu schwer gemacht
Auch ein Elektro-Antrieb kam für die "Uthörn II" nicht infrage. "Das wäre schlicht und einfach zu teuer gewesen - fast neun Millionen Euro mehr, als im Budget vorgesehen waren" sagt Klages. "Motor und Akku wären da einfach zu teuer gewesen. Und es gibt noch einen anderen Grund: Die Batterie-Packs, die wir hätten planen müssen, um das Schiff voll elektrisch fahren zu können, wären so gigantisch groß geworden, dass wir den Tiefgang, den wir vorher festgelegt haben, nicht hätten halten können. Das Schiff wäre zu schwer geworden."
Reedereien wollen bis 2050 klimaneutral sein
Auch die großen Reedereien in der Container-Schifffahrt suchen nach klimafreundlichen Treibstoffen. Wie kann künftig auf das klimaschädliche Schweröl verzichtet werden? Bisher peilt die Weltschifffahrts-Organisation IMO - eine Organisation der Vereinten Nationen - an, den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid bis 2050 zu halbieren - im Vergleich zu 2008. Dem Welt-Reederverband ICS reicht das nicht: In dreißig Jahren solle gar kein zusätzliches CO2 mehr in die Atmosphäre gelassen werden, so die Forderung. "Unsere Branche will bereits im Jahr 2050 klimaneutral sein", sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Alfred Hartmann, Anfang November 2021. "Klimaschutz erlaubt keinen Aufschub mehr." Manche Reedereien wollen daher beim Treibstoff vom Schiffsdiesel auf Flüssiggas (LNG) oder Ammoniak umschwenken, andere halten Methanol für geeigneter.
Container-Riese Maersk setzt auf Methanol-Schiffe
Auch die größte Container-Reederei der Welt hat den Klimaschutz für sich entdeckt: Die dänische Reederei Maersk hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 alle Transporte CO2-frei durchzuführen. Und so hat Maersk - quasi als ersten Schritt - im Sommer 2021 acht Containerschiffe bestellt, die mit Methanol fahren können. Kaufpreis: 150 Millionen Euro pro Schiff. Die neuen Containerschiffe seien etwa 15 Prozent teurer als herkömmliche Frachter. Das erste Methanol-Schiff soll schon in zwei Jahren im Einsatz sein. "Grünes Methanol kann man fast verwenden wie Diesel", schwärmt der Maersk-Vorstandsvorsitzende Søren Skou. "Wir können sogar unsere alten Schiffe umrüsten für Methanol."
Die neuartigen Schiffe werden fürs Erste aber nur einen sehr geringen Teil der Flotte ausmachen. Insgesamt betreibt Maersk mehr als 700 Schiffe, die eine "Lebensdauer" von 20 bis 25 Jahren haben. Im Laufe des Jahres 2020 stießen allein die Maersk-Schiffe rund 33 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus.
Ein Problem: Es gibt zu wenig "grünes Methanol"
So klimafreundlich "grünes Methanol" auch sein mag: Noch ist der Treibstoff nicht im großen Stil auf dem Weltmarkt verfügbar. Allein Maersk gibt seinen Bedarf mit 400.000 Tonnen Methanol pro Jahr an - und es könnte noch viel mehr werden, wenn alte Schiffe erst einmal umgerüstet sind. Um nicht von der Verfügbarkeit von "grünem Methanol" abhängig zu sein, können die Motoren auf den Methanol-Schiffen auch mit Diesel angetrieben werden.
10 Cent Mehrkosten für ein Paar Turnschuhe
Und noch ein Punkt macht Methanol aus Reeder-Sicht eigentlich unattraktiv: Der umweltschonende Treibstoff ist viel teurer als Schiffsdiesel. Derzeit gibt Maersk für seinen Diesel sechs Milliarden Dollar pro Jahr aus. Mit Methanol könnte die Treibstoff-Rechnung zwei- bis dreimal so hoch ausfallen - sprich zwölf bis 18 Milliarden Dollar. Eine gigantische Summe. Aber die Bilanz sieht ganz anders aus, wenn man die höheren Treibstoff-Kosten auf ein Paar Turnschuhe herunterbricht, das per Schiff in einem Container von Asien nach Europa transportiert wird. "Dann macht der klimafreundliche Transport nur 10 Cent mehr pro Turnschuh-Paar aus", rechnet Maersk-Chef Skou in einem "Spiegel"-Interview vor.
Skou erhofft sich mit den Methanol-Schiffen einen Wettbewerbs-Vorteil gegenüber anderen Reedereien. Immer mehr Großkunden würden einen klimaneutralen Transportweg für ihre Waren einfordern, so Skou. Darunter seien internationale Konzerne wie Amazon, Disney, H&M, Levi Strauss und Microsoft.
Jeder Staat kann für seine Häfen Klimapolitik machen
Aber nicht nur die Wirtschaft muss sich rühren - auch die Politik sei gefragt, meint Sabine Schlacke in der dritten Folge des Podcasts "Mission Klima - Lösungen für die Krise" von NDR Info. Sie ist Professorin für Umweltrecht in Greifswald und sitzt im Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen. Schlacke verweist darauf, dass Staaten - auch ohne internationale Abkommen - Standards für ihre Häfen festlegen können. "Dies ist völkerrechtlich völlig unproblematisch." Auf diese Weise könnten Reeder beispielsweise dazu verpflichtet werden, bestimmte Häfen nur mit klimafreundlichen Treibstoffen anzufahren. Falls Deutschland für den Hamburger Hafen solch eine Regelung einführe, "müsste sich dann auch der Reeder aus China daran halten", macht Schlacke deutlich.
"Eine Koalition der Willigen ist nötig"
Die EU hat schon konkrete Pläne: Sie will die Schifffahrt zu mehr Klimaschutz verpflichten, indem die Branche in den europäischen Handel mit CO2-Zertifikaten einbezogen wird. Über die genaue Ausgestaltung wird noch verhandelt. "Die EU sollte für die Schifffahrt einen kräftigen Emissionshandel formulieren und verpflichtend festlegen", fordert Schlacke. Über den europäischen Raum hinaus sollte sich die EU dann um "eine Koalition der Willigen" bemühen, um den CO2-Ausstoß auf den Weltmeeren zu drosseln.
Je mehr mitmachen, umso günstiger wird es
Beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven gibt es den Willen zu mehr Klimaschutz schon - auch wenn das Methanol als Treibstoff viel mehr kostet. Projektleiter Klages setzt für die Zukunft auf das Prinzip Hoffnung: "Wenn sich die Methanol-Motoren im Seeschiffs-Betrieb bewähren und immer mehr Kunden kommen, dann wird der Preis mittelfristig wahrscheinlich runtergehen." Dass Methanol ein alltagstauglicher Treibstoff für die Schifffahrt sein kann, zeigt das Beispiel der "Stena Germanica": Die Fähre verkehrt seit 2015 zwischen Kiel und Göteborg mit Methanol.
"Grünes Methanol" aus der Nachbarschaft?
Mittelfristig könnte es dem Alfred-Wegener-Institut gelingen, den Treibstoff sogar direkt aus der Nachbarschaft zu beziehen. Aktuell entsteht nur drei Kilometer vom Instituts-Hauptgebäude entfernt ein großes Kompetenz-Zentrum für Wasserstoff. In einem Modellprojekt soll dort mit dem regenerativen Strom einer Windenergie-Anlage Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden. Aus diesem "grünen" Wasserstoff und dem CO2 aus einer nahen Kläranlage könnte im nächsten Schritt "grünes" Methanol synthetisiert werden, dessen Verbrennung lediglich diejenige Menge Kohlendioxid freisetzt, die bei der Produktion zuvor gebunden wurde.
Klages kann sich jedenfalls gut vorstellen, weitere Methanol-Schiffe zu bestellen. Denn derzeit hat das Alfred-Wegener-Institut fünf Forschungsschiffe - und die fahren noch alle mit Diesel. Aber der Anfang ist ja jetzt gemacht: mit der "Uthörn II".