Silvester im Norden: Viel Geböller, zwei Tote, zahlreiche Verletzte
Polizei und Feuerwehr in Norddeutschland sind in der Silvesternacht zu mehr Einsätzen ausgerückt als in den Vorjahren. In SH kamen zwei Menschen ums Leben. Nach den Corona-bedingten Einschränkungen durfte wieder Feuerwerk gezündet werden.
Das erste "normale" Silvester nach zwei Jahreswechseln mit Corona-Verboten haben die Menschen im Norden teils ausgelassen "gefeiert": Viele Straßen und Parks wurden mit Müll übersät - tonnenweise Reste von Feuerwerkskörpern, Tausende zerbrochene Flaschen und andere Abfälle dürften die Straßenreinigungen noch tagelang beschäftigen, falls der Wind den Müll nicht vorher in die Natur weht. Es gab zahlreiche Verletzte durch den Umgang mit Böllern und Raketen. Angesichts der Millionenschäden bundesweit und auch der offenbar wachsenden Zahl von Angriffen gegen Polizei und Feuerwehr, sprach sich unter anderem die Gewerkschaft der Polizei Berlin für ein weitgehendes Böllerverbot aus. "Wir haben deutschlandweit gesehen, dass Pyrotechnik ganz gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt wird", sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. Das müsse ein Ende haben.
Hamburg: Rakete explodiert im Bein eines 32-Jährigen
In Hamburg wurde ein 32-Jähriger in einer Fußgängerzone im Stadtteil Billstedt durch die Silvesterrakete eines anderen Mannes schwer verletzt. Wie die Polizei mitteilte, war die gezündete Rakete in den Unterschenkel des Mannes eingedrungen und dort explodiert. Der Unbekannte, der die Rakete abgefeuert hatte, flüchtete. Gesucht wird nun nach einem schlanken Mann Mitte 20, der in Begleitung einer Frau und dreier Kinder war.
Tausende Hamburgerinnen und Hamburger zündeten an den Landungsbrücken Feuerwerk. Auch auf der Reeperbahn vergnügten sich Tausende - aufgrund milder Temperaturen um 15 Grad und viel Alkohol teilweise sogar im T-Shirt. Entlang der beliebten Hamburger Partymeilen wurden Musik und Geböller häufig von Sirenen von Polizei und Rettungswagen begleitet. Um dem hohen Einsatzaufkommen in der Silvesternacht gerecht zu werden, waren für Feuerwehr und Rettungsdienst in Hamburg zusätzlich 45 Rettungswagen und zehn Löschfahrzeuge unterwegs.
Feuerwehr: "Erschreckende Bilanz"
Die Hamburger Feuerwehr sprach von einer "erschreckenden Silvester-Neujahrs-Bilanz". Einsatzkräfte seien während der Nacht mit Feuerwerkskörpern "aggressiv angegangen, regelrecht beschossen" worden. Im Stadtteil Hausbruch etwa standen rund 50 Menschen um eine brennende Mülltonne herum. Als Feuerwehrleute den Brand löschen wollten, seien sie mit Böllern beworfen worden. Zudem wurden die Scheiben von zwei parkenden Autos eingeworfen. Die Polizei nahm eine Person mit zur Wache.
Am U-Bahnhof Dehnhaide kam es zu einer Schlägerei mit etwa zehn Beteiligten. Ein Mann wurde dabei durch Messerstiche im Oberkörper getroffen und lebensgefährlich verletzt. Streit gab es auch an einer Bushaltestelle in Horn, wie NDR 90,3 berichtete. Dort hatten Jugendliche eine Rakete auf einen Mann gefeuert und ihn am Arm getroffen. Er schrie die jungen Leute an, bis einer der Jugendlichen den Mann mit einer Schreckschusspistole bedrohte und ihm damit auf den Kopf schlug. Der Verletzte musste ins Krankenhaus.
Polizeioberrat Jan Müller sprach dennoch von einem "friedlichen und gesitteten Miteinander" in Hamburg. Man habe mit noch mehr "Trubel" gerechnet. Mit rund 1.200 Polizeieinsätzen sei aber nicht das Niveau der Vor-Pandemie-Zeit erreicht worden.
Niedersachsen: Verdacht auf Tötungsversuch in Hannover
Mit viel privatem Feuerwerk haben auch die Menschen in Niedersachsen das neue Jahr 2023 "begrüßt". In der Landeshauptstadt Hannover drängten sich Tausende im Zentrum. Es habe viele Einsätze gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei. Gegen mehrere Menschen werde wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz ermittelt. Nach einer Auseinandersetzung am Hauptbahnhof nahm die Polizei Ermittlungen gegen einen 26-Jährigen auf wegen Verdachts auf versuchte Tötung. Der Mann habe sich am Neujahrsmorgen mit einem 25-Jährigen gestritten. Nach einer kurzen Schlägerei sei der Jüngere zu Boden gegangen, der Ältere habe ihn dann mehrere Male mit Wucht gegen den Kopf getreten, sodass der 25-Jährige ins Krankenhaus musste.
In Garbsen (Region Hannover) hätten sich zwei Gruppen Jugendlicher gegenseitig beschossen. Als die Polizei dazu kam, seien die Beamten attackiert worden, ehe die Täter flüchteten. Nach Mitternacht seien erneut in Garbsen Einsatzkräfte der Feuerwehr mit Pyrotechnik beworfen worden. Vier Feuerwehrleute wurden leicht verletzt. Übergriffe auf Beamte vermeldet auch die Polizei in Peine: Im Bereich der Nord-Süd-Brücke wurden demnach Polizeikräfte aus einer etwa 60-köpfigen Menschenmenge mit Böllern attackiert. Eine Polizistin sei verletzt, mehrere Einsatzwagen seien beschädigt worden.
Ronnenberg: 46-Jähriger schwer verletzt nach Böller-Detonation
Infolge einer Böller-Detonation in Hannover-Ronnenberg wurde ein Mann schwer verletzt und musste notoperiert werden. In Hildesheim wurden mehrere Menschen durch Pyrotechnik leicht verletzt - darunter auch mindestens zwei Kinder. Unter anderem hatte ein Unbekannter Raketen in eine Menschengruppe auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgefeuert. Dabei wurde ein zwölfjähriges Kind am Bein verletzt.
In Nordhorn stach ein 23-Jähriger in der Silvesternacht nach einem Streit auf seinen 46-jährigen Onkel ein. Der 23-Jährige floh zunächst, wurde aber später festgenommen. Wie zu der Auseinandersetzung kam, ist unklar.
50 Rinder brechen wegen Silvesterlärm aus: Unfall mit Auto
Etwa 50 Rinder, die vermutlich durch die Silvesterknallerei aufgeschreckt wurden, brachen im Landkreis Cuxhaven aus ihrem Stall aus. Nach Angaben der Polizei kollidierte ein 19-Jähriger mit seinem Auto auf einer Landstraße mit drei der Rinder. Mindestens zwei Tiere starben, der Fahrer wurde leicht verletzt.
In Oldenburg, Osnabrück und Lüneburg mussten die Beamten laut Polizei zu Bränden, Schlägereien und Ruhestörungen ausrücken. In Quakenbrück (Landkreis Osnabrück) wurde in der Silvesternacht ein Haus durch ein Feuer schwer beschädigt und ein Carport und ein Auto zerstört.
In Bremerhaven mussten zwischenzeitlich 40 Bewohnerinnen und Bewohner eines Mehrfamilienhauses wegen eines Brandes ihre Wohnungen verlassen. Insgesamt wurde die Polizei in Bremen in der Silvesternacht zu rund 280 Einsätzen gerufen.
Schleswig-Holstein: Zwei Tote in der Neujahrsnacht
Auch in Schleswig-Holstein mussten Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht zu Hunderten Einsätzen ausrücken. Ein 21-jähriger Mann kam in Neumünster ums Leben, nachdem er einen noch glimmenden Grill in die Wohnung gestellt hatte. Er erlitt eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, wie die Feuerwehr mitteilte. Seine 54 Jahre alte Mutter kam lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus.
In Elmshorn geriet ein Carport in Brand, das Feuer griff auf ein Doppelhaus über. Ein lebensgefährlich verletzter Hausbewohner starb später im Krankenhaus. Starker Wind hatte der Feuerwehr zufolge die Ausbreitung des Brandes begünstigt. In der Spitze seien mehr als 130 Feuerwehrleute im Einsatz gewesen. Auch in Lauenburg, Neumünster und in Havetoft im Kreis Schleswig-Flensburg standen Häuser in Flammen. In Kiel-Elmschenhagen brannten mehrere Autos auf einem Parkdeck. Die Feuerwehr in Kiel erklärte, die Lage im Rettungsdienst sei am Silvestertag schon in den Nachmittagsstunden angespannt gewesen. Auffällig waren demnach teils schwere Verletzungen durch Feuerwerkskörper.
Auch im Kreis Nordfriesland gab es einen Unfall durch ein offenbar von Böllern erschrecktes Rind. Es lief auf die Gleise der Bahnstrecke Westerland-Hamburg und wurde von einem Zug erfasst. Die 60 Reisenden in dem Zug blieben unverletzt, das Tier starb. Die Zugstrecke war für eineinhalb Stunden gesperrt.
Mecklenburg-Vorpommern: 500 Einsätze in der Nacht
Auch in Mecklenburg-Vorpommern hatten die Einsatzkräfte viel zu tun. Das Polizeipräsidium Rostock registrierte rund 300 Notrufe, die meisten kurz nach dem Jahreswechsel. Die Polizei in den Inspektionsbereichen Stralsund, Anklam und Neubrandenburg verzeichnete in der Silvesternacht rund 200 Einsätze. Dazu zählten Ruhestörung, unsachgemäßes Abbrennen von Pyrotechnik und Auseinandersetzungen zwischen Feiernden. Die Zahl der Einsätze entspreche damit etwa wieder dem Niveau vor der Corona-Pandemie, teilte die Polizei mit. Etwa 40 Menschen wurden demnach bei Unfällen, beim Abbrennen von Feuerwerk oder bei Schlägereien verletzt.
Sprengstoff auf Rathaus geworfen - Zehntausende Euro Schaden
In Grabow (Landkreis Ludwigslust-Parchim) wurden nach Angaben der Polizei das 1727 erbaute Rathaus und umliegende Häuser massiv durch Pyrotechnik mit großer Sprengkraft beschädigt. "Vor dem Rathaus war ein Scherbenmeer", sagte Bürgermeisterin Kathleen Bartels. Der Schaden wird auf 30.000 Euro geschätzt. In Torgelow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) brannte es in einer Wohnung, nachdem eine Feuerwerksrakete durch ein Fenster in den Innenraum geflogen war. Vier Bewohner kamen ins Krankenhaus. Ein weiterer Brand mit einem geschätzten Schaden von rund 150.000 Euro ereignete sich Carpin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte). Dort brannten ein Carport und ein darunter abgestellter Pkw.