Rüstungs-Zulieferer Vincorion in Wedel erlebt Boom
Die europäische und deutsche Politik wollen Hunderte Milliarden Euro für die Verteidigung mobilisieren. Schon jetzt ist ein Boom in der Rüstungsbranche zu spüren - auch bei kleineren Unternehmen, wie dem Zulieferer Vincorion im schleswig-holsteinischen Wedel.
Marko Schomaker schraubt gerade das Getriebe für einen Schützenpanzer "Puma" zusammen. Vier Stück von dieser Baugruppe will er heute fertigstellen, damit der Antrieb den Turm drehen kann - und die Waffe auf dem Panzer stabil bleibt, auch wenn der seine Fahrtrichtung ändert. "Wir machen mehrere Baugruppen, natürlich auch noch für den 'Leopard 2A7' und für die Panzerhaubitze 2000", erzählt Schomaker, der schon lange bei Vincorion arbeitet. "Das wird nicht alles nur zusammengesteckt, da muss man feinfühlig mit der Baugruppe umgehen, damit auch hinterher alles passt." Vincorion liefert Komponenten für alle großen Panzer, aber auch für die Luftverteidigung und Energieversorgungssysteme.
Viele neue Kollegen - etwa aus der Autoindustrie
Mechaniker Schomaker ist schon seit 19 Jahren bei dem Rüstungsunternehmen in Wedel tätig. Aktuell kämen viele neue Kollegen, zum Beispiel aus der Autoindustrie zu ihnen in die Rüstung. 900 Mitarbeiter zählt der Betrieb. Die Bewerberzahlen hätten sich verdoppelt, erzählt Schomaker. "Ich freue mich, dass die Bücher voll sind, dass wir viel Arbeit haben, viele neue Kollegen dazukommen und ich mein Wissen immer weitergeben kann."
Einer der Neuen ist Norman Schultz, der seit etwas über einem Jahr bei Vincorion beschäftigt ist. Seine Ausbildung hat der 24-Jährige bei der Bundeswehr gemacht. Jetzt bildet er sich fort zum Techniker in Elektrotechnik. Zum Thema Aufrüstung und seiner neuen Arbeit sagt er: "Es ist nun einmal so, dass wir jetzt in solchen Zeiten leben, dass sowas leider nun nötig ist. Dementsprechend braucht man da prinzipiell jeden, der sich dafür begeistern kann. Meine Freunde haben inzwischen Verständnis dafür - ich habe zwar noch nicht alle überzeugt bekommen, aber sie stehen dem auf jeden Fall nicht mehr negativ gegenüber."
Produktion wird umgestellt auf Serienfertigung
Immer mehr Schritte der Produktion sollen bei Vincorion in Zukunft in Serienfertigung erfolgen. Vom Manufakturbetrieb zur industriellen Fertigung. Vereinzelt arbeitet Schultz schon so, etwa wenn es um den Einbau der Stromerzeugung im "Puma" geht. "Wir haben hier ein System, was einem die Arbeitsschritte vorsagt - etwa 'nimm den Schrauber'. Und mir wird automatisch auch schon die richtige Drehung eingestellt. Das sind alles Schritte, die man davor selber machen musste."
Das Wedeler Unternehmen wächst rasant. Die Halle zwei, in der Schultz und Schomaker arbeiten, soll in einem Jahr ganz anders aussehen - mit mehr Fachkräften und neuen Fertigungsstraßen. Fließbänder und Roboter wie bei den Automobilkonzernen soll es aber trotzdem nicht geben. Es sollten weiter Menschen arbeiten, aber in Serie, erzählt Marco Lienau, Teamleiter Gerätemontage. "Unsere Partner, die Systemhäuser wie KNDS, Rheinmetall, Krauss Maffei, müssen den Markt bedienen. Und die erwarten von uns die Bedienung dieser Komponenten, die wir liefern."
"Nachfrage wie ein Tsunami hereingebrochen"
Die Nachfrage sei über Vincorion hereingebrochen wie ein Tsunami, sagt Sascha Brüning, Leiter Business Development & Sales. Früher habe es einen Großauftrag in vier Jahren gegeben, heute gebe es vier Großaufträge in einem Jahr. Man wolle die Nachfrage jetzt bedienen und nicht in fünf Jahren, so Brüning. Doch dazu müssten das Beschaffungswesen reformiert und Aufträge schneller und direkter vergeben werden. Und man brauche mehr Planungssicherheit.
"Wir stehen hier als Unternehmen vor der Herausforderung, in naher Zukunft Investitionen in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag tätigen zu müssen", erläutert Brüning. "Und daher kommt immer der Appell, eine gewisse Planungssicherheit haben zu müssen - denn ein solcher Betrag ist für ein mittelständisches Unternehmen ein hoher Invest. Und das können wir nicht nur mit einem guten Fünf-Jahres-Horizont planen, da brauchen wir mehr Verbindlichkeit und Weitsicht aus der Politik."
Unternehmen sieht Image der Rüstungsbranche verbessert
Vincorion beliefert hauptsächlich die Bundeswehr, aber auch andere NATO-Länder und Staaten wie Südkorea. Die Ausweitung der Produktion sei in vollem Gange, heißt es vom Unternehmen. Und auch das Image der Rüstungsbranche selbst habe sich verbessert. Der 24-jährige Schultz sieht dort seine Zukunft. "Um auch meinen Teil dafür zu leisten, um Deutschland sicherer zu machen und dafür zu sorgen, dass niemand auf die Idee kommt, einen NATO-Staat oder Deutschland selber anzugreifen - weil wir Material haben, um dem etwas dagegen zu setzen. Man kann das nicht mit Stöcken abwehren, sondern mit Hochtechnologie im besten Fall."
