Eine beleuchtete Riesen-Pyramide auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt. © Colourbox Foto:  Rico Ködder
Eine beleuchtete Riesen-Pyramide auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt. © Colourbox Foto:  Rico Ködder
Eine beleuchtete Riesen-Pyramide auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt. © Colourbox Foto:  Rico Ködder
AUDIO: Wie Einzelhändler auf das Weihnachtsgeschäft blicken (8 Min)

Schwerin: Einzelhändler bangen um das Weihnachtsgeschäft

Stand: 08.11.2022 13:52 Uhr

Ab November startet das Weihnachtsgeschäft für die Einzelhändler. Durch die Inflation und die Energiekrise sind viele Kunden mit Einkäufen zurückhaltend. Ein Stimmungsbild aus Schwerin.

von Wiebke Neelsen und Melanie Böff

In den Schaufenstern des Modehauses Kressmann wird schon weihnachtlich dekoriert – seit 1885 steht es prominent in Schwerins Boulevardzone. Pünktlich zum 1. Advent soll es erstrahlen und Kundschaft ins Kaufhaus locken.

Das Schweriner Modehaus Kressmann mit Fahnen an der Fassade. © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Das große Modehaus Kressmann in der Schweriner Innenstadt will mit kleinen Kulturevents Kunden anziehen.

Filialleiterin Evelyn Hoffmann will - wie jedes Jahr - eine emotionale Atmosphäre schaffen, das diesjährige Weihnachtsmotto aber noch nicht verraten: "Wir haben schon so viele schöne Sachen gemacht. Es ist was ganz besonders, wenn man morgens zur Arbeit kommt und die kleinen Kinder stehen an den Schaufenstern mit ihren Eltern. Das ist die Chance für uns alle. Dass wir einen Ausfallschritt aus den täglichen Sorgen machen - und dafür ist Weihnachten das beste Fest des Jahres."

Eine Kundenbindung, die Kressmann erklärtermaßen durch das ganze Jahr ziehen will: Es gibt thematisch wechselnde Dekorationen, regelmäßige Kulturveranstaltungen in dem hauseigenen Café im 1. Stock. Es scheint sich auszuzahlen: Die eher ältere Zielgruppe bleibe auch in Krisenzeiten treu, sagt Hoffmann. Allerdings würde sich die Frequenz beim Einkauf verringern - mit einer deutlichen Zurückhaltung am Monatsende. Dennoch ist die Filialleiterin mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft vorsichtig optimistisch.

Das laufende Jahr ist das schlechteste seit Geschäftsbeginn

Ein Tisch, ein Elefanten-Modell und Postkarten vor dem Schweriner Laden Hobbypunkt. © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Der Hobbypunkt hat mit steigenden Einkaufspreisen und Lieferengpässen zum Beispiel bei Papier und Filz zu kämpfen.

Kundenbindung über emotionale Erlebnisse und Veranstaltungen schaffen - das versuchen auch Kerstin Urban und Heike Meier vom Laden Hobbypunkt im Einkaufszentrum Schweriner Höfe. Trotzdem ist das laufende Jahr das mit Abstand schlechteste in ihrer achtjährigen Zeit als Geschäftsführerinnen. Ständige Preiserhöhungen von Herstellern, dazu gravierende Lieferengpässe oder gleich komplett gestrichene Sortimente; etwa im Bereich Papeterie, Filzmaterialien oder Goldfarben.

Dazu komme die Kaufzurückhaltung ihrer Kundinnen und Kunden, wohl ausgelöst durch die zurzeit zahlreichen Krisenherde, sagt Kerstin Urban: "Das ist wie in so einer Schockstarre und man kann dann auch schlecht kreativ sein, wenn man Angst hat. Wenn ich positiv in die Zukunft gucken kann, dann habe ich da auch mehr Muße. Die unsichere Zukunft für unsere Kunden ist die unsichere Zukunft auch für uns. Die Rücklagen - alles schmilzt, alles wird weniger, man kämpft eigentlich ums Überleben und um die Existenz."

Lieferengpässe bei Lebensmitteln verändern die Speisekarte

cc © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Nicole Menke-Borchers und Priska Gröger vom Weinhaus Wöhler setzen auf Weihnachtsfeiern.

Dass die Menschen weniger Geld ausgeben, bemerkt auch Nicole Menke-Borchers vom Weinhaus Wöhler. Zwar lägen schon Reservierungen für Weihnachtsfeiern und Familienessen vor. Die Zukunft des mehr als 200 Jahre alten Weinhauses sei keinesfalls gefährdet. Der Sommer aber sei der schlimmste seit Langem gewesen. Und auch das Kaufverhalten in der ans Hotel und Restaurant angedockten Weinhandlung habe sich verändert. "Also die Preisklassen sind andere. Es gibt kleinere Präsente, die schon bestellt sind, es sind dann mal zwei Flaschen, die zusammengestellt werden oder drei, aber nichts Großes mehr", sagt die Geschäftsführerin. Zudem gebe es insbesondere bei bestimmten Lebensmitteln für das Restaurant Lieferengpässe.

Steigende Energiekosten und Lieferengpässe machen Planung schwierig

Hüte in einem Schweriner Hutsalon. © NDR Foto: Wiebke Neelsen
Filz für Hüte ist manchmal nicht lieferbar.

Ein Problem, das ähnlich auch die beiden Modistinnen aus dem Hutsalon Rieger am Großen Moor haben. Es mangele an Stoffen und Filzen, sagt Marie Rieger. "Wir hatten bei einigen Firmen, die haben uns im Februar schon erklärt, wir können erst im August, September liefern. Die können die Webstühle ja nicht mit nach Hause nehmen und dadurch, dass da auch nur in Kurzarbeit gearbeitet worden ist, ist natürlich auch weniger produziert worden. Und jetzt wird wahrscheinlich, weil die Energiekosten steigen, weniger produziert."

Aber auch die Kundschaft hätte sich zuletzt zurückgehalten - wegen der Inflation, aber vor allem wegen des zuletzt noch milden Wetters. Hüte und Mützen seien noch nicht so gefragt gewesen wie sonst zu dieser Jahreszeit. Marie Rieger hofft, dass sich das im Weihnachtsgeschäft bald ändert.

Statistiken belegen gedämpfte Kaufstimmung

Die Eindrücke der Einzelhändler belegen Umfragen der Konsumforschung. Nach einer Geschäftsklima-Umfrage des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) fühlen sich knapp zwölf Prozent der Einzelhändler in ihrer Existenz bedroht. Das liegt deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Wert der Umfrage, der bei sieben Prozent liegt.

Schon im Herbst hätten die Händler, laut Ifo-Institut, weniger Kunden als im Sommer gehabt. Dass sich dieser Trend fortsetzen könnte, ist nach Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wahrscheinlich. Ausreißer nach oben könnten jedoch groß beworbene Schnäppchen-Tage wie der Black Friday oder auch Cyber Monday sein.

Gespart wird bei Streaming-Abos und Essenslieferungen

Laut der Wirtschaftsauskunftsdatei CRIF sparen die Menschen da, wo es für sie am einfachsten ist - bei den nicht unbedingt nötigen Dingen im Alltag. Ganz oben stehen Streamingdienst-Abonnements und Lieferdienste für Essen. Mehr als die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass das noch nicht reichen wird. Sie stellen schon jetzt größere Anschaffungen zurück - so wie Küchen oder Elektrogeräte.

Auch am Weihnachtsfest soll gespart werden. Die Online-Handelsplattform eBay hat in einer repräsentativen Studie ermittelt, dass sich zwei Drittel der Befragten beim Schenken und Feiern einschränken werden. Das heißt konkret: Weniger Geschenke, kleinere Weihnachtsbäume und weniger üppige Festessen.

Helfen die Energiepreis-Entlastungspakete den Konsumenten?

Die Entlastungspakete seien eine gute Voraussetzung dafür, dass das Weihnachtsgeschäft 2022 an Vorjahreswerte herankommen könne, meint der Handelsverband Deutschland (HDE). Zur Zeit lägen die Umsätze noch rund ein Drittel unter denen des Vor-Corona-Jahres 2019.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft | 08.11.2022 | 06:36 Uhr

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