Offshore-Windparks als Spionageziel: "Das macht uns große Sorgen"
Russland spioniert offenbar systematisch kritische Infrastruktur in der Ostsee aus. Damit wolle es Unsicherheit schüren, sagt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore. Der Schutz der Anlagen dürfe nicht allein den Betreibern überlassen werden.
Das internationale Rechercheprojekt "Russian Spy Ships", an dem in Deutschland NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" beteiligt waren, hat aufgedeckt, wie russische Schiffe kritische Infrastruktur in Nord- und Ostsee ausspionieren. Neben innereuropäischen Gaspipelines und Stromkabeln stehen auch Offshore-Windparks in der Ostsee im Fokus des russischen Interesses. Diese liegen oft nicht in den Hoheitsgewässern der Staaten, sondern in den vorgelagerten Ausschließlichen Wirtschaftszonen im Meer.
Thimm: Russland will Investoren verunsichern
"Das macht uns große Sorgen", sagte Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore BWO, im Interview auf NDR Info. Offshore-Windenergie sei ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende und damit auch der zukünftigen Unabhängigkeit der europäischen Energieversorgung. "Das ist natürlich eine wirtschaftliche Triebfeder für Russland, um Unsicherheit zu streuen, um Investoren zu verunsichern", sagte Thimm. Investoren, die in einen Offshore-Windpark investieren, gäben mehrere Milliarden Euro aus, um mit diesen Investitionen hinterher wieder Geld zu verdienen und zudem einen wesentlichen Beitrag für die Versorgungssicherheit in Deutschland zu leisten. "Wenn die Anlagen am Ende nicht mehr in der Lage sind, Strom zu erzeugen und Strom einzuspeisen, dann ist dieses Investment gefährdet", so Thimm.
Ähnlich hatte auch Generalleutnant a.D. Hans-Werner Wiermann argumentiert und die Abhängigkeit des russischen Wirtschaftsmodells vom Verkauf fossiler Brennstoffe betont: "Es ist nicht im Interesse Russlands, dass die Energiewende in Europa rasch vorangeht. Wir müssen davon ausgehen, dass Putin auch vieles unternehmen wird, um diese Energiewende zu verlangsamen." Wiermann sieht die Spionagefahrten russischer Schiffe in Offshore-Windparks deshalb als "Teil der hybriden Angriffe".
Schwierigkeit des Anlagenschutzes auf hoher See
Es gebe bereits heute Schutz- und Sicherheitskonzepte für die Windparks im Meer, sagte Thimm. "Die zeigen auch Wirkung insofern, als dass unsere Offshore-Windparks sehr gut funktionieren und auch stabil laufen", sagte Thimm. Aber er gibt auch zu bedenken: "Wir sind in einer ganz besonders exponierten Lage, zum Teil 300 Kilometer vor der deutschen Küste." Es sei äußerst schwierig, diesen Seeraum über und unter Wasser ordentlich zu überwachen.
Mittlerweile gebe es eine Meldekette, sollten von den Windparkbetreibern etwa bei Wartungsarbeiten verdächtige Schiffsbewegungen wahrgenommen werden. "Das geht an das maritime Sicherheitszentrum und von dort aus werden dann die Behörden aktiv, schalten gegebenenfalls die Bundespolizei ein, um dann dieses Schiff aus den Gewässern herauszuleiten", erklärte Thimm.
Bund plant Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur
Der Bund plant derweil ein Gesetz zum Thema Schutz der kritischen Infrastruktur. Dazu gehören zum Beispiel Energieunternehmen, Wasserwerke, Banken, Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser und Telekommunikationsanbieter. Bislang entscheiden die Betreiber weitgehend selbst, wie viel Geld und Personal sie investieren, um ihre Anlagen zu schützen. Mit dem geplanten Gesetz soll es zum ersten Mal bundesweite Vorgaben geben. Eckpunkte für das Gesetz wurden bereits Ende 2022 verabschiedet, zwei Gesetzentwürfe vom Innenministerium geliefert. Doch bislang hat das Kabinett noch keinen beschlossen. Das Innenministerium hatte vor Wochen angekündigt, das Gesetz sehr bald auf den Weg bringen zu wollen. Denn die Zeit drängt. Bis Mitte Oktober muss die Bundesregierung EU-Vorgaben etwa für die Betreiber von Kraftwerken und Krankenhäusern umsetzen.
Die Betreiber kritischer Infrastruktur sollen verpflichtet werden, Pläne zum Schutz ihrer Anlagen auszuarbeiten. Der Gesetzentwurf zählt viele Maßnahmen auf, die notwendig sein könnten, zum Beispiel Zäune zu bauen oder Wachpersonal einzustellen, um Anlagen vor Sabotage zu schützen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll einen Katalog mit Mindestanforderungen erarbeiten. Störungen sollen die Betreiber in Zukunft innerhalb von 24 Stunden an eine zentrale Stelle melden. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, dem droht ein Bußgeld. Unklar ist bislang jedoch, wie teuer das Ganze für die Wirtschaft wird.
Verband: Verteidigung der Energieversorgung nicht Aufgabe von Privaten
"Grundsätzlich finden wir es schwierig, dass hier die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen in die Verantwortung genommen werden sollen, um Vorfälle zu verhindern oder abzuwehren", sagte Thimm zu den Plänen. "Wir erzeugen klimaneutralen Strom und wir beschäftigen Servicetechniker. Diese Servicetechniker sind keine an Waffen ausgebildeten Soldaten." Es könne nicht sein, dass die Verteidigung der staatlichen Daseinsvorsorge und der Energieversorgung Aufgabe von Privaten wird.