Russlands Spionage-Schiffe: Sorge vor Unterwasser-Sabotage

Stand: 21.04.2023 05:24 Uhr

Für den Fall eines sich ausweitenden Konfliktes mit dem Westen bereitet Russland die Sabotage von Offshore-Windparks, unterseeischen Gasleitungen und Seekabeln in Nord- und Ostsee vor. Das ist das Ergebnis einer Recherche der öffentlichen Rundfunkanstalten Skandinaviens.

von Martin Möller

Die Recherchegruppe von DR (Dänemark), SVT (Schweden), NRK Norwegen und Yle (Finnland) hat versucht, Routen und Aktivitäten sogenannter "Dark Ships" in Nord- und Ostsee zu rekonstruieren. Solche "dunklen Schiffe" fahren inkognito. Sie senden weder Positionen noch Daten, die Rückschlüsse auf den Zweck ihres Einsatzes geben könnten. Den Journalisten ist es schließlich gelungen, mit Hilfe von Protokollen des Funkverkehrs der russischen Flotte die Kurse einzelner Schiffe nachzuzeichnen, da sie in unregelmäßigen Abständen ihre Positionen an die Flottenbasis senden.

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Der russische Rettungsschlepper "SB-123" (links im Hintergrund) © picture alliance/dpa/TASS | Vitaly Nevar Foto: picture alliance/dpa/TASS | Vitaly Nevar

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"Admiral Wladimirsky": Ein Forschungsschiff als Ausforschungsschiff

Ein Beispiel ist die Seereise der "Admiral Wladimirsky" im November vergangenen Jahres. Offiziell ist es ein Forschungsschiff, aber es wird nach Erkenntnissen von Danmarks Radio auch für Spionage-Zwecke eingesetzt. Mit Hilfe des Funkverkehrs der "Admiral Wladimirsky" wurde die Route des knapp 150 Meter langen Schiffes schließlich sichtbar. Sie führte von Sankt Petersburg durch die Ostsee, an Mecklenburg-Vorpommern vorbei, über das Kattegat, weiter bis an die schottische Küste und zurück nach Kaliningrad - dem Hauptsitz der Baltischen Flotte.

Stopps an mehreren Windparks

Das russische Meeresexpeditionsschiff "Admiral Vladimirsky" im Juni 2020 im Hafen von St. Petersburg. © picture alliance/dpa/TASS | Alexander Demianchuk Foto: picture alliance/dpa/TASS | Alexander Demianchuk
Das russische Meeresexpeditionsschiff "Admiral Vladimirsky" (Aufnahme vom Juni 2020) wird offenbar auch zur Spionage eingesetzt.

Dabei steuerte die betagte "Admiral Wladimirsky" mehrere Windparks an, um sich teilweise mehrere Tage in deren Nähe aufzuhalten. Der dänische Militäranalytiker Jens Wenzel Kristoffersen von der Universität Kopenhagen vermutet, dass das vermeintliche Forschungsschiff damit beauftragt war, die Infrastruktur von Windparks zu erkunden, um Stellen zu finden, an denen sie deren Infrastruktur treffen könne, so der ehemalige Kommandant in der dänischen Marine gegenüber Danmarks Radio.

GUGI-Programm für Sabotage am Meeresboden

Der Recherchegruppe von DR, NRK, SVT und Yle hat auch die öffentlich zugänglichen Schiffsverkehrsdaten der vergangenen zehn Jahre ausgewertet. Dabei sind 50 russische Schiffe aufgefallen, die in Verbindung mit Spionagemissionen stehen könnten. Nach Erkenntnissen der Journalisten werden die gesammelten Daten der verschiedenen Schiffe auch dazu benutzt, um ein Programm namens GUGI durchzuführen. GUGI dient angeblich dazu, die Sabotage von westlicher Infrastruktur am Meeresboden vorzubereiten.

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Neue russische Flottendoktrin

Außerdem gilt seit Sommer 2022 in Russland eine neue Flottendoktrin. Das bedeutet, dass alle im Land registrierten Schiffe jederzeit für militärische Einsätze herangezogen werden können. Damit ist jedes russische Schiff verdächtig, was besonders die Skandinavier beunruhigt. Dänemarks Chef der Spionageabwehr Anders Henriksen gegenüber Danmarks Radio: "Im Falle eines Konfliktes wissen sie, wo sie unser öffentliches Leben treffen können." Allein Dänemark verfügt über 7.000 Kilometer Küste und 15 Offshore Windparks mit einer Leistung von 2.300 Megawatt, die mittlerweile fast die Hälfte des Strombedarfes des Königreiches decken.

Vernetzte und verletzliche Infrastruktur

Aber die Sabotage von Offshore-Windparks, Stromkabeln oder Gasleitungen in der Ostsee hätte auch für Norddeutschland Konsequenzen. So ist Mecklenburg-Vorpommern über die Windparks Baltic 1+2 und Krigers Flak mit dem ostdänischen Energienetz verbunden. Hinzu kommt das Kontek-Gleichstromkabel, das von Bentwisch bei Rostock via Ostsee zur dänischen Insel Seeland führt. Im vergangenen Jahr kamen 33 Prozent der deutschen Gasimporte via Nordsee-Leitungen aus Norwegen, Anteil steigend. Auch deshalb ist die Sicherheit von kritischer Infrastruktur in Nord- und Ostsee auch hierzulande ein Thema.  

Überwachung von unterseeischer kritischer Infrastruktur soll ausgeweitet werden

Die Arbeit an einem unterseeischen Überwachungssystem hat allerdings gerade erst begonnen. Zurzeit wird eine Art Katalog erarbeitet, der alle sensiblen Anlagen erfasst. Dazu gehören neben Windparks, Rohrleitungen und Kabeln beispielsweise auch Hafenanlagen, Schleusen und Einrichtungen für den Küstenschutz. Im Endausbau soll mit Hilfe von unterseeischen Sensoren- und Datenleitungen, weiterreichender Seeüberwachung von der Küste aus und mit Satellitenbildern ein engmaschiges Überwachungsnetz entstehen. Es erkennt selbstständig ungewöhnliche Aktivitäten an oder nahe kritischer Infrastruktur, die dann mit Hilfe von Behördenschiffen oder der Deutschen Marine genauer untersucht werden können. Die Entwicklung dieses Überwachungsnetztes liegt nach NDR-Informationen bei der WTD 71, der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe, Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung.

Die Doku "Skyggekrigen" ("Schattenkrieg") über die russische Spionage in Nord- und Ostsee ist in den Mediatheken der Sender DR, SVT, NRK und Yle abrufbar.

Russland dementiert Spionagemissionen

Die russische Regierung hat inzwischen auf die Berichte der Recherchegruppe aus mehreren skandinavischen Ländern reagiert. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestreitet die Spionage kritischer Infrastruktur in der Nord- und Ostsee zwecks potenzieller Sabotage. Bei den in der Dokumentation erhobenen Vorwürfen handle sich um falsche Schlüsse und grundlose Beschuldigungen.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 20.04.2023 | 15:00 Uhr

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