Spionage? Drohnen über Brunsbüttel beschäftigen Politik und Polizei
In Brunsbüttel sind offenbar mehrfach mutmaßliche Spionage-Drohnen über den ChemCoast Park geflogen. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt. Man sei sehr wachsam, erklärt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sütterlin-Waack.
Die Polizeidirektion Itzehoe (Kreis Steinburg), die Staatsanwaltschaft Flensburg und der Staatsschutz ermitteln zur Zeit wegen mehrerer mysteriöser Drohnenflüge über dem Industriepark Brunsbüttel. Nach NDR Informationen soll nach den Sichtungen in der vergangenen Woche auch in der Nacht zu Montag eine Drohne über dem ChemCoast Park Brunsbüttel gesichtet worden sein. In dem Industriegebiet sitzen Unternehmen aus der Chemie und Mineralölwirtschaft. Zuerst hatten am Donnerstag die "Bild" und das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet.
"Die Staatsanwaltschaft Flensburg bestätigt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Agententätigkeit zu Sabotagezwecken im Zusammenhang mit wiederholten Drohnenflügen über kritischer Infrastruktur in Schleswig-Holstein", teilte die Behörde auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mit. Weitere Details nannte sie nicht. Zunächst war die Polizei nur von nicht angemeldeten Drohnenflügen ausgegangen und hatte in alle Richtungen ermittelt.
Industriepark, LNG-Terminal und stillgelegtes Kernkraftwerk betroffen
Auch die Polizeidirektion Itzehoe (Kreis Steinburg) sagte, dass ihr Informationen über möglicherweise unzulässige Drohnenflüge vorlägen und ermittelt werde. Ihren Angaben zufolge wurden die Drohnen ab dem 8. August gesichtet. Laut Polizei waren der Industriepark Brunsbüttel, das neue LNG-Terminal und das stillgelegte Kernkraftwerk Brunsbüttel betroffen. Im letzten Fall sei mehrfach die Flugverbotszone missachtet worden. Die Industrie selbst wollte sich zu den Vorfällen nicht äußern. NDR Schleswig-Holstein hatte bereits am 13. August gemeldet, dass die Polizei wegen unangemeldeter Drohnenflüge in den vorherigen Tagen ermittelt.
Nun ist auch der Staatsschutz auf Bundes- und Landesebene in die Ermittlungen involviert. Laut dem Bundesinnenministerium, das für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig ist, unterstützen die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt mit Kräften. Einem Sprecher des Verteidigungsministeriums zufolge stellt die Bundeswehr der Polizei Radardaten zur Verfügung, um das Lagebild zu vervollständigen. Dies gehöre zur Daueraufgabe Sicherheit im Luftraum. Ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin ergänzte, diese Amtshilfe werde seit vergangenem Montag geleistet.
Innenministerin: "Wir gehen jedem Spionageverdacht nach"
Insgesamt ist die Informationslage noch unübersichtlich. Auch das schleswig-holsteinische Innenministerium hält sich relativ bedeckt. Ressortleiterin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) erklärte schriftlich, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder schon vor Längerem vor Spionage und Sabotage gewarnt hätten - und dass dies weiterhin gelte. Sie bestätigte die Ermittlungen der Flensburger Staatsanwaltschaft und ergänzte: "Wir gehen in Schleswig-Holstein selbstverständlich jedem Spionage- und Sabotageverdacht nach und sind sehr wachsam in diesem Bereich."
Sicherheitsexperte: "Das kann schnell gefährlich werden"
Medienberichten zufolge könnte es sich bei den Sichtungen in Brunsbüttel um russische Drohnen des Typs Orlan-10 handeln - das sind jedoch unbestätigte Spekulationen. Diese Drohne hätte eine hohe Reichweite von rund 600 Kilometern und würde ein Tempo von bis zu 100 Kilometer pro Stunde erreichen. Somit wäre es möglich sie von zivilen Schiffen vor der Küste zu starten.
Henrik Schilling vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel erklärte gegenüber NDR Schleswig-Holstein, dass Drohnen dieses Typs eine Gefahr für die Infrastruktur darstellen könnten: "Nicht nur in dem Sinne, dass man einen physischen Angriff startet, sondern eben auch dass ausspioniert wird und dass man zeigt, dass es relativ einfach geht, dort Drohnen rüberfliegen zu lassen." Ein Schutz davor sei bislang nur begrenzt möglich.
Landtag beschäftigt sich nach der Sommerpause mit Drohnen
Der sicherheitspolitische Sprecher der SPD, Niclas Dürbrook, sagte: "Das sind sehr beunruhigende Berichte. Es ist gut, dass Bund und Land jetzt Hand in Hand arbeiten, um die Hintergründe aufzuklären." Das Thema Drohnen sei deshalb am 4. September Thema im Innen- und Rechtsausschuss. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt, fordert in dem Zusammenhang, dass der Schutz der kritischen Infrastruktur bundesweit deutlich gestärkt werden müsse. "Das gilt für die Cyberabwehr und für den Schutz von bestimmten Gebäuden und Personen." Vogt meint, dass die Vorfälle in Brunsbüttel ein Alarmsignal für die Landesregierung sein müssen.
Wie können Drohnen abgewehrt werden?
Bereits Anfang des Jahres hatte Vogt zum Thema Gefahr durch Drohnen eine kleine Anfrage hat die Landesregierung gestellt. In der Antwort vom 6. Februar hieß es, dass die Landesregierung für das zweite Halbjahr dieses Jahres plane, die Landespolizei mit Geräten zur Drohnenabwehr auszustatten. Auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein teilte Innenministerin Sütterlin-Waack jetzt mit: "Wir haben Geräte zur Drohnenabwehr beschafft und befinden uns in der Beschaffung weiterer Geräte." Außerdem arbeite man mit anderen Bundesländern und dem Bund zusammen und erhalte auch von dort technische Unterstützung, so die CDU-Politikerin.
Drohnen einfach mit Netzen einfangen?
Eine Drohne abzuwehren kann aber unter Umständen gefährlich werden. Wenn man sie abschießt, könnten umherfliegende Teile Personen verletzen. Gerade in urbanen Gebieten setzen Experten deshalb eher darauf, die Drohnen abzufangen. Aber auch dies ist laut Dr. Ralf Heinicke von der Universität der Bundeswehr in Hamburg nicht ganz so einfach. Um die Frequenz der Drohne zu stören, müsse man nah an die Drohne kommen. Auch müsse das Störsignal stärker sein, als das Signal, das die Drohne steuert.
Eine andere Alternative wäre eine sogenannte Abfangdrohne, die die Forscherinnen und Forscher an der Uni der Bundeswehr entwickelt haben. Diese Drohne ist laut Heinicke mit zwei riesigen Netzen ausgestattet, je 16 und 50 Quadratmeter groß. Damit könnten die mutmaßlich illegalen Drohnen dann eingefangen werden.