Landwirtschaft: Klimaanpassung bringt Südfrüchte in den Norden
Als erster Obstbauer Norddeutschlands baut Roland Kempf aus Ahlten erfolgreich Feigen an. Die Frucht könnte in Zukunft für viele Obstbauern attraktiv werden, die ihren Anbau an das Klima anpassen wollen, denn Feigen brauchen nur wenig Wasser.
Feigen stammen ursprünglich aus Kleinasien und gehören zu den ältesten Kultur- und Nutzpflanzen der Erde. Bisher waren sie in Deutschland als Kübelpflanze auf Balkon oder Terrasse beliebt. Jetzt haben sie auch den Weg in die Landwirtschaft gefunden, auf einem Feld in Ahlten, einem Vorort von Lehrte.
Feigenanbau in Niedersachsen
Wenn Roland Kempf hier in seinem Feigenwäldchen unterwegs ist, ist er kaum zu finden. Bis zu 3,50 Meter sind seine Feigenbäume hoch, stehen dicht als Spalier. Er zeigt stolz eine hellgrüne, fast zitronengroße Feige. "Das ist 'Golden Riverside'. Sie ist nächste Woche reif, und ich freue mich jetzt schon, die allererste selbst zu essen", sagt der Niedersachse lachend. Kempf ist eigentlich Tischlermeister, hat einen eigenen Betrieb. Urlaube auf Mallorca haben ihn zu einem passionierten Fan der Feige gemacht.
"Wenn Sie dort Feigen probieren, ist das eine Geschmacksexplosion. Ich habe mir gedacht, das könnte ich doch auch zu Hause mal ausprobieren", erzählt er. 2016 pflanzte er die ersten Feigen. Seitdem habe er viel falsch gemacht, aber jeder Fehler habe ihn vorangebracht.
Klimaanpassung: Die Feige braucht nur wenig Wasser
In trockenen Sommern, wie Deutschland sie seit einigen Jahren erlebt, gedeihen die Südfrüchte prächtig. Nur beim Einpflanzen und im Frühjahr brauchen Feigen etwas Wasser. Insgesamt braucht die Pflanze kaum Bewässerung, sondern mag es heiß und trocken. Ein Teil der Bäume in Ahlten steht geschützt im Gewächshaus, die Sorte "Desert King" (dt. Wüstenkönig) wächst auf freiem Feld.
"Feigen haben zwei verschiedene Wurzeln. Die eine sorgt für Stabilität, hält sich im Boden und im Gestein fest", erklärt Kempf. "Die andere, die Hauptwurzel, ist armdick und wächst solange nach unten, bis sie Wasser gefunden hat." Bei einem Feigenbaum in Südafrika habe man Wurzeln in 120 Meter Tiefe gemessen. Hier auf dem Ahltener Acker trifft die Feige in fünf bis acht Metern auf Grundwasser.
Feigen könnten neue Kultur im Norden werden
Im vergangenen Jahr hat Kempf den Durchbruch erzielt und zwei Tonnen Feigen ernten können. "Darüber staunt die Fachwelt", sagt Achim Holzinger von der Anbaufirma Bioland. Der Agrarwissenschaftler berät Bauern in ganz Norddeutschland, hält Vorträge vor internationalem Publikum. Auch über die Feigen in Ahlten hat er schon referiert. Er sagt: "Noch nie wurden Feigen im Norden erwerbsmäßig angebaut. Das ist mehr als erstaunlich."
Holzinger sieht gute Chancen für eine Zukunft der Feige im Norden, wenn die Sommer weiter so trocken und die Winter mild bleiben. "Da ist die Feige geradezu prädestiniert", so der Experte. Roland Kempf sei ein echter Vorreiter, der den Startschuss für eine neue Kultur gebe.
Kälte im Winter ist ein Anbaurisiko
Bisher haben sich Landwirte und Obstbauern noch nicht an den Feigenanbau gewagt, da die Kälte im Winter ein erhebliches Anbaurisiko darstellt. Bei minus 15 Grad erfriert die Pflanze. Das hat auch Roland Kempf schon erlebt: "Draußen sind mir alle Feigen erfroren, aber im Frühjahr sind manche Sorten wieder ausgeschlagen."
Kempf vermarktet seine Ernte bisher in Hofläden in der Umgebung. Bleiben die Sommer trocken und die Winter mild, ist der norddeutsche Pionier zuversichtlich, dass er bald von seinen regionalen Südfrüchten leben kann.