EU lässt Grillen und Schimmelkäfer als Nahrungsmittel zu
In der EU gelten weitere Insekten als Lebensmittel: Hausgrillen dürfen nun gefroren, getrocknet und als Pulver verwendet werden. Auch Larven des Getreideschimmelkäfers sind in Kürze erlaubt. Verbraucherschützer sehen noch Probleme bei der Kennzeichnungspflicht.
Seit Dienstag gilt die Grille Acheta domesticus, auch als Heimchen bekannt, in der Europäischen Union offiziell als Nahrungsmittel. Sie steht auf der Liste der "neuartigen Lebensmittel" (Novel Foods). Per Durchführungsverordnung darf allerdings bislang allein das vietnamesische Unternehmen Cricket One ein teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille in der EU vertreiben. Am Donnerstag kommen noch die Larven des Getreideschimmelkäfers Alphitobius diaperinus als "neuartige Lebensmittel" hinzu. Einige andere Insektenarten waren schon erlaubt: Der gelbe Mehlwurm und Heuschrecken dürfen in der EU schon seit 2021 verarbeitet werden. Laut EU-Kommission liegen zudem acht weitere Anträge für Insektenprodukte vor, die noch geprüft werden. Insekten seien eine alternative Proteinquelle, die den Übergang zu einer nachhaltigeren Lebensmittelversorgung unterstützen könnten, so die Kommission.
EU-Kommission: "Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen"
Nach Angaben der EU-Kommission müssen Hersteller für jedes Insekt, das sie auf den Markt bringen wollen, eine Zulassung beantragen. Wenn Insekten in Lebensmitteln verwendet würden, müsse das gekennzeichnet sein. In der Zutatenliste muss dann jeweils der Artname aufgeführt werden. "Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen", teilte die EU-Kommission via Twitter mit. Jede und jeder könne selbst entscheiden, solche Lebensmittel zu kaufen - oder eben nicht.
"Die Lebensmittelsicherheit hat für die Kommission oberste Priorität", sagte eine Sprecherin. Was die Insekten betreffe, so könne die Behörde bestätigen, dass diese sicher seien. Risiken könnten für Allergiker bestehen. Wie bei vielen anderen Lebensmitteln könne auch Insektenpulver in seltenen Fällen Reaktionen auslösen - etwa bei Menschen, die gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind. Daher seien Allergie-Hinweise auf Verpackungen mit Lebensmitteln Pflicht, die Insekten enthalten.
"Enthält Pulver aus Acheta domesticus" - Reicht das als Kennzeichnung?
Zermahlene getrocknete Hausgrillen dürfen nun also zum Beispiel in Brot und Brötchen verbacken werden oder in Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffel-Erzeugnissen oder Schokolade vorkommen. Solche Produkte dürfen dann allerdings nicht mehr als vegan oder vegetarisch ausgezeichnet werden, und die Grillen müssen auf der Zutatenliste stehen - zum Beispiel als "Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren". Der Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg findet diese Art der Kennzeichnung allerdings nicht ausreichend. Er sei für eine deutliche Kennzeichnung auf der Verpackung "und zwar gut verständlich für alle, zum Beispiel 'Kekse mit Insekten' oder 'Nudeln mit Insekten', sagte Valet der Deutschen Presse-Agentur.
Insekten bislang nur "ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt"
Bisher sei das Angebot an Lebensmitteln mit Insekten aber nur "ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt", so Valet weiter. Hierzulande seien aktuell nur wenige Produkte mit geringen Mengen an Insekten erhältlich - etwa Riegel oder Nudeln. Dafür waren Übergangsregeln notwendig. Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass ganze Insekten nicht unter die alten Regeln für "neuartige Lebensmittel" fallen. Die alten Vorgaben wurden mittlerweile jedoch überarbeitet, seit 2018 gelten auch ganze Insekten als "neuartig" und müssen den entsprechenden Genehmigungsprozess durchlaufen. Dass Insektenpulver mit den neu zugelassenen Produkten nun im großen Stil in Kekse oder Mehl gemischt werde, liege "wirklich noch in weiter Ferne", meint Verbraucherschützer Valet. Auch wegen des Preises - Produkte, die Insekten enthalten, seien zum Teil deutlich teurer als andere vergleichbare Waren. Und bislang seien auch keine Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht aufgetaucht: "Uns ist nicht bekannt, dass es irgendwie untergemischt wird."
Weltweit kommen etwa 1.900 Insekten-Arten auf den Teller
In vielen Ländern ist es gar nicht ungewöhnlich, Insekten zu verzehren. Weltweit stehen etwa 1.900 Arten auf dem menschlichen "Speiseplan", schätzen Experten. Die Welternährungsorganisation (FAO) hat in mehreren Studien festgestellt, dass Insekten eine gesunde Nahrungsquelle mit hohem Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Die Umweltorganisation WWF sieht dabei die Ökobilanz von Insekten deutlich besser als die von Rind, Schwein oder Huhn. "Im Vergleich zu Fleisch wird bei der Erzeugung von Insekten wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt." Im Vergleich zum Huhn seien es etwa um 50 Prozent weniger, so der WWF. Und nach FAO-Angaben benötigen Grillen nur etwa ein Zwölftel des Futters verglichen mit Rindern, um die gleiche Menge an Eiweiß zu produzieren.