Debatte um Geflüchtete: Länder fordern Begrenzung von Migration
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten haben am Freitag nach Beratungen ihre Forderung bekräftigt, Migration zu begrenzen. Asylverfahren müssten beschleunigt werden, Geflüchtete sollen eine Bezahlkarte erhalten. Beim Treffen mit Kanzler Olaf Scholz gab es keine konkreten Beschlüsse.
"Bund und Länder haben das gemeinsame Ziel, Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, zügiger als bisher rechtskräftig abzuschließen", heißt es in einem Beschluss, auf den sich die Regierungschefs der 16 Länder in Frankfurt am Main einigten. Dafür wollen sie die personellen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen.
Ziel sei es, das Asylverfahren und das darauf häufig folgende Klageverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen, betonte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Bei den Asylverfahren ist der Bund in der Pflicht, genauer gesagt das dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Verwaltungsgerichtsverfahren betreffen die Justizbehörden der Länder.
Tschentscher: Beschluss wichtig für Integration
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher zeigte sich zufrieden mit dem Beschluss. "Ich begrüße sehr, dass sich die Länder dafür einsetzen, Geflüchteten mit Bleibeperspektive eine schnellere Aufnahme von Arbeit oder Ausbildung zu gestatten", erklärte der SPD-Politiker. Das sei mit Blick auf den Arbeitskräftemangel und auf die Integrationswirkung von Arbeit und Beschäftigung von großer Bedeutung.
Harmonisierung von Sozialleistungsstandards innerhalb der EU
Der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) sagte als amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, man wolle "zu einer Harmonisierung von Sozialleistungsstandards" für Asylbewerber und Geflüchtete innerhalb der Europäischen Union kommen. Er warnte in diesem Zusammenhang jedoch unter Verweis auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz vor überzogenen Erwartungen.
Länder wollen bundesweit einheitliche Bezahlkarte
Die Bundesländer wollen außerdem eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete. Die Ministerpräsidenten forderten den Bund auf, "zeitnah" die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Nach dem Willen der Länderregierungschefs sollen die in Erprobung befindlichen Systeme zur Einführung von Bezahlkarten schnellstmöglich hinsichtlich ihrer bundesweiten Einführung geprüft werden.
Die Ministerpräsidenten bekräftigten zudem ihre Forderung nach deutlich mehr Geld für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten. In ihrem Beschluss verlangen die Länder vom Bund jährlich eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro. Außerdem soll der Bund die Unterkunftskosten vollständig übernehmen.
Weil: Bund muss Länder finanziell unterstützen
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, viele Kommunen seien finanziell überlastet. "Wenn es schon schwer ist für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dann müssen sie doch mindestens den Eindruck haben, dass sie so gut als irgend möglich von ihrem Staat unterstützt werden." Die Länder täten dies. "Unsere Erwartung ist, dass der Bund an dieser Stelle nachzieht."
Keine konkreten Ergebnisse bei Spitzentreffen mit Scholz
Bundeskanzler Scholz (SPD) sprach am Freitagabend mit Rhein, Weil sowie CDU-Chef Friedrich Merz über den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Konkrete Ergebnisse gab es in dem "sehr konstruktiven Gespräch" (O-Ton Rhein) nicht. Die Länderchefs fordern aber von Bundesregierung für die nächste reguläre Bund-Länder-Konferenz am 6. November schon klare Aussagen dazu, wie man zusammen die Herausforderungen der nächsten Zeit in Sachen Migration angehen kann.
Zentrales Thema seien dann Finanzierungsfragen. Die Bürgerinnen und Bürger müssten sehen, dass es einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingspolitik unter der Überschrift "Humanität und Ordnung" gebe. "Wir haben die Steilvorlage gegeben, den Ball verwandeln muss die Bundespolitik", sagte Weil. Scholz selbst äußerte sich nicht.
Auch der Norden an der Belastungsgrenze
Angesichts von immer mehr Schutzsuchenden sehen sich viele Kommunen bei Unterbringung und Integration an der Belastungsgrenze. Auch der Norden scheint am Limit, was Unterbringung und Integration von Geflüchteten angeht. Städte und Gemeinden beklagen, dass es so nicht weiter gehen kann. Darüber wurde am Donnerstag auch bei NDR Info live diskutiert.
Dressel: Bund muss mehr für Flüchtlinge zahlen
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) schätzt, dass die Stadt am Ende dieses Jahres knapp eine Milliarde Euro für Flüchtlinge ausgegeben haben wird. "Für die nächsten Jahre wird es ohne zusätzliche Bundesmittel nicht gehen", betonte Dressel. Er schätzt, dass die Länder im nächsten Jahr fünf Milliarden Euro brauchen, um Flüchtlinge unterzubringen. Doch der Bund plane, die Zuschüsse für die Flüchtlingskosten drastisch zu kürzen - auf eine Milliarde Euro für alle Bundesländer. Dressel sprach von einem drohenden Desaster.
Günther: Begrenzung von Armutsmigration
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther betonte im NDR Info Interview, dass die Zahlen der Geflüchteten zuletzt zu stark gestiegen seien. Er spricht sich für eine Begrenzung der Armutsmigration aus. "Wir müssen eine Abschiebung für Menschen ohne Asylgründe vereinfachen."
Schwesig fordert vom Bund einen "Deutschlandplan"
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) fordert inzwischen beschleunigte Rückführungen abgelehnter Asylbewerber, um die Kommunen zu entlasten. Zudem soll die Zahl der Aufnahmeplätze erhöht werden. Das Hauptproblem zum derzeitigen Stand der Migration sieht sie in den "praktischen Kapazitätsgrenzen in den Städten und Gemeinden." Schwesig fordert vom Bund einen klaren "Deutschlandplan".
- Migrationspolitik: Länder fordern mehr Unterstützung vom Bund
- Migration: Sorgen und Kritik an Landesregierungen groß
- Sozialforscher über Migration: "Chancen sind in den Hintergrund geraten"
- Migration in SH: Landtag debattiert über den richtigen Weg
- Unterkünfte für Geflüchtete in NDS: Behrens nennt Situation "grenzwertig"
- Upahl: Erste Flüchtlinge im Containerdorf eingetroffen
- Medien-Kritikerin: "Geflüchtete werden zu Objekten degradiert"
Niedersachsen schlägt Arbeitspflicht für Geflüchtete vor
Niedersachsen hat unterdessen auch eine Pflicht für Geflüchtete zur gemeinnützigen Arbeit vorgeschlagen. "Es ist bereits jetzt schon möglich, Menschen zur Arbeit heranzuziehen, aber der Aufwand für Kommunen ist sehr groß. Wir wollen es leichter machen", erklärte Ministerpräsident Weil im NDR Info Interview. Kommunen sollen dafür die Möglichkeit bekommen, geförderte, gemeinnützige Arbeiten auch bereitzustellen. Das könnte vor allem Asylbewerber betreffen, die keine Bleibeperspektive haben. Wer eine Bleibeperspektive hat, der soll einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisierte den Vorstoß. Sprecher Sigmar Walbrecht nannte das Vorhaben "schäbig". Es werde das rassistische Bild von faulen Asylsuchenden bedient, die nur wegen der Sozialleistungen kämen.