Arbeitsrechtliche Folgen von Sylt-Video: Freistellen, prüfen, kündigen
Im Sylter Nobelclub "Pony" singen junge Menschen ein fremdenfeindliches Lied - und lassen sich dabei filmen. Arbeitgeber kündigen daraufhin an, sich teils fristlos von den Betroffenen zu trennen. Ganz so einfach sei das nicht, sagt Arbeitsrechtlerin Nele Urban.
Der bekannte Party-Hit "L'amour Toujours" von Gigi D’Agostino wird aktuell vielerorts in Deutschland mit "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" grölend umgetextet. Auf Schützenfesten, Karnevalsveranstaltungen, in Internaten und auch an Pfingsten auf Sylt sind diese rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Parolen zu hören. Auf einem viralen Video aus dem "Pony"-Club in Kampen auf Sylt sind junge Männer und Frauen dabei auch zu sehen - und zu identifizieren. Für sie hat das Video nicht nur juristische Folgen.
Von der Deutschen Bank bis Vodafone reichen die Statements, in denen die Unternehmen gegen Rassismus Stellung beziehen und Folgen für ihre mutmaßlich beteiligten Beschäftigten ankündigen. Zwei Arbeitgeber hatten bereits wenig später mitgeteilt, dass sie ihren Mitarbeitenden gekündigt hätten. Doch ist das überhaupt so einfach möglich, für derartiges Verhalten so schnell und folgenreich arbeitsrechtlich sanktioniert zu werden?
Privates Verhalten grundsätzlich kein Kündigungsgrund
"Das ist ein ganz schweres Thema, ein ganz weites Feld", sagt Nele Urban, Fachanwältin für Arbeitsrecht, dazu. "Zunächst kann man sagen, dass alles, was ich im Privaten mache, mein ganzes Privatleben, nichts mit meinem Arbeitsverhältnis zu tun hat." Privates Verhalten (und damit letztlich auch privates Fehlverhalten) habe keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Grundsätzlich könne somit Fehlverhalten im privaten Bereich kein Grund für eine Kündigung sein.
Allerdings tue sich gerade ganz viel im Arbeitsrecht. Urban verweist auf eine Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht aus dem vergangenen Jahr. Dabei ging es um rassistische Bemerkungen unter Kollegen in einer WhatsApp-Gruppe. Das Gericht habe entschieden, dass Arbeitnehmer, die rassistische, sexistische, antisemitische oder andere Bemerkungen machen, die in irgendeiner Form die Menschenwürde beeinträchtigen, durchaus gekündigt werden dürfen. Und zwar dann, wenn man als Arbeitnehmer nicht davon ausgehen darf, dass die Bemerkungen vertraulich bleiben.
Gefilmte auf Sylt mussten davon ausgehen, dass das Video publik wird
Auf den Sylter Fall übertragen bedeutet das, dass die dort Gefilmten keine "berechtigte Vertraulichkeitserwartung" gehabt haben dürften. "Die haben sehr bewusst in die Kamera geguckt und auch in die Kamera gegrölt", sagt Urban. "Die mussten damit rechnen, dass das Video, das dort gedreht wird, verteilt wird und an die Öffentlichkeit kommt." Sie hätten nicht davon ausgehen dürfen, dass das privat und vertraulich bleibt.
Gleichwohl könne eine Kündigung rein rechtlich auch nicht unmittelbar deswegen fristlos erfolgen. Zunächst müsse der Sachverhalt genau geprüft werden. "Da bewegen wir uns in einem ganz schwierigen Dilemma", meint Urban. Denn viele Unternehmen träten öffentlich gegen Rassismus ein. "Die Unternehmen stehen da berechtigterweise unter Druck, sich zu positionieren und dann solche Vergehen ihrer Arbeitnehmer nicht hinzunehmen."
Auf der anderen Seite stehe jedoch das Arbeitsrecht, das ganz klar ein Arbeitnehmerschutzrecht sei und Arbeitnehmer vor voreiligen Kündigungen schützen solle. Deswegen sei in jedem Fall eine eingehende Prüfung erforderlich.
Freistellen statt fristlos entlassen
Einige der betroffenen Firmen hätten daher auch nicht von fristlosen Kündigungen gesprochen, sondern von Freistellungen. "Freistellen ist die Entbindung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung von Bezügen", bringt Urban auf den Punkt. Das ermögliche die eingehende Prüfung der Fälle.
Wichtig in diesem Zusammenhang sei auch eine Anhörung des oder der Betroffenen - also "dem Arbeitnehmer die Chance zu geben, Gehör zu bekommen", so Urban. "Auf der Basis kann dann der Personalverantwortliche des Arbeitgebers entscheiden, ob die Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht." Wenn der Arbeitnehmer dann gegen eine auf dieser Basis ausgesprochene Kündigung vorgehen will, könne ein solcher Fall bis hin zum Bundesarbeitsgericht gehen.