Nach Amoklauf in Hamburg: Faeser will Waffengesetz prüfen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will nach der Amoktat von Hamburg den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes noch einmal prüfen. Ein Amokläufer hatte am Donnerstagabend in einem Gebäude der Zeugen Jehovas im Stadtteil Alsterdorf sieben Menschen und sich selbst erschossen.
Man müsse sicherlich noch mal "an das Gesetz gehen und schauen", ob es noch Lücken gebe, sagte Faeser am Freitagabend im Interview mit den tagesthemen. Im Waffengesetz solle beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte künftig überprüft werden, "ob jemand psychologisch geeignet ist". Dazu brauche es eine Überprüfung mit den Gesundheitsbehörden, so Faeser. "Wir wollen vor allen Dingen eine bessere Vernetzung zwischen den Behörden." Das sei zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel wichtig. Bei der ersten Erteilung einer solchen Karte solle es ein ärztliches Attest geben.
Faeser: "Tat zeigt, wie notwendig Änderungen sind"
Alle Sportschützen in Deutschland ohne Hinweise regelmäßig zu untersuchen, wäre aus Faesers Sicht aber sehr schwierig. "Es sollte natürlich in Maßnahmen auch verhältnismäßig sein." Die furchtbare Tat in Hamburg zeige aber, wie notwendig Änderungen im Waffengesetz seien.
In dem im Januar von Faeser vorgelegten Vorschlag für eine Verschärfung des Waffenrechts werden halbautomatische Langwaffen für Privatleute verboten - der Täter in Hamburg hatte eine halbautomatische Pistole verwendet. Diese Waffe würde nicht unter das bisher vorgesehene Verbot fallen. Man müsse prüfen, ob auch solche Waffen verboten werden sollen, sagte Faeser.
FDP warnt vor "überhasteten Forderungen"
Zuletzt hatte Faeser mit ihren Plänen für mehr Kontrollen und Vorschriften die Verbände der Jäger und Schützen gegen sich aufgebracht. Diese wiederum erhielten Unterstützung von der FDP. Die sagt, die von Faeser geplanten Änderungen im Waffenrecht stünden nicht im Koalitionsvertrag. "Psychisch kranke Personen dürfen keine Schusswaffen besitzen. Es ist gut und richtig, dass das Waffenrecht dies schon heute unmissverständlich regelt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, am Sonnabend der Deutschen Presse-Agentur. Im Nachgang zu der schrecklichen Tat in Hamburg müsse nun aufgeklärt werden, warum die Waffenbehörde von einer Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis abgesehen hatte. "Dabei muss auch über eine bessere Ausstattung der Waffenbehörden gesprochen werden", sagte Kuhle. Ohne eine präzise Aufarbeitung der Hintergründe seien "überhastete Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen nicht angezeigt".
Grüne für weniger Waffen in Privathand
Der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, sagte NDR Info am Sonnabend, dass auch ein Verbot von halbautomatischen Pistolen für Privatleute geprüft werden müsse. "Diese schreckliche Tat hat gezeigt, dass legale Waffenbesitzer mit Waffengewalt Schlimmes anrichten können in dieser Gesellschaft", sagte Emmerich und betonte: "Weniger Waffen in privaten Händen sorgen für mehr öffentliche Sicherheit."
Polizei: Lagerung von Sportwaffen bei Vereinen sinnvoll
Die Gewerkschaft der Polizei warf die Frage auf, ob das Lagern zu Hause verboten werden sollte. "Letztendlich wäre das doch eine gute Lösung, wenn man die Vereine verpflichtet, die Lagerung vorzunehmen, getrennt ein Vier-Augenprinzip einführen würde. Und der Sportschütze auch nur über eine andere Person an diese Waffe kommt", schlug Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamten (BDK) im Gespräch mit dem Hamburg Journal vor.
Täter besaß legal eine halbautomatische Pistole
Bei den Schüssen am Donnerstagabend in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in der Straße Deelböge im Stadtteil Alsterdorf hatte es acht Tote und acht Verletzte gegeben. Zu den Toten zählt die Polizei auch den Täter. Nach den Angaben auf einer Pressekonferenz am Freitag handelt es sich bei ihm um den 35-jährigen Philipp F. Dieser sei ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas gewesen und habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen, wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde mittteilten. Der Mann sei Sportschütze gewesen und habe seit Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte gehabt, sagte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. "Seit dem 12. Dezember befand er sich somit im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole." Dabei handele es sich um die Tatwaffe.
Anonymer Hinweis erreichte Behörde im Januar
Die Waffenbehörde erhielt nach Angaben des Polizeipräsidenten Meyer im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F.. Ziel des unbekannten Schreibers sei es gewesen, das Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Philipp F. überprüfen zu lassen. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber. Die unbekannte Person habe ferner geschrieben, dass die psychische Erkrankung von F. möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert sei, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe.
Die Beamten der Waffenbehörde hätten nach dem Hinweis weiter recherchiert. Anfang Februar wurde F. von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht. Bei der Kontrolle habe sich F. kooperativ gezeigt, sagte Meyer. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.
Faeser besuchte Tatort am Freitag
Faeser hatte am Freitagnachmittag gemeinsam mit dem Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) den Tatort besucht und dort Blumenkränze niedergelegt. "Es ist kaum in Worte zu fassen, was hier Furchtbares passiert ist. Was ein Täter mit dieser Amoktat anrichten konnte, ist wirklich grauenvoll", sagte Faeser. Sie sei tief bewegt, so die Ministerin.