Nach Amoklauf: Hamburger Polizei räumt Kommunikationsfehler ein
Vor der Tat hatte der Amokläufer von Alsterdorf, Philipp F., ein Buch mit wirren Inhalten veröffentlicht. Ein anonymer Hinweis machte die Waffenbehörde darauf aufmerksam. Die Hamburger Polizei hatte zunächst gesagt, das Buch nicht gefunden zu haben. Das stimmt jedoch nicht. Die Opposition fordert nun personelle Konsequenzen.
Die Beamtinnen und Beamten hätten den Namen Philipp F. und den Begriff "Buch" bei Google eingegeben - und das Buch nicht gefunden. So hatte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer es bei einer Landespressekonferenz kurz nach dem Amoklauf gesagt. Nun kam heraus: Letzteres entspricht nicht der Wahrheit. Eine Mitarbeiterin der Waffenbehörde hatte nach dem anonymen Hinweis den Buchtitel gefunden, es aber weder bestellt noch heruntergeladen. Der Titel "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" habe die Mitarbeiterin der Waffenbehörde nicht sonderlich alarmiert, heißt es von der Hamburger Polizei.
Polizei: Fehler bei Befragung einer Mitarbeiterin
Sie erklärt diesen Vorfall durch einen Kommunikationsfehler. Der sei bei der Befragung der betroffenen Mitarbeiterin am Telefon entstanden. Sie sei gefragt worden, ob sie das Buch kannte. Weil sie es aber nicht gelesen hatte, sagte sie "nein". Dass sie es gefunden hatte, erwähnte sie offenbar nicht.
Polizeipräsident: Täter hätte Waffe erstmal behalten können
Polizeipräsident Meyer erklärte am Mittwoch gegenüber dem NDR, dass sich die Mitarbeiterin momentan im Krankenhaus befinde. Er gab an, dass die derzeitige Gesetzeslage aber auch bei Kenntnis des Buches keinen sofortigen Waffenentzug bei Philipp F. erlaubt hätte. "Man hätte ihn dann anschreiben müssen, damit er sich selber ein fachpsychologisches Gutachten besorgt, so sieht es das Gesetz vor." Dafür hätte Philipp F. dann vier Wochen Zeit gehabt, so Meyer.
Kritik von Innensenator Grote
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) äußerte am Mittwoch leise Manöverkritik. "Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass man sich dieses Buch besorgt, intensiv angeguckt und auch Experten vorgelegt hätte." Eine von der Hamburger Linksfraktion geforderte Ablösung des Polizeipräsidenten lehnte Grote ab. Der innenpolitische Sprecher Deniz Celik (Linke) hatte NDR 90,3 in Bezug auf die Behauptung, die Polizei habe das Buch online nicht gefunden, gesagt: "Entweder weiß der Polizeipräsident nicht, was in seiner Behörde los ist, oder er hat bewusst die Öffentlichkeit getäuscht. So oder so ist er nicht länger tragbar und muss daher zurücktreten."
CDU fordert Grotes Rücktritt
CDU-Fraktionschef Dennis Thering forderte derweil den Rücktritt des Innensenators. "Natürlich muss jetzt sichergestellt werden, dass sich solche Pannen mit tragischen Folgen nicht wiederholen, aber Innensenator Grote ist dafür eindeutig der falsche Mann", sagte Thering der Zeitung "Welt". Auch die Linksfraktion forderte Grotes Rücktritt.
Zwei Gutachten über Buch des Täters
Zwei von der Polizei in Auftrag gegebene Gutachten, die das Buch mittlerweile untersucht haben, kommen unterdessen zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf eine Gewalttat enthält. Laut einem der Gutachter litt der Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Persönlichkeitsstörung mit überwiegend narzisstischen Anteilen, wie die "Zeit" berichtete. Der Täter habe deutliche Anzeichen von Selbstüberschätzung und Größenwahn und ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung gezeigt. Ein zweiter Gutachter erklärte im "Spiegel", Philipp F. habe mutmaßlich aus religiösen Gründen gehandelt. Der Täter sei ein religiöser Fanatiker gewesen, der Wut darüber empfunden habe, dass die christlichen Religionsgemeinschaften Gläubigen die Wahrheit vorenthielten.
Amoklauf mit acht Toten
Der 35 Jahre alte Philipp F. hatte am 9. März bei einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas in Hamburg sieben Menschen getötet - darunter ein ungeborenes Kind. Anschließend nahm er sich selbst das Leben. Neun weitere Menschen wurden bei der Amoktat verletzt.