Amoklauf in Hamburg: Alle Schwerverletzten außer Lebensgefahr
Nach dem Amoklauf am 9. März im Gemeindezentrum der Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf sind alle schwer verletzten Opfer außer Lebensgefahr. Das bestätigte der Sprecher der Glaubensgemeinschaft, Michael Tsifidaris am Freitag.
"Das ist die schönste Nachricht dieser Tage, in der Tat, die uns auch das erste Lächeln auf die Lippen zaubert", sagte Tsifidaris am Freitag im Gespräch mit NDR Info. Neun Menschen waren bei dem Attentat schwer verletzt worden, sieben Menschen sind gestorben. Zudem kündigte er an, dass die Zeugen Jehovas am übernächsten Wochenende einen eigenen Trauergottesdienst veranstalten würden. "Wir sind jetzt in enger Abstimmung mit den Angehörigen, aber ich kann heute schon sagen, dass wir am übernächsten Wochenende eine zentrale Gedenkveranstaltung durchführen werden, aufgrund des großen Interesses und der überwältigenden Anteilnahme, die uns durch die Bevölkerung zuteil wird", so Tsifidaris.
Kondolenzbuch liegt im Rathaus aus
Die Gemeinde sei der Stadt Hamburg sehr dankbar, die sie bei der Organisation unterstütze. Seit Sonnabend liegt eine Woche lang ein Kondolenzbuch im Rathaus aus. Zwischen 10 und 18 Uhr können sich hier Hamburgerinnen und Hamburger eintragen. "Wir schätzen diese Geste sehr", so der Sprecher.
Philipp F. nur wenige Monate bei den Zeugen Jehovas
Vor einer Woche soll der mutmaßliche Täter Philipp F. in einem Versammlungssaal der Zeugen Jehovas sieben Menschen getötet haben, darunter vier Männer, zwei Frauen und ein ungeborenes Mädchen. Nach der Tat nahm sich der 35-Jährige offenbar selbst das Leben. Er war insgesamt nur wenige Monate lang Mitglied der Zeugen Jehovas, bevor er die Gemeinschaft vor eineinhalb Jahren auf eigenen Wunsch wieder verlassen habe, sagte Tsifidaris. Aus ermittlungstaktischen Gründen werden nach wie vor viele Informationen von den Behörden zurückgehalten. Somit ist auch die Frage nach dem Motiv weiter unbeantwortet.
Bisherige Waffengesetze sind lückenhaft
Philipp F. erhielt seine Waffe, obwohl sein Umfeld eine psychische Erkrankung vermutete. Die bisherigen Vorschriften sind lückenhaft, sagt auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD): "Wir gucken aktuell ja nicht mal bei Erteilung, ob jemand psychisch geeignet ist. Das tun wir bei Menschen bis 25. Und jetzt geht es darum, diese Altersgrenze aufzuheben. Das kann man ja gar nicht verstehen: Warum soll man nicht bei über 25-Jährigen das auch prüfen?" Nach der Amoktat will die Bundespolitik nun handeln. Künftig sollen bereits Anhaltspunkte für psychische Probleme reichen. "Damit es nicht so schwer ist für die Waffenbehörde, auch psychologische Nachprüfungen noch mal zu veranlassen", so Grote.
Waffenexperte: "Behörden setzen falsche Priorität"
Sportschützen werden umfassend kontrolliert, etwa ob sie Waffen und Munition sicher lagern. Auch, ob sie regelmäßig trainieren, andernfalls drohe der Verlust der Waffenbesitzkarte. Die Behörden setzten die falsche Priorität, sagt etwa Waffenexperte Lars Winkelsdorf: "Trainiert der Schütze ordnungsgemäß? Trainiert er intensiv? Kann er begründen, warum er die Waffe haben muss? Ob tatsächlich Gefahren drohen, das wird so gut wie gar nicht bearbeitet derzeit."
Jedenfalls sei das meiste Bürokratie, sagt auch Eberhard Krieger aus Langenhorn. Er hat seitenweise Schriftverkehr für seine alte Schreckschusswaffe aus Jugendtagen: Registierung, Ummeldung, immer wieder Nachweise und Kontrollen. Vergangenen November reichte es ihm. Er könne die Waffe bei jeder Polizeidienstelle abgeben, erklärte die Waffenbehörde. "Als ich die Waffe aus der Tasche herausgenommen habe, war die Besetzung der Wache sehr entsetzt und begann erst mal mit einem umfangreichen Ermittlungsverfahren, ob eine Straftat vorliegt." Er hätte die Schreckschusspistole verschlossen transportieren müssen. Doch trotz Nachfrage habe ihm die Waffenbehörde das nicht gesagt. Bestraft wurde er nicht, aber ein Eindruck ist geblieben: dass die Behörde sehr mit administrativen Aufgaben beschäftigt ist.