LNG: Fakten zu Flüssigerdgas und Projekten in Norddeutschland
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Unsicherheit bei der Energieversorgung setzt die Bundesregierung auch auf Flüssigerdgas (LNG), um einen Gasmangel in Deutschland zu verhindern. Im Norden entstanden dafür die ersten LNG-Terminals Deutschlands.
Den Anfang machte das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das Mitte Dezember 2022 eröffnet wurde. Einen Monat später folgte ein Terminal in Lubmin, gefolgt von einem Terminal in Brunsbüttel. Wo sind noch Anlagen geplant, wie funktioniert LNG überhaupt und welche Kritik gibt es an der Technologie?
Was bedeutet eigentlich LNG?
LNG bedeutet Liquefied Natural Gas - also verflüssigtes Erdgas - und besteht zu rund 98 Prozent aus Methan. Es ist farblos und ungiftig. Produziert wird es, indem Erdgas auf minus 161 bis 164 Grad Celsius gekühlt wird. Das Volumen wird so um das 600-fache verringert. Hier liegt der große Vorteil von LNG: Es braucht wesentlich weniger Platz als Erdgas und kann somit leicht ohne Pipelines in weit entfernte Länder geliefert werden. Flüssigerdgas wird vor allem von den USA, Kanada, Katar, Australien und Russland exportiert. Genutzt wird LNG für die Produktion von Strom und Wärme sowie als Kraftstoff in der Schifffahrt, außerdem in der Metallindustrie und Düngemittel-Produktion.
Welche Arten von LNG-Terminals gibt es - und was passiert dort?
An einem festen, landbasierten LNG-Terminal können mit Flüssigerdgas beladene Tankschiffe anlegen. Das LNG wird dort wieder in den gasförmigen Zustand umgewandelt - regasifiziert - und kann anschließend in das Gasnetz an Land eingespeist werden. Zudem gibt es schwimmende LNG-Terminals. Als solche fungieren spezielle Schiffe, in der Branche "Floating Storage and Regasification Unit" (FSRU) genannt, auf denen das flüssige Erdgas umgewandelt und an Land geleitet werden kann. In Lubmin gibt es wegen der niedrigen Wasserstände eine besondere Lösung: Das Terminal wird über kleinere Shuttle-Schiffe versorgt, die das LNG von einem größeren Tanklager-Schiff auf der Ostsee holen. Dieses Spezialschiff ist die "Neptune", die seit Mitte Dezember 2022 vor Lubmin liegt. Die Inbetriebnahme schwimmender Terminals ist relativ schnell umzusetzen, aber teuer. So kostet die Miete für das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven 120.000 Euro - pro Tag.
Wo sollen in Norddeutschland feste Terminals entstehen?
Langfristig ist der Bau von drei festen LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade geplant. Für den Bau des ersten stationären Terminals Deutschlands in Stade ist nach Angaben der beteiligten Unternehmen vom März 2024 die Finanzierung gesichert. Das Terminal soll etwa eine Milliarde Euro kosten, teilte das Konsortium Hanseatic Energy Hub mit, zu dem das spanische Unternehmen Técnicas Reunidas gehört. Ab 2027 sollen über das Terminal den Angaben zufolge LNG, synthetisches Erdgas und verflüssigtes Biomethan importiert werden. Für das landseitige Terminal in Brunsbüttel, das für 2026 terminiert ist, erteilte das zuständige Amt in Schleswig-Holstein inzwischen eine Genehmigung für erste Arbeiten. Das Unternehmen German LNG dürfe mit der Einrichtung der Baustelle und umfangreichen Vorbereitungen für die technischen Anlagen beginnen, teilte das SH-Wirtschaftsministerium am 19. Februar mit. Die endgültige Genehmigung für das Terminal steht aber noch aus.
Wie erfolgt die Versorgung mit LNG vor Fertigstellung der festen Terminals?
Als Übergangslösung, bis die festen Terminals fertig sind, sollen insgesamt sechs schwimmende Terminals an Deutschlands Küsten dienen - fünf staatliche und ein privates (in Lubmin). Neben den bereits eröffneten Terminals im niedersächsischen Wilhelmshaven, in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein sind auch noch in Stade (Niedersachsen) und im Hafen Mukran auf Rügen Terminals vorgesehen. Am Rostocker Überseehafen soll ein privates, deutlich kleineres festes LNG-Terminal entstehen. In Hamburg wurden nach einigem Hin und Her Pläne für ein LNG-Terminal im Hafen endgültig gestoppt.
Wie sieht der Zeitplan für die schwimmenden Terminals aus?
Am Standort Wilhelmshaven traf Anfang 2023 der erste Tanker mit einer vollständigen Ladung LNG am schwimmenden Terminal ein. Ursprünglich sollte dort Ende 2023 ein zweites Terminal fertig sein - laut der bundeseigenen Betriebsgesellschaft Deutsche Energy Terminal (DET) ist nun aber geplant, dass dieses erst bis Ende des zweiten Quartals 2024 an den Start geht. Eine neue Gas-Pipeline von Wilhelmshaven nach Leer ging Ende Januar in Betrieb. In Brunsbüttel erreichte am 20. Januar 2023 das schwimmende LNG-Terminal "Höegh Gannet" den Hafen, Mitte Februar 2023 legte dort der erste LNG-Tanker an. Das Lubminer Terminal wurde Mitte Januar 2023 eröffnet. Das schwimmende Terminal in Stade erreichte seinen Standort Mitte März 2024, anschließend geht es in die Testphase. In Mukran auf Rügen kann die rund 50 Kilometer lange Gaspipeline, die das LNG-Terminal an das Gasfernleitungsnetz in Lubmin östlich von Greifswald anbinden soll, voraussichtlich Mitte Mai in Betrieb gehen. Im Rostocker Überseehafen will zudem ein privater Investor ein Terminal 2026 eröffnen.
Könnte sich der Zeitplan weiter verzögern?
Zum Beispiel durch Klagen von Anwohnern oder Umweltschutzorganisationen könnten sich die Pläne zur Inbetriebnahme neuer Anlagen ändern. Es gab aber auch bereits ganz andere Ereignisse, die sich auf die Zeitpläne auswirken könnten: Im Januar 2024 wurde beispielsweise gemeldet, dass die LNG-Pipeline, die von Brunsbüttel nach Hetlingen in SH führen soll, möglicherweise sabotiert wurde. Nach Angaben der Errichterfirma Gasunie wurden in die Pipeline an mindestens drei Stellen Löcher gebohrt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt. Am schwimmenden Terminal in Stade kam es Mitte Februar im Testbetrieb zu einem Zwischenfall: 60.000 Kubikmeter Gas aus einer defekten Leitung mussten abgefackelt werden. Laut der Betreibergesellschaft werde sich der Start durch den Zwischenfall aber nicht verzögern.
Welche Umweltschäden werden durch Bau und Betrieb von LNG-Terminals befürchtet?
In Niedersachsen klagt die Umweltschutzorganisationen Deutsche Umwelthilfe (DUH) dagegen, dass der Terminal-Betreiber Uniper seine Anlage in Wilhelmshaven mit Chlor reinigt. Genehmigt hatte das der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Gegen diese Behörde richtet sich die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die DUH sieht das sensible Ökosystem Wattenmeer gefährdet, die Chloreinleitung sei rechtswidrig. Wasseruntersuchungen hatten laut NLWKN hingegen keine Auffälligkeiten gezeigt, jedoch übten Umweltverbände Kritik am Zeitpunkt der Probenentnahme. Das zweite Terminal in Wilhelmshaven soll ohne Chlor auskommen. Es gibt durch die LNG-Anlagen aber noch weitere Umweltprobleme: Der NABU etwa befürchtet durch Verlegearbeiten von Pipelines wie der von Mukran nach Lubmin Schäden für den Meeresboden. Seine Klage sowie eine weitere der Deutschen Umwelthilfe wurden vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aber abgewiesen.
Welche Kritik gibt es noch - etwa von Anwohnern?
In Brunsbüttel klagten Anwohner bereits Anfang 2023 über Lärm und über störende Beleuchtung. Der Betreiber des LNG-Terminals, die Deutsche Energy Terminal GmbH (DET), sagte dazu im Februar 2024, man sei dabei, weitere Schalldämpfer einzubauen, um den Lärm für die Anwohner zu reduzieren. Auch in Lubmin beschwerten sich Einwohner über Geräuschbelästigung durch das LNG-Terminal. In die Motoren des LNG-Schiffes wurden daraufhin Schalldämpfer eingebaut. Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen legten auch gegen das in Stade geplante LNG-Terminal Beschwerde beim Gewerbeaufsichtsamt in Lüneburg ein. Beim geplanten Terminal in Mukran warnen Touristiker und Umweltschützer zudem vor den Folgen für den Fremdenverkehr und die Natur. Die Gemeinde Binz auf Rügen will Klage gegen den Regelbetrieb des LNG-Terminals Mukran einreichen - sie sieht schwerwiegende sicherheitstechnische und rechtliche Mängel.
Welche Zweifel am Nutzen der LNG-Terminals bestehen aus wirtschaftlicher Sicht?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam Mitte Februar 2024 zu dem Schluss, dass sich die Lage auf dem Gasmarkt zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine entspannt hat. Eine Gas-Mangellage, mit der der beschleunigte LNG-Ausbau seit 2022 gerechtfertigt werde, sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Die drei bestehenden schwimmenden Terminals seien nur zur Hälfte ausgelastet gewesen. Die im LNG-Beschleunigungsgesetz angedachten Vorhaben und Standorte müssten auf den Prüfstand, so das DIW. Insbesondere wandte sich das Institut gegen den Bau eines Terminals auf Rügen. Dieses wäre weder notwendig noch kosteneffizient. Auch die langfristigen Vorhaben, in Wilhelmshaven und Stade neben schwimmenden auch feste Terminals zu installieren, müssten überprüft werden, forderte das DIW. Die Pläne seien überdimensioniert. Das Umweltministerium in Niedersachsen will dagegen an den Vorhaben festhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig widerspricht mit seinem Urteil vom 25. April 2024 der Auffassung des DIW: Ihm zufolge ist das Projekt gerechtfertigt, "um die fortbestehende Krise der Gasversorgung infolge der Einstellung der russischen Gaslieferungen und der Zerstörung der Nord Stream Pipelines zu bewältigen". Somit verstoße es nicht gegen Bundesrecht. Das Gericht gab damit den Weg frei, damit das Terminal im Mai 2024 in den Regelbetrieb starten kann.
Was kosten die LNG-Terminals?
Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die Kosten für die fünf geplanten staatlich betriebenen LNG-Terminals in Deutschland im Dezember 2022 auf bis zu 9,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2022 bis 2038. Durch sogenannte Regasifizierungsentgelte für die Einspeisung ins Netz will der Bund mit den LNG-Terminals aber auch Geld verdienen.
Woher kommt das Flüssigerdgas für Deutschland?
Ein Viertel der Primärenergie-Versorgung in Deutschland wird laut Bundesnetzagentur durch Erdgas abgedeckt. Ein großer Teil davon kommt über Pipelines - etwa aus Norwegen. Flüssigerdgas erhält Deutschland hingegen vor allem aus den USA. Das LNG wurde bis zur Errichtung der ersten deutschen Anlagen über Terminals in den Niederlanden, Belgien und Frankreich aufgenommen und dann nach Deutschland geliefert. Zu den größten LNG-Exporteuren zählt neben den USA Katar. Mit dem Golfstaat schloss Deutschland Ende November 2022 ein Abkommen, demzufolge das Energieunternehmen Qatar Energy ab 2026 Flüssiggas nach Deutschland liefern will. Das verflüssigte Erdgas aus Katar soll demnach am LNG-Terminal in Brunsbüttel ankommen. Das Abkommen sichert nach den damaligen Angaben des katarischen Energieministers eine Lieferung von 2,7 Milliarden Kubikmetern jährlich über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren zu. Weitere wichtige LNG-Exportländer sind etwa Norwegen, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Israel und Australien.
Kann LNG die russischen Gaslieferungen ersetzen?
Die Menge an Erdgas, die vor dem Ukraine-Krieg jedes Jahr über drei Pipelines aus Russland in Deutschland ankam, war gewaltig: 2020 waren es etwa 56 Milliarden Kubikmeter. Wenn alle LNG-Terminals in Betrieb sind, könnten sie etwa die Hälfte dieser Menge umschlagen. Im ersten Halbjahr 2023 machten die Importe über die drei fertigen LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin mit sechs Prozent nur einen Bruchteil der gesamten Gasimporte von rund 526 Terawattstunden aus. Der deutsche Jahresverbrauch an Erdgas lag laut der Statistik-Plattform Statista im Jahr 2021 mit 91,7 Millionen Kubikmetern auf einem vergleichsweise hohen Wert. Im Jahr 2022 betrug der Jahresverbrauch hierzulande lediglich 77,3 Millionen Kubikmeter. In der Annahme, dass der Verbrauch langfristig zurückgehen dürfte, kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu dem Schluss, dass der Ausbau von LNG-Importkapazitäten im geplanten Umfang nicht notwendig sei.
Ist LNG umweltfreundlich?
Bei der Antwort muss man zwei Punkte unterscheiden: die Auswirkungen auf die Gesundheit und die Auswirkungen auf das Klima. Der Einsatz von LNG etwa in der Schifffahrt ist im Gegensatz zum heute vor allem genutzten Schweröl deutlich schadstoffärmer, bestätigt unter anderem die TU Hamburg. Ob LNG aber auch klimafreundlicher ist, ist nicht eindeutig zu beantworten. Das hängt davon ab, wie das Erdgas gefördert, zu LNG verarbeitet und dann eingesetzt wird. So fördern die USA Erdgas zum Beispiel vor allem mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode. Zudem besteht LNG fast komplett aus Methan, das auf dem Produktions- und Lieferweg entweichen kann ("Methanschlupf"). Methan ist ungefähr 25 Mal so klimaschädlich wie Kohlenstoffdioxid (CO2) und trägt stark zum Treibhauseffekt bei. Das "NewClimate Institute" in Köln kritisierte, dass der Umfang der neu geplanten LNG-Infrastruktur im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen Deutschlands stehe.
Wie sieht die Zukunftsperspektive von LNG aus?
Umweltschützer und Experten befürchten, der Ausbau der LNG-Technologie könnte dazu führen, diese nicht nur für den Übergang auf erneuerbare Energien zu nutzen, sondern dabei zu bleiben. Der NABU plädiert daher dafür, Gas aus erneuerbaren Energien zu gewinnen und eine Zertifizierung für umweltfreundliches Gas einzuführen. Die Organisation "Fridays for Future" sieht in Erdgas einen "Brandbeschleuniger der globalen Klimakrise". Deutschland brauche daher keine neue Erdgas-Infrastruktur, "um die Abhängigkeit von autokratischen Regimen wie Russland zu beenden, sondern den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien". Die fest installierten, späteren LNG-Terminals sollen sich auch für grünen Wasserstoff nutzen lassen, so die Pläne der Bundesregierung. Laut einer Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung wären dazu aber teils erhebliche technische Anpassungen erforderlich, die bereits beim Bau berücksichtigt werden sollten.
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