Hörbücher - Pro und Contra: Lieber lesen oder hören?
Für die einen ist es ein Segen, wenn sie auf dem Sofa oder beim Joggen einem Hörbuch lauschen können, andere nehmen lieber das Buch in die Hand und lesen selbst. Über die Vor- und Nachteile von Hörbüchern.
NDR Kultur Moderator Mischa Kreiskott ist ein Lesemuffel und kann sich einen Spaziergang ohne Hörbuch kaum vorstellen. NDR Kultur Autorin Lena Bodewein dagegen kann mit Hörbüchern wenig anfangen - sie bevorzugt das aktive Selbstlesen.
Was Hörbücher attraktiv macht
von Mischa Kreiskott
Es ist ein Luxus, sich vorlesen zu lassen. Mit Knopf im Ohr beim Spazierengehen den Wind um die Nase, im Zug, wenn die Landschaft vorbeirauscht. Zuhause bei sämtlichen lästigen Putz-, Sortier- und Räumaufgaben. Bei diesen und tausenden anderen Gelegenheiten, wenn man die Hände frei haben muss, oder man einfach so intensiv lauschen möchte - immer dann ist das Hörbuch das Medium der Wahl. Intensiv mit den Ohren zu lesen, hat etwas Beruhigendes und Hypnotisches. Tief in die Stimme der Vorlesenden einzutauchen, gibt Literatur die musikalische Dimension. Und nein, wir sprechen hier nicht von den billigen Massenproduktionen, die manche Sreamingdienste anbieten. Bei guten Hörbüchern geht es um wahre Vorlesekunst: die dunkel raunende, charmant lispelnde Hannelore Hoger, das mächtige Dröhnen des Will Quadflieg, die unendlich vielen Stimmen des Rufus Beck, der sich mühelos in Elfen oder dunkle Zaubererer verwandeln kann. Das bedächtige Deklamieren von Gerd Westphal, dem man auch dann noch gerne zugehört hätte, wenn er Zusatzverordnungen und Fußnoten des Mietrechts vorgetragen hätte.
Und heißt es nicht immer, man könne sich Gehörtes nicht so gut merken wie Gelesenes? Merkwürdig: Westphals mächtiges Missingsch des Johann Buddenbrook oder das aufgeregte Niederpreußisch von Kindermädchen Ida Jungmann habe ich heute noch in den Ohren, als hätte ich das Mammutwerk erst gestern gehört. Damals musste man noch Schuber von CDs mit sich herumtragen, die man bloß nicht durcheinanderbringen durfte. Auch dass diese Zeiten vorbei sind, macht Hörbücher noch attraktiver. Die Weltliteratur in der Hosentasche.
Bücherhören heißt Fokussieren. Dem Pegel der Zeit für einen Moment entfliehen, sich ganz einlassen auf einen Stoff und eine Stimme.
Warum Hörbücher schwierig sind
von Lena Bodewein
Das mal vorneweg: Es gibt ganz ganz tolle Hörbücher. Gelesen von Schauspielern und Schauspielerinnen, die mit vielen verschiedenen Stimmen ganze Universen erschaffen. Einige haben uns jahrelang durch die Kindheit des Sohnes begleitet: Armin Rhode, wie er hotzenplotzt und dimpflmosert. Oder Stephen Fry, der harry-pottert und dumbledort, eine wahre Freude - leider in Dauerschleife.
Und es gibt ganz tolle Autoren, die wunderbar schreiben, herrliche Formulierungen finden, deren Lektüre allein schon ungemein erquickend ist. Aber sie können eben schreiben - das heißt nicht unbedingt, dass sie das Geschriebene auch vortragen können. "Ja, aber sie wissen doch am besten, wie ihre Texte interpretiert werden sollten", sagen dann die Puristen. Nein, meine Lieben, wenn der Text so gemeint ist, wie es manchmal klingt, wenn die Autorinnen und Autoren selbst lesen, dann ist das leider echt dröge und langweilig - und das kann‘s ja nicht sein.
Wenn ich Hörbücher höre, schlafe ich stehenden Fußes ein. Kann aus der Kindheit kommen. Aber es ist mir ein wahres Rätsel, wie Menschen über 63 Stunden hinweg wachbleiben können, wenn "Der Mann ohne Eigenschaften" gelesen wird. Oder 37 Stunden Ken Follett! "Bei langen Autofahrten sind Hörbücher super", heißt es dann - nein! Einschlafen am Steuer, hallo?! Hörbücher sind doch eine einzige akustische Unfallgefahr! Will sagen: Ich möchte Büchern, vor allem guten, die nötige Zeit und das Engagement widmen, mir die Worte und Sätze und den Inhalt durch Selbstlesen zu erarbeiten. Und von mir aus nach dieser Arbeit einzuschlafen. Aber Hörbücher, vom Autor selbst gelesen - das geht nicht. "Die Bibel, gelesen von Gott" - danke, aber bin vor der Schöpfung eingepennt.