Harbour Front: Neuer Leiter Joachim Lux spricht über seine Pläne
15 Jahre lang ging im Herbst das größte norddeutsche Lesefest über die Bühne. Das Hamburger Harbour Front Literaturfestival war für Fans ein wichtiger Anker im Lesejahr und hat mit besonderen Formaten für Aufmerksamkeit gesorgt. Es gab Lesungen an verschiedenen Orten wie der Elbphilharmonie, der St. Pauli Kirche oder auch mal auf einem Schiff. Das Festival hat auch immer wieder für Begegnungen zwischen den Künsten gesorgt, beispielsweise Musik und Literatur verknüpft.
Herr Lux, die Nachricht war schon eine Überraschung. Wir kennen Sie natürlich aus dem Theater - wie sind Sie denn jetzt zum neuen Job in der Literaturbranche gekommen?
Joachim Lux: Ich bin schlicht und ergreifend von den bisherigen Machern und der Programmdirektorin Petra Bamberger gefragt worden. Wir haben uns ein bisschen miteinander beschäftigt und uns ausgetauscht, und am Ende habe ich gesagt: Das könnte doch interessant sein.
Das Festival setzt in diesem Jahr aus. Die Begründung für diese Pause war: Man wolle sich organisatorisch, personell und finanziell neu aufstellen. Die Zeichen standen also auf Erneuerung. Warum sind Sie für diese Position qualifiziert?
Lux: Die Zeichen stehen und standen auf Erneuerung. Es ist letztendlich so, dass zunächst mal Theater eine Umsetzung von Literatur ist. Das heißt, ich habe mich mein ganzes Leben lang mit Literatur beschäftigt. Das vergisst man vielleicht, wenn man von außen auf solche Betriebe guckt. Das ist mein Kerngeschäft, auch der Umgang mit Autoren, Verlagen und so weiter. Allerdings ist zuzugeben, dass ich mich natürlich auch einarbeiten muss. Der zweite Punkt ist, dass es ein Festival ist, und eine der großen Herausforderungen ist es, ein Festival-Gefühl zu vermitteln. Damit habe ich relativ viel Erfahrung. Ein dritter Punkt ist, dass die performative Form der Literatur-Präsentation ohnehin im Vormarsch ist und ich mir vorstelle, dass ich mit meinen Kenntnissen im Theaterbereich da vielleicht ein bisschen was bewegen kann und auch viele Schauspielerinnen und Schauspieler kenne, die für Präsentationen in Frage kommen.
Was sind Ihre Pläne für das Harbour Front Festival?
Lux: Zunächst mal geht es darum, eine Bilanz zu ziehen dessen, was war oder was ist. Das ist über 15 Jahre auf eine sehr schöne Weise gewachsen. Es ist ein Festival, das seine eigene Kultur hat. Stand heute ist, dass wir da nicht mit der Axt durchgehen und alles komplett neu machen, sondern dass wir uns in Ruhe angucken, wo Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch Entwicklungsnotwendigkeiten sind.
Sie können also noch nicht genau sagen, was Sie anders machen wollen?
Lux: Meine zusätzliche Expertise besteht darin, dass ich mich wirklich gut mit Theater auskenne. Ich weiß ungefähr, wie man ein Festival aufstellen kann, sodass dieses Gefühl auch entsteht. Das ist aber bei so vielen verschiedenen Orten eine besondere Herausforderung. Das ist die allererste Aufgabe. Es gibt auch weitere Aufgaben: zu fragen, wo denn die junge Literatur ist - das ist mir total wichtig. Auch die Frage, wie gut oder wie schlecht weibliche Literatur vertreten ist, ist sehr wichtig. Das sind innere Setzungen, um die man sich besonders kümmern will.
Wie genau sehen Ihre kommenden Wochen und Monate aus?
Lux: Ich bin bis zum Sommer 2025 Intendant des Thalia Theaters, und das erste Festival, das ich als künstlerischer Leiter in die Hand nehmen werde, ist im Herbst 2025. Und daran arbeiten wir jetzt.
Inwiefern sind Sie dann in Ihrer Arbeit im Thalia Theater eingeschränkt?
Lux: Eigentlich gar nicht, weil es in der Branche vollkommen normal ist, dass man, wenn man einen Wechsel macht, am Ort, an dem man gerade ist, bereits den kommenden vorbereitet. Normalerweise müsste ich jetzt die übernächste Saison am Thalia Theater planen - davon bin ich frei. Und dadurch entsteht auch ein gewisser Raum, um sich mit diesen Dingen zu beschäftigen.
Die ELB.lit ist auch ein Literaturfestival mit ähnlichem Programm, auch in Hamburg, auch im Herbst. Eva Schuderer aus dem Team der lit.COLOGNE und der ELB.lit hat gesagt, dass zwei Festivals im Herbst totaler Quatsch seien. Wenn Sie im nächsten Jahr wieder an den Start gehen, wie gehen Sie mit dieser Konkurrenz um?
Lux: Ich weiß gar nicht, ob es diese Konkurrenz gibt. Es war von Anfang an klar, dass das Harbour Front Literaturfestival nicht beendet ist, sondern nur für ein Jahr pausiert. Es war jedem klar, dass es dieses Festival im Herbst 2025 wieder geben wird. Wie jetzt Mitbewerber darauf reagieren, das kann ich Ihnen nicht sagen.
Gibt es einen Text oder einen Stoff, auf den Sie schon immer Lust hatten, wo Sie denken: Damit könnte es im nächsten Jahr losgehen?
Lux: Sehr gute Frage. Ich habe was übrig für Giganten-Formate, was die Dauer angeht, weil ich den Zustand der fortschreitenden Besinnungslosigkeit, wo eine ganze Nacht lang gelesen wird, einfach großartig finde. Wir haben so etwas öfters gemacht. Wir haben im Thalia Theater zum Beispiel "Lange Nacht der Weltreligionen" gemacht. Oder wir haben mal im Burgtheater, wo ich früher war, Raoul Schrott an zwei Tagen à acht Stunden gelesen. Oder man kann "Ulysses" komplett lesen, bis alle erschöpft in ihrem Schlafsack kriechen. So etwas finde ich schön.
Das Gespräch führte Charlotte Oelschlegel.