Palästinenser und Unterstützer kritisieren Demoverbot in Hamburg
In Hamburg sind bis Sonntag alle pro-palästinensischen Demonstrationen von der Versammlungsbehörde verboten worden. Viele der Demonstrierenden kritisieren den Eingriff der Polizei, fühlen sich unter Generalverdacht gestellt.
Nikodem Kaddoura steht auf dem Hamburger Rathausmarkt. Hier hätte er am Mittwochabend gerne für die Rechte der Palästinenser demonstriert. Aber die Kundgebung wurde von der Polizei aufgelöst. Sie war zuvor verboten worden. "Das Einzige, was ich machen wollte, ist: auf die Straße gehen, meine Meinung kundtun und für den Frieden demonstrieren", so Kaddoura.
"Wir werden abgestempelt als Terroristen"
Der 23-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen. 1948 fliehen seine Großeltern aus dem heutigen Israel in den Libanon. Dort hat er immer noch Familie. Sein Eindruck: die pro-palästinensische Community steht derzeit unter einem Generalverdacht. Er zeigt einen Artikel aus dem Internet mit einem Bild, auf dem er eine Flagge auf dem Rücken trägt und von hinten zu sehen ist - dazu die Überschrift "Hamas-Unterstützer". "Ich finde es schade, weil wir nicht erhört werden", sagt Kaddoura. "Wir werden abgestempelt als Terroristen, als Hamas-Unterstützer, obwohl wir letzten Endes auf den Demonstrationen für Frieden plädieren."
Kaddoura distanziert sich von jeglicher Gewalt, die unschuldige Zivilisten trifft - auch von der Terrorgruppe Hamas. Trotzdem ist er nicht der Meinung, dass bei diesen Demonstrationen insgesamt eine klare Abgrenzung zur Terrorgruppe notwendig wäre: "Wir müssen nicht immer gegen etwas sein, gegen Partei X oder Y. Wir wollen für etwas, für Frieden, für Freiheit, sein."
"Es hat auch ganz klar rassistische Hintergründe"
Yafa will sich dagegen nicht zur Hamas positionieren. Die 25-Jährige möchte nicht mit ihrem richtigen Namen nicht genannt werden. Sie ist in Deutschland geboren aber sie fühlt sich nur als Palästinenserin. Schon seit Jahren ist sie aktiv, unter anderem für den deutsch-palästinensischen Frauenverein. Für sie ist das Demonstrationsverbot nicht hinnehmbar. "Es hat auch ganz klar rassistische Hintergründe, gegen Muslime und gegen Palästinenser", meint Yafa. "Das beleuchtet für mich auch noch mal diese Ungleichheit: Es wird immer 'Konflikt' genannt, aber eine Seite hat eindeutig den militärischen Vorteil." Rassistische Motive - das unterstellt sie den Behörden. So denken viele aus ihrem Umfeld. Deshalb will auch sie für ein freies Palästina demonstrieren.
Staatsrechtler: Recht auf freie Meinungsäußerung wird beschnitten
Versammlungen müssen im Allgemeinen friedlich laufen, sagt Ulrich Battis, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität Berlin. Ist dies in Gefahr, dürfen sie verboten werden. Doch auch Battis ist der Meinung, dass durch die Allgemeinverfügung in Hamburg das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird: "Es werden pauschal Versammlungen verboten, ohne dass eine konkrete Einzelfallprüfung stattgefunden hat. Das ist der entscheidende Punkt. Als prophylaktische Maßnahme kann man sicherlich sagen, das ist verständlich, insbesondere wenn man bedenkt, was in Berlin passiert ist an Demonstrationen und Gewaltausbrüchen. Dann sind Verbote verständlich. Aber das schließt nicht aus, dass im Einzelfall nachgewiesen werden muss, welche Gefahren bestehen und welche Gewalttaten befürchtet werden."
Das Existenzrecht Israels anerkennen? Keine Antwort
Für Yafa ist die Situation, mit oder ohne Demos, zunehmend belastend. Auch weil die Reaktionen auf den aktuellen Konflikt immer extremer werden, vor allem im Netz. Yafa zeigt auf ihrem Smartphone ein Beispiel. "Hier steht: ‘Drecks-Terroristen-Pack. Hoffentlich bombt Israel euch und eure verwilderte Sippe die Scheiße so richtig aus dem Leib.’ Es wird verallgemeinert auf alle Palästinenser - als ob alle Palästinenser Terroristen sind." Yafa fühlt sich damit zunehmend auch persönlich angegriffen. Trotzdem will sie sich weiter für das Recht der Palästinenser einsetzen. Auf die Frage, ob sie das Existenzrecht Israels anerkenne, antwortet sie nicht.