"Swift Quake": Mehr Schwingungen beim Konzert als bei der Fußball-EM
Kein Konzert - auch nicht Taylor Swift - löst ein echtes Erdbeben aus. Trotzdem sprechen auch Forscher von den sogenannten "Swift Quakes". Denn wenn mehr als 50.000 Fans gleichzeitig tanzen, bebt die Erde. Wissenschaftler der Uni Hamburg haben die Schwingungen während des Konzerts gemessen.
Schon bei vergangenen Konzerten der 34-jährigen Popsängerin wurde beobachtet, dass der Boden vibriert, wenn ihre Fans springen und tanzen. Die Universität Hamburg hat die seismischen Auswirkungen des US-Musikstars mit etwa 19.000 Sensoren gemessen. Die Vibrationen waren über den Campus der Science City Hamburg in Bahrenfeld bis nach Schenefeld in Schleswig-Holstein, vier Kilometer entfernt, zu spüren. Die seismischen Wellen, die während der Auftritte entstehen, konnte man sich sogar im Livestream anschauen. Die Frequenzen schlugen während des Konzerts bis zu sechs Hertz aus. Was es mit den Messungen genau auf sich hat, verraten Axel Lindner und Aaron Spector vom Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg (DESY).
Herr Lindner, wie bewerten Sie das gestrige Konzert von Taylor Swift in Hamburg?
Axel Lindner: Das waren für uns die größten Störungen, die wir jeweils in unserem Messapparat gesehen haben.
Was sieht man da genau?
Aaron Spector: Wir können sagen, dass das Signal doppelt so groß war wie das Signal bei den EM-Spielen vor ein paar Wochen.
Wie stark ist es, wenn man es mit einem Erdbeben vergleicht?
Lindner: Ich bin kein Geophysiker, aber wissenschaftlich würde ich das nicht vergleichen. Was wir messen, ist das Springen der Leute und wie sich das als Schallwellen im Boden fortpflanzt.
Es ist nicht der Bass oder die Musik, die dort erklingt, sondern es sind tatsächlich die Menschen?
Lindner: Ja, genau. Leider können wir das nicht in einem Ton zurückverwandeln und dann heimlich bei uns im Tunnel dem Taylor Swift-Konzert folgen. Das geht leider nicht. Wir sehen im Wesentlichen das Springen der Menschen. Das ist ein Menschenmassenspringen etwa zwei bis dreimal pro Sekunde, und das induziert Längenschwankungen in unserem Apparat. Wir haben einen Lichtspeicher aus zwei Spiegeln, der 125 Meter lang ist, und der wackelt dann rhythmisch um einen Millionstel Meter.
Animiert die Musik von Taylor Swift aus Ihrer Sicht gut zum Springen?
Spector: Ja, wirklich. Ich glaube, das wirklich Wichtige ist: Wenn Menschen zu Musik springen, springen sie zusammen. Wenn sie für ein Tor springen, springen sie nicht alle zur selben Zeit, aber wenn sie zu Musik springen, springen sie alle im selben Rhythmus. Das ist viel einfacher für uns zu erkennen, als wenn Menschen willkürlich springen.
Was kann man aus diesen Erkenntnissen machen? Kann man aus diesen grafischen Darstellungen Kunst machen oder ist es mehr ein Spaß? Was ist die wissenschaftliche Erkenntnis draus?
Lindner: Wir sind Experten, die nach der Dunklen Materie im Universum suchen. Deswegen ist alles, was wie Taylor Swift Schwankungen auf der Erde verursacht, für uns erstmal eine Störung. Wir sind keine Geophysiker. Für uns ist es ein interessantes Ereignis, um unseren Apparat zu kalibrieren und zu verstehen.
Wobei helfen uns diese Erkenntnisse genau?
Lindner: Das ist ein Experiment, das wir aufgebaut haben, was versucht, Dunkle Materie zu erzeugen und zu detektieren. Das Experiment ist so empfindlich, dass wir Schwankungen auf der Erde durch ein Taylor Swift-Konzert und durch ein Fußballspiel sehen. Das ist aber nicht Ziel des Experiments gewesen. Kollegen von uns haben mit anderer Technik, mit einem Netzwerk aus optischen Fasern, ein Instrument aufgebaut, was tatsächlich dafür geplant ist, solche Schwankungen zu messen und an Experimente weiterzugeben, sodass sie diese wegrechnen können aus den eigentlichen Messungen.
Es wäre bestimmt für Taylor Swift persönlich ganz schön, wenn sie an der Entdeckung der Dunklen Materie maßgeblich beteiligt wäre. Aber das wird nicht passieren?
Lindner: Sie hat uns immerhin gute Daten zur Kalibrierung gegeben. Wenn Sie Kontakt zu Taylor Swift haben: Wir haben heute Nachmittag noch Zeit. Wir würden sie gern durch den Tunnel führen.
Was würde sie wohl besonders spannend finden bei diesem Tunnel?
Lindner: Ich kann mir vorstellen, dass sie besonders spannend finden würde, dass die Physik die Menschen genauso zusammenbringt wie die Musik. Sie wurde viel internationale Leute sehen. Vielleicht würde uns einigen, dass wir einen ähnlichen Enthusiasmus haben: wir für die Forschung, sie für ihre Musik.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.