Die nigerianisch-britische Soul- und R&B-Sängerin Sade Adu auf der Bühne mit ausgestreckten Armen und am Mikrofon bei einem Konzert 2011 in Hamburg. © picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler Foto: picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler
Die nigerianisch-britische Soul- und R&B-Sängerin Sade Adu auf der Bühne mit ausgestreckten Armen und am Mikrofon bei einem Konzert 2011 in Hamburg. © picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler Foto: picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler
Die nigerianisch-britische Soul- und R&B-Sängerin Sade Adu auf der Bühne mit ausgestreckten Armen und am Mikrofon bei einem Konzert 2011 in Hamburg. © picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler Foto: picture alliance / Jazzarchiv | Isabel Schiffler
AUDIO: Urban Pop: Sade (Teil 1) (57 Min)

Sade: Landkind, Familienmensch und keine Lust auf Starrummel

Stand: 17.02.2025 07:23 Uhr

"This bitch sings when she wants to", schrieb jemand einmal auf ein Plakat von Sade in New York - eine Anspielung auf ihre seltenen Auftritte. Warum die Sängerin gern von der Bildfläche verschwindet.

Es ist 1984. Der Hype um die "Smooth Operator"-Sängerin Sade und ihre gleichnamige Band ist groß. Denn das Gesicht der britischen Künstlerin mit nigerianischen Wurzeln war gerade auf dem Cover des bekannten Kultur- und Lifestyle-Magazins "The Face" erschienen, ein mit ihr befreundeter Journalist hatte dies in die Wege geleitet. Und so zog es an diesem Abend tausende neugierige Menschen vor die Tür des Londoner Nachtclubs "Heaven", um Sade live zu sehen und ihre kühl-soulige Stimme zu hören.

Eine Zeichnung von Sade © Ocke Bandixen NDR Foto: Ocke Bandixen
AUDIO: Urban Pop: Sade (Teil 2) (64 Min)

Dabei hatten es diverse Plattenfirmen nur ein Jahr zuvor noch abgelehnt, die Band unter Vertrag zu nehmen. NDR Musikexperte Peter Urban erzählt im Podcast Urban Pop: "Die Musik von Sade erschien den Plattenfirmen damals altmodisch, auch das Saxophon. Angesagt waren Synthesizer und Synth-Drums, die fehlten." Und so wurde nach dem Erscheinen des Zeitschrift-Covers dieser große Gig im "Heaven" veranstaltet, um der Karriere Auftrieb zu verleihen. Mit Erfolg: "Am Tag nach diesem Auftritt wollten sie viele Plattenfirmen unter Vertrag nehmen", resümiert NDR Musikredakteur Ocke Bandixen.

Derbes Landkind mit künstlerischem Talent

Sade Adu, die 1959 als Helen Folasade Adu in Nigeria geboren wurde, wuchs als Tochter eines nigerianischen Vaters und einer britischen Mutter auf. Als Adu vier Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern. Sie zog mit ihrer Mutter nach England. Sie lebte auf dem Land bei den Großeltern, weil ihre Mutter als Krankenschwester arbeitete und viel unterwegs war. "Sie war kein Stadtkind, sondern ein derbes Landkind, kletterte gern auf Bäumen herum", weiß Urban.

Die britische Popsängerin Sade am 13.07.1985 im Wembley Stadion in London während des Benefizkonzerts "Live Aid for Africa" auf der Bühne am Mikrofon. © picture-alliance/ dpa | UPPA Cgh 201894 Foto: picture-alliance/ dpa | UPPA Cgh 201894
Sade 1985 im Londoner Wembley Stadion beim Benefizkonzert "Live Aid for Africa"

Adu war gut in der Schule, hatte künstlerisches Talent. Sie ging zu einer renommierten Kunstschule in London, der "Saint Martin's School of Art", wo auch der bekannte Modedesigner John Galliano einen Abschluss machte. Adu studierte Modedesign, eröffnete später einen kleinen Laden auf dem Camden Market in London, in dem sie selbst entworfene Herrenmode verkaufte. Damals lebte sie in ärmlichen Verhältnissen in besetzten Häusern, ohne Heizung. "Sie musste hart kämpfen", so Bandixen.

Anfänge als Sängerin bei "Pride"

Dass Sade Sängerin wurde, war scheinbar ein Zufall: So suchte der Manager der Londoner Band 'Pride' damals nach einer Backgroundsängerin. "Er fragte Adu, ob sie singen kann, weil sie schwarz ist - ein Vorurteil", erzählt Urban. Adu singt vor, wird jedoch abgelehnt. Weil sich aber keine andere Sängerin findet, bekommt sie den Job später doch. Sie tourt mit der Band, schläft im Tourbus, freundet sich mit dem Gitarristen Stuart Matthewman an. Mit ihm, Paul Denman und Andrew Hale formiert sich die Band.

Sade in Hamburg: Flucht aus der Öffentlichkeit

"Dass zur Band bis auf einen Wechsel am Anfang heute immer noch diese vier Mitglieder gehören, liegt auch an Sades Treue", meint Urban. "Denn obwohl sie wahrscheinlich auch allein hätte durchstarten können, hat sie das nicht gemacht. Sie sieht sich nicht als Mittelpunkt, sondern als Teil der Band. Auch die Tantiemen wurden von Anfang an durch alle geteilt."

Der Rummel um ihre Person habe Sade nie gefallen, erzählt Urban. Entsprechend schwierig sei es gewesen, Informationen über sie zu finden, berichtet Bandixen im Podcast: "Es gibt kaum Interviews oder Artikel über sie in Zeitschriften, auch keine Bücher." Als Sade 2010 in Hamburg eine Ausstellung ihres Freundes, des Fotografen Albert Watson, besuchen will, ist ihr das öffentliche Aufsehen um ihre Person zu groß. Die Sängerin verschwindet kurzerhand in ihr Hotel. "Am nächsten Morgen, als nichts mehr los war, ist sie dann ganz früh zur Ausstellung gegangen und hat sie sich in Ruhe angeschaut. Das macht sie sehr sympathisch", findet Urban.

"Young Lion" für Sohn Izaak

Zuletzt erschien Ende 2024 ein einzelner Song von Sade. Der Song "Young Lion" wurde auf einem Benefiz-Album mit dem Titel "Transa" veröffentlicht, welches transidenten und nicht-binären Menschen eine Stimme geben soll.

"Young Lion" ist eine Hommage an Adus Sohn Izaak, der 1996 als Mädchen geboren wurde und im Jahr 2016 sein Coming-out als Transmann hatte. Im Song entschuldigt sich die Sängerin bei ihrem Sohn dafür, ihn nicht sofort verstanden und zu wenig unterstützt zu haben.

Young man, it's been so heavy for you
You must have felt so alone
The anguish and pain I should've known
With such a heavy burden
You had to carry all on your own
Forgive me, son
I should've known AUSZUG AUS "YOUNG LION"

Sohn Izaak scheint die Rolle seiner Mutter in dieser Zeit weniger kritisch zu sehen. Über Instagram bedankt er sich bei ihr für den Song, ihre Liebe und Fürsorge.

"Im Video sind scheinbar private Aufnahmen von Adu und ihrem Sohn zu sehen", berichtet Bandixen. Die Sängerin gewährt damit einen ungewohnt offenen Einblick in ihr sonst so geschütztes Privatleben. "Man verfolgt diesen Weg, den sie zusammen gegangen sind. Zum Schluss sitzt Sade mit ihrem erwachsenen, lachenden Sohn im Auto. Das finde ich unheimlich anrührend."

Privatleben hat Vorrang

Bis heute nimmt sich Sade immer wieder Auszeiten von der Öffentlichkeit und gibt ihrem Privatleben den Vorrang. "Als sie 1996 Mutter wurde, hat sie ihr Kind jeden Abend selbst ins Bett gebracht. Das war ihr wichtig, da musste die Musik jahrelang warten", so Urban. Auch der Pflege eines Familienangehörigen soll sich die Sängerin einige Jahre gewidmet haben.

Berichten zufolge ist Adu von Zeit zu Zeit im Londoner Stadtteil Islington anzutreffen. Die Sängerin soll zwischen Islington und einem alten Landsitz im Südwesten Englands pendeln, den sie sich 2005 gekauft hat. "Ihr Bandkollege Matthewman erzählte einmal, dass sie sich bei Besuchen mitunter entschuldigt, um nur kurz in den Garten zu verschwinden. Sie kommt dann wohl erst nach Stunden zurück, hat kein Zeitgefühl", berichtet Urban schmunzelnd. "Man weiß eigentlich nie, wo sie gerade ist und was sie so macht. Sade behält immer ihr Geheimnis."

Neue Musik? Sade lässt sich nicht drängen

Auch für die Entstehung neuer Musik nimmt sich Adu immer wieder jahrelang Auszeiten, lässt sich weder von ihrer Plattenfirma noch von ihrer Band zu neuen Veröffentlichungen drängen. Ob und wann in Zukunft neue Musik erscheint, bleibt also ungewiss. In einem Interview erzählte Matthewman, er habe einmal in New York ein Plakat von Sade gesehen. In humorvoller Anspielung auf ihre seltenen Auftritte habe jemand mit Graffiti darauf sehr treffend formuliert: "This bitch sings when she wants to."

Alle Folgen von Urban Pop hören Sie in der ARD Audiothek.

Weitere Informationen
Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Marianne Faithfull im Jahr 1980 © picture alliance / Photoshot | - / Peter Gravelle / Avalon Foto: picture alliance / Photoshot | - / Peter Gravelle / Avalon

Marianne Faithfull: Mehr als Micks Muse

Wer Marianne Faithfull auf ihre Beziehung zu Jagger reduziert, wird ihr nicht gerecht, meint Musikexperte Peter Urban. mehr

Led Zeppelin-Sänger Robert Plant (links) und -Gitarrist Jimmy Page bei einem Auftritt auf einem Live Aid Konzert in Philadelphia im Juli 1985 auf der Bühne. Page spielt Gitarre, während ihn Sänger Plant anschaut und lächelt. © picture alliance / AP Photo | AMY SANCETTA Foto: picture alliance / AP Photo | AMY SANCETTA

Robert Plant und Jimmy Page: Die Solojahre nach Led Zeppelin

Wie ging es für Jimmy Page und Robert Plant nach Led Zeppelin weiter? Im Podcast Urban Pop ziehen Peter Urban und Ocke Bandixen Resümee. mehr

Die vier Mitglieder der Band Coldplay. © picture alliance/dpa/Warner | Anna Lee Media Foto: picture alliance/dpa/Warner | Anna Lee Media

Coldplay: Stadiontauglicher Wohlfühl-Pop für die Masse

Mit Songs wie "Viva La Vida" füllen Coldplay Stadien. Ihre "Music of the Spheres"-Tour ist die umsatzstärkste Rocktournee aller Zeiten. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban | 15.02.2025 | 12:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Jazz

Collage aus verschiedenen Albumcovern. © V2, Capitol, Republic

Alben 2025: Neues von Ringo Starr, Lady Gaga und The Weeknd

Musikalisch ist im neuen Jahr einiges los: Viele neue Alben werden erwartet - und auf den Bühnen im Norden sind tolle Acts zu erleben. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Junus el-Naggar © Junus el-Naggar

Fünf Jahre nach Hanau: "Niemand mordet aus rein ideologischen Gründen"

Hat das Attentat von Hanau im Februar 2020 uns als Gesellschaft verändert? Ein Kommentar des Sozialwissenschaftlers Junus el-Naggar. mehr