Dota Kehr: Wie man bei Live-Auftritten Energie sparen kann
Wochenlang auf Tour sein und opulente Bühnenshows mit viel Licht und Pyro-Effekten. Kurzum: Livemusik verbraucht viel Energie. Die Liedermacherin Dota Kehr spricht darüber, wie die Kultur mit einer drohenden Energiekrise umgehen könnte.
Was würden Sie sagen: Was ist bei ihrer künstlerischen Tätigkeit der größte Energiefresser?
Dota Kehr: Ganz sicher das Reisen. Mobilität spielt ja insgesamt beim CO2-Ausstoß eine große Rolle. Das ist für Bands ganz klar Teil des Berufs. Man kann natürlich darauf achten, wie man reist. Was den Energieverbrauch vor Ort für die Beschallung und Licht angeht - das soll jetzt nicht nach Ausflucht klingen -, das liegt mehr bei den Veranstaltern, zu organisieren, woher diese Energie kommt. Ich hatte ein ganz tolles Erlebnis: Vor zwei Jahren habe ich im Dannenröder Forst bei der Waldbesetzung gespielt und die hatten eine PA, die nur mit Solarstrom funktioniert hat. Die hatte einen Akku, der den Tag über geladen hat. Das hat gereicht, um drei Stunden lang eine Menge von 1.000 Leuten zu beschallen.
Merken Sie grundsätzlich, dass sich bei Veranstaltern, bei Clubs in der Denke etwas verändert? Bekommen Sie andere Angebote? Fragen Sie konkret nach?
Kehr: Nein, da habe ich noch nichts gemerkt. Ich glaube, diese alternativen Energiequellen wären vor allem für Festivals wichtig. Die sind ja immer im Sommer, da könnte man sehr viel mit lokalem Solarstrom machen. Bei Clubs merke ich, dass Müllvermeidung mehr ein Thema ist - dass man statt Plastikwasserflaschen Glaswasserflaschen hat und dass man guckt, dass beim Catering nicht total viel weggeworfen wird.
Da ist auch viel Kreativität gefragt: Coldplay haben jetzt einen Boden, der wackelt und Strom erzeugt, wenn man darauf tanzt. Oder veganes Essen wäre eine Idee. Gibt es da Thinktanks in ihrer Szene oder ackert jeder für sich ein bisschen vor sich hin mit Ideen?
Kehr: Ich glaube, leider jeder für sich. Ich habe natürlich keinen kompletten Überblick über die Szene. Zum veganen Essen: Es hat sich zum Glück die Erkenntnis verbreitet, dass weniger Fleisch und tierische Produkte zu essen, gut fürs Klima ist. Aber leider ist Vegetarismus ohne politische Aktion noch kein Umweltschutz. Denn auch wenn die Menge des konsumierten Fleisches zurückgegangen ist, ist die Menge des inländisch produzierten Fleisches kaum gesunken. Es wird einfach mehr exportiert. Ich habe gerade eine Petition am Laufen: Wir müssen die Zahl der Nutztiere reduzieren - sowohl aus Klimaschutzgründen als auch angesichts der drohenden Ernährungskrise. Tierhaltung ohne Flächenbindung kann nicht nachhaltig sein. Das ist sofort einleuchtend. Deshalb: vegetarische Ernährung, vegane Ernährung - klar, gute Idee. Es ist auch richtig, dass die Entscheidung, die man selber als Konsument trifft, wichtig ist. Aber es reicht eben nicht aus, wenn es keine politische Aktion dazu gibt.
Wenn Sie sich ihre Konzerte angucken: Wo möchten Sie in nächster Zeit noch etwas drehen in puncto Energiesparen, auch angesichts der Energiekrise, die uns droht?
Kehr: Alternative Stromversorgung, dezentrale Stromversorgung - da liegt viel Potenzial für die Energiewende. Aber das wird niemals ausgeschöpft werden, wenn wir die Beratung der Politik den großen Energieanbietern überlassen. Dann wird die dezentrale Energieerzeugung nie relevant werden im Gespräch. Was die Mobilität angeht: In kleiner Besetzung lässt sich auch mit der Bahn touren und Equipment vor Ort stellen. Das wäre ein Schritt.
Auf Ihrem letzten Album "Wir rufen dich, Galaktika" thematisieren Sie immer wieder die Klimakrise. Wie kann Musik dabei helfen, einen effektiveren Klimaschutz voranzutreiben?
Kehr: Ich glaube, ganz viel ist im Bewusstsein der Menschen - und da spielt Musik eine große und wichtige Rolle. Ich mag überhaupt keine didaktischen Songs, die den Leuten erklären, was gut und was schlecht ist. Das finde ich ganz furchtbar. Stücke, die die eigene innere Zerrissenheit thematisieren oder die Dringlichkeit der Sache musikalisch vertonen: So etwas habe ich gemacht, da kann ich zu stehen. Bei den eigenen Konsumentscheidungen ist schon das Bewusstsein da. Und dann brauchen wir noch die politische Aktion, damit etwas passiert.
Also nicht nur auf Eigenverantwortung setzen?
Kehr: Beides. Die ganze Umweltschutzbewegung hat 30 Jahre lang zugelassen, dass Politik und Wirtschaft die Verantwortung immer wieder an die einzelnen Verbraucher zurückdelegiert haben und es zu individuellen moralischen Entscheidungen gemacht haben. Aber so wird man nie vorankommen. Es reicht nicht aus, die individuelle Konsumentscheidung zum Maß aller Dinge zu mache. Natürlich ist die Verordnung "Ab morgen soll die ganze Welt vegan essen" völlig aussichtslos. Ich finde, das sollten wir auch gar nicht. Es braucht Richtlinien, es braucht Start- und Landelizenzen, die begrenzt und ab einem gewissen Punkt reduziert werden müssen. Genauso: Es gibt soundsoviel Nutztiere. Das muss begrenzt und schrittweise reduziert werden. Ohne diese Leitplanke von der Politik wird es nicht passieren.
Ich denke, viele von uns sind voller guter Vorsätze. Manches gelingt, manches nicht, auf Liebgewonnenes zu verzichten. Haben Sie einen Tipp, wie man es besser schafft, sich langfristig zu verändern?
Kehr: Aus diesem inneren "höher, schneller, weiter, mehr" rauszukommen, ist super schwierig, weil es ganz viel mit einer Denke von "Was ist Erfolg?" und "Was ist Leistung?" zu tun hat. Ich glaube, das Klima retten wir mit dem, was wir tun, aber auch mit dem, was wir nicht tun. Eben mal nicht einen Film zu streamen und zu wissen, dass es irgendwo anders Energie verbraucht, sondern ein Buch zu lesen oder vor Ort zu sein und nicht mit seinem Smartphone immer woanders zu sein. Das sind Gewohnheiten, die total schwer abzulegen sind. Aber wenn man sich den Vorsatz macht oder wenn man das als Problem anerkennt, diese rastlose Geschäftigkeit und diese fehlende Entschleunigung, dann kommt man damit wahrscheinlich schon ein Stück weiter.
Das Gespräch führte Eva Schramm.
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