Was war 2023 in der Klassik-Szene los?
Das nächste Jahr guckt schon um die Ecke, so langsam können wir uns an die Zahl 2024 gewöhnen. Aber vorher wollen wir auf die vergangenen zwölf Monate schauen - auf das, was in der Klassik-Szene passiert ist.
185.000 Besucherinnen und Besucher beim Schleswig-Holstein Musik Festival, also fast so viele wie im Rekordjahr 2019. Ein Deutscher Chorwettbewerb in Hannover mit rund 4.000 Singbegeisterten und auf hohem künstlerischem Niveau. Und eine Elbphilharmonie in Hamburg, in der wieder viele Konzerte Monate im Voraus ausverkauft sind. In manchen Bereichen sieht das Musikleben in der Klassik wieder so gesund aus wie vor der Pandemie. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Viele Veranstalter haben immer noch schwer zu kämpfen. Deshalb lasse sich für 2023 keine eindeutige Bilanz ziehen, sagt die Kulturmangerin Sonia Simmenauer, Präsidentin beim Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft.
Vorhersagen sind schwieriger geworden
"Ich finde es sehr, sehr schwer, ein Resümee zu ziehen, weil das Jahr sehr wackelig gewesen ist", so Simmenauer. "Es ist nicht eine Dynamik, sondern es sind viele Dynamiken gewesen. Ich glaube, wir brauchen noch einige Zeit um zu verstehen, was Corona verändert hat." Die klassischen Abonnements sind oft nicht mehr so begehrt wie früher. Insgesamt ist das Verhalten des Publikums schwieriger vorherzusehen, wie Simmenauer berichtet. "Was uns etliche Veranstalter sagen, ist, dass sie nicht mehr wissen, welche Werte laufen werden. Sie meinen, wenn wir den Künstler einladen, wird die Bude voll - ist aber nicht so. Dann haben sie einen Künstler, der nicht bekannt ist, und es läuft plötzlich ganz toll...", erläutert die Kulturmanagerin.
Personen, die das Jahr geprägt haben
Bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern waren die Auftritte des diesjährigen Preisträgers Martynas Levickis ein voller Erfolg. Der litauische Akkordeonist hat nicht nur viele Menschen begeistert, sondern auch die Säle gefüllt - was bei einem Künstler mit diesem in der Klassik eher selten vertretenen Instrument nicht unbedingt in dem Maße abzusehen war. Mit seiner Virtuosität und seinem sicheren Gespür für ganz unterschiedliche Stile, gehört Martynas Levickis zu den herausragenden Persönlichkeiten im norddeutschen Klassik-Jahr 2023.
Ebenso wie die Pianistin Anna Vinnitskaya, die mit dem NDR Elbphiharmonie Orchester zum 150. Geburtstag von Sergej Rachmaninow sämtliche Klavierkonzerte des russischen Romantikers aufgeführt hat.
Jubilare und Abschiede in 2023
Neben Rachmaninow war der langjährige Wahlhamburger György Ligeti einer der wichtigsten Jubilare des Jahres. Wie auch Maria Callas. Der Komponist und die Sopranistin sind beide 1923 zur Welt gekommen.
Aus demselben goldenen Jahrgang stammt der legendäre Pianist und Kammermusiker Menahem Pressler, der seinen 100. Geburtstag fast noch erlebt hätte. Pressler ist im vergangenen Mai gestorben. Außerdem mussten wir uns in diesem Jahr von Persönlichkeiten wie den Sopranistinnen Grace Bumbry, Gabriele Schnaut und dem Wagner-Tenor Stephen Gould verabschieden.
Neue Entdeckungen der Klassik-Szene
Bei aller Trauer um diese Verluste, gibt es aber auch immer wieder Talente, die Hoffnung machen. Das Leonkoro Quartett etwa bestätigt mit seinem Debütalbum den Ruf als herausragendes Kammermusikensemble. Die Koloratursopranistin Julie Roset hat Anfang November beim Operalia-Wettbewerb in Kapstadt nicht zufällig einen ersten Preis gewonnen. Die gerade mal dreiundzwanzigjährige Französin wird sich in Zukunft sicher mit ihrem leichten und silbrigen Timbre in die Herzen vieler Klassik-Fans zwitschern.