Wagner-Tenor Stephen Gould gestorben: "Er konnte einfach alles wegsingen"
Stephen Gould, einer der wichtigsten Heldentenören der vergangenen Jahrzehnte, ist im Alter von 61 Jahren gestorben. Ein Gespräch mit dem Hamburger Tenor Daniel Behle, der mit Gould auf der Bühne gestanden hat.
Herr Behle, wie haben Sie Stephen Gould erlebt?
Daniel Behle: 2018 haben wir zusammen "Tannhäuser" in Bayreuth gemacht und er war ein sehr netter und herzlicher Kollege, der zwar damals schon ein bisschen geklagt hat über seine Knie, weil er früher mal Footballspieler oder Zehnkämpfer war - auf jeden Fall ein sehr kräftiger Mann. Er war immer sehr locker, sehr gut vorbereitet und es war eine große Freude damals.
Er wurde auch als "Marathon-Mann" bezeichnet, was zumindest die Auftritte in Bayreuth angeht: Er hat 3.000 Mal als Phantom der Oper gesungen. Diese Kondition hat ihn offensichtlich auch ausgezeichnet, oder?
Behle: Es ist natürlich schon so, dass diese ganzen Wagner-Partien unglaublich fordernd sind und man schon den einen oder anderen Kollegen dabei stimmlich sterbend erlebt hat. Aber er hatte innerlich so viel Power und Kraft, diese ganzen Partien durchzuhalten. Das war schon sehr bemerkenswert, dass er teilweise ohne Pause das einfach alles wegsingen konnte und eine Qualität gehalten hat, die sehr beeindruckend war.
Wie haben Sie ihn musikalisch im Zusammenspiel auf der Bühne erlebt?
Behle: Beim "Tannhäuser" bin ich mit ihm hauptsächlich nur hinter der Bühne zusammen gewesen. Natürlich hat er nicht jede Probe ausgesungen und immer mit seinem Material um sich geworfen. Er hat ganz genau gewusst, wann es sich lohnt und wann es sich nicht lohnt und wo die neuralgischen Stellen beim "Tannhäuser" sind, um zu punkten. Ich habe ihn also als einen sehr intelligent einteilenden Sänger erlebt, also nicht einer, der immer 100 Prozent gibt. Für jeden jungen Kollegen, auch für mich persönlich, war es toll, von so einem intelligenten Sänger zu hören, was in dieser Rolle nötig ist und was nicht.
Bemerkenswert war auch sein Umgang mit seiner Krankheit, dass er vor einigen Wochen diese Krebserkrankung öffentlich gemacht hat und gesagt hat: "Ich ziehe mich zurück, jetzt ist mein Karriereende, es gibt keine Chance auf Heilung." Passt dieser souveräne Umgang mit so einer Krankheit auch zu dem Bild, das Sie von ihm als Menschen hatten?
Behle: Absolut. Es ist aber auch so, dass gerade im Wagner-Fach viele Kollegen keinen großen Hehl daraus machen, ihr Privatleben vor sich herzutragen oder große Szenen zu machen und mit der Hand vor der Stirn zu sagen: "Ich schaffe das nicht bei dem Wetter!" Es wird einfach nicht gejammert, sondern es wird sein Job gemacht - und das hat er uns ganz hervorragend als Vorbild gezeigt, was es heißt, in diesem Fach, in diesem Anspruch, zu überleben. Es ist auch eine Art Schutzschild, gerade in Bayreuth, einfach seine Leistung zu zeigen. Das hat er ganz hervorragend gemacht über viele Jahre.
Das Interview führte Philipp Schmid.